K.I.Z., Mäuse, Alin Coen Band

Neue Alben: K.I.Z., Mäuse, Alin Coen Band

profil unerhört. Die wichtigsten CDs der Woche

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Von Philip Dulle und Sebastian Hofer

Mäuse: Das Judas Evangelium (CD: Vienna Wildstyle Recordings/Angelika Köhlermann; Vinyl: Monkey Music)

Das Leben steckt voller Weisheiten: „Ein Zimmer in dem nicht geraucht wird, ist ein Zimmer ohne Vorhänge.“ Das weiß man zwar nicht erst, seit eine Band namens Mäuse darauf aufmerksam gemacht hat – es schadet aber auch nicht, diesen Umstand immer wieder zu betonen. Mäuse, das sind zwei Männer aus Wien, die sich im heißen Sommer 1994 trafen um gemeinsam Bier zu trinken und Musik zu machen (soweit nicht ungewöhnlich). Dass es sich bei dem Duo um Gerhard Potuznik (Knopferldrucker) und Tex Rubinowitz (Texter, quasi-Sänger) handelt, macht die Sache auch ein wenig kompliziert. Verweigerung als Erfolgsrezept war eben schon in den Neunzigern Bandkredo Nummer eins. Die Zeit war wohl noch nicht reif, würden Mäuse heute sagen; 1998 und 2009 haben sie sich folgerichtig aufgelöst. Drei Alben später holt man sich mit Didi Kern und Philipp Quehenberger tatkräftige Sound- und Live-Unterstützung, spielt auf „Das Judas Evangelium“ mehr mit Rock- als mit Elektro-Reminiszenzen und steckt alte Mäuse-Gassenhauer in neue Kleider. Dass die Neunziger nun mehr nach den düsteren Achtzigern (inklusive schöner „Shadowplay“-Verneigung) klingen, passt ohnehin besser zu den zwischen Lebensunzulänglichkeiten, Humor und Ekstase changierenden Mäusen. Nichts ist eben besser als gar nichts. (8.2/10) Ph. D.

Das Judasevangelium by Mäuse

K.I.Z.: Ganz oben (via krasserstoff.com)

Ist es denn schon Migration, wenn Grenzen überschritten werden? Und welche Grenzüberschreitung tut am meisten weh? Und vor allem: wem? „Ganz oben“, das neue Mixtape der Berliner Rap-Gruppe K.I.Z., erteilt wichtigen Anschauungsunterricht zu diesen Fragen, es geht, ganz grob gesagt, ums Grobsein, um Provokation und deren Facetten. Denn, merke: Geschmacklosigkeit kommt im Rap in unterschiedlichen Formen vor, das Spektrum reicht von ganz blöd (siehe die aktuelle Deutschrapper-bedroht-Politiker-Affäre) bis zu wesentlich weniger blöd, ja beinahe schillernd, auch wenn K.I.Z auf „Ganz oben“ zugegebenermaßen nicht wirklich schillern, sondern allenfalls goethen. Ja, ungefähr auf diesem Niveau bewegen sich die Wortspiele der Gruppe, aber Niveau ist schließlich auch nur eine Creme. K.I.Z. dagegen sind eine rare Bestätigung für die Vermutung, dass Deutschrap noch etwas zu sagen hat, auch wenn sich das Gemeinte hier doch recht erfolgreich hinter dem Gemeinen versteckt. In einem alten Albumtitel erklärten K.I.Z ihre Strategie als „Sexismus gegen Rechts“, und auch auf „Ganz oben“ geht es unterschwellig gegen Bildungspfusch, Nazis, Jimi Blue Ochsenknecht und Homophobie, überschwellig gegen Frauen. Oder etwa nicht? (8.2/10) S. Ho.

Alin Coen Band: We’re Not The Ones We Thought We Were (Universal)

Wenn die Alin Coen Band ihre Arbeit aufnimmt, beginnen die Klänge zu fließen: Die Stimme der namengebenden Sängerin verbindet sich mit der Musik ihrer Kollegen, feingliedrige Beats umschmeicheln den sanften Singer-Songwriter-Pop. Vor fünf Jahren traf sich die Band erstmals in einem dunklen Proberaum im deutschen Weimar – drei junge Männer (in klassischer Besetzung: Gitarre, Bass, Schlagzeug) und ein Mädchen. Für Coen war das Trio neben ihr stets mehr als nur die Begleittruppe: „Wenn man die Kraft einer Band nicht nützt, lohnt es sich gar nicht, mit anderen Musikern zu spielen“, betont sie im Gespräch mit profil. Nach dem ungeahnten Erfolg ihres Debüts („Wer bist du?“, 2010) ging man monatelang auf Tour, spielte mit Popgrößen wie Sting und versuchte sich in der innerdeutschen Vorausscheidung des Eurovision Song Contests. Auf ihrem nun vorliegenden zweiten Album – „We’re Not The Ones We Thought We Were“ – schwelgt die Band erneut in Melodien, die sich heiter bis wolkig gestalten. Alin Coen singt inzwischen nahezu alle Songs auf Englisch, erzählt dabei von Beziehungsgewalt („A No is a No“) und dem widersprüchlichen Verhältnis von Menschen zu Maschinen („Disconnected“). Bei so viel Sinn für das Gute stellt sich die Frage, ob feine Popmusik auch kitschig sein darf. Die Antwort ist simpel: Ja. (6.9/10) Ph. D.

Alle profil-unerhört-Kritiken in der Nachlese

profil-Wertung:
Von "0" (absolute Niederlage) bis "10" (Klassiker)

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.