Nine Inch Nails, Babyshambles

Neue Alben: Nine Inch Nails, Babyshambles

profil unerhört. Die wichtigsten CDs der Woche

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Von Philip Dulle und Sebastian Hofer

Nine Inch Nails: Hesitation Marks (Polydor/Universal)

Die „Downward Spiral“ führt bei Trent Reznor unaufhaltsam ins Nichts. Seit den Neunzigern quält sich der Mann mit leichtem Hang zu Selbstzerstörung, Drogen und Alkohol durch das Leben. Als Zugpferd dient ihm dazu seine vorgeschobene Bandidentität Nine Inch Nails. Dass er irgendwann vielleicht doch einen Ausweg aus dieser Abwärtsspirale finden sollte, dürfte dem Endvierziger erst mit dem neuen Album „Hesitation Marks“ bewusst geworden sein. Nach der vorzeitigen Stilllegung seiner Band 2009, erfolgreicher Reha, Oscar-Gewinn (Soundtrack für „The Social Network“) und Frau-mit-Kind-Beziehung, erscheinen die vierzehn neuen Songs als Antwort, oder sogar als Spiegelbild seiner Anfänge zwischen Industrialrock und elektronischem Rauschen. Nach den zwei dystopischen Endzeitvisionen „Year Zero“ und „The Slip“ wählt Reznor neuerdings seine introvertierte Seite und hält die Schmerzensschreie trotz der sich selbst zugefügten „Hesitation Marks“ weitestgehend zurück. Statt dem gut eingeölten Wiedererkennungsmerkmal der Ein-Mann-Band (Noise, EBM, schwarze Lederjacke), bleibt Reznor geradezu verhalten, verliert sich in elektronischer Rhythmik und schreibt eine durchaus radiotaugliche Rocknummer („Everything“). Dass sich Reznor auf einem schmalen Grat zwischen neuer Leichtigkeit des Seins und einer veritablen Depression befindet, beweist „Hesitation Marks“ vor allem zwischen den Zeilen. Kein Wunder also, dass er NIN wieder reaktiviert hat. Der Survivor hat das Leben eben immer noch vor sich.
(7.1/10) Ph. D.

Babyshambles: Sequel to the Prequel (Warner Music)

Peter Doherty hat wieder einmal Recht. Man kann schon einmal durcheinanderkommen mit dem ganzen Vorher und Nachher, vor allem wenn es um Gitarrenmusik geht: Ist Retro jetzt das neue Neue oder immer noch das Alte, wer war eigentlich vorher da und ist das jetzt egal oder nicht? Pete Doherty war jedenfalls schon einmal ganz groß da, damals nahm er sehr viele Drogen, benahm sich auch so und schrieb trotzdem bemerkenswert schöne, auf kaputte Art romantische Indierock-Songs. Es folgten eine publicityträchtige Beziehung zu einem prominenten Supermodel, diverse Haftstrafen und misslungene Bewährungsversuche sowie eine ausgedehnte Veröffentlichungspause. Mit „Sequel to the Prequel“ liegt nun das dritte Album von Dohertys Babyshambles vor und beschreitet neue alte Wege, die leider den Verdacht nicht ganz ausräumen können, dass sie früher besser geklungen hätten. Aber weil nach der popkulturellen Relativitätstheorie heute ja auch ein bisschen wie früher ist, kann man die Fortsetzung zum Vorspann eigentlich auch ganz zeitlos gut finden.
(7.5/10) S. Ho.

Alle profil-unerhört-Kritiken in der Nachlese

profil-Wertung:
Von "0" (absolute Niederlage) bis "10" (Klassiker)

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.