Niederösterreich rüstet kulturell auf

Niederösterreich rüstet kulturell auf: Reihenweise eigene Museen für Künstler

Reihenweise eigene Museen für Künstler

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Von Nina Schedlmayer

Der Hauptplatz von Hadersdorf am Kamp ist der Inbegriff ländlicher Idylle: Ein hübsch renoviertes Ensemble schmucker Häuser breitet sich rund um einen gepflegten Park aus; nur selten quert ein Auto die Straße, umso öfter krähen die Hähne. Es ist, als wäre man in einem Werbespot für das Kamptal gelandet.

Demnächst wird die beschauliche Ruhe jedoch, zumindest für einige Stunden, gestört werden. Am Freitag dieser Woche eröffnet nämlich am Hauptplatz Nummer 23 das „Kunststaulager Spoerri“: Es beherbergt zahlreiche Skulpturen und Assemblagen des Starkünstlers Daniel Spoerri, 1930 in Rumänien geboren, aufgewachsen in der Schweiz. Gut eine Woche vor der Eröffnung stehen noch Kisten herum, harren zahlreiche Räume ihrer endgültigen Gestaltung. Doch schon während des Aufbaus zeigt sich, wie gut Spoerris Kunst – berühmt wurde er mit seinen „Fallenbildern“, auf Tischplatten montierten Überresten gemeinschaftlicher Essen – in die ehemalige Klosteranlage passt: In den früheren Stallungen stehen furchterregende Bronzefiguren Spalier, in einer ehemaligen Scheune hängt der 1995 entstandene Assemblagen-Zyklus „Karneval der Tiere“, im Hof steht die „Demokratische Säule“, und um einen Kirschbaum herum rankt sich Spoerris „Stuhlgestrüpp“.

Geplant oder gar erträumt habe er sich sein „Kunststaulager“ keineswegs, versichert der Künstler. Der Standort ist dem Zufall zu verdanken: Eine Assistentin Spoerris, die seine quer über Europa verstreuten Arbeiten an einem Ort versammeln wollte, entdeckte zwei zum Erwerb stehende Häuser am Hauptplatz – nun ist in einem der Ausstellungsbereich untergebracht, im anderen ein „Esslokal“ mit einem geräumigen Veranstaltungsraum, ebenfalls mit Spoerri-Werken ausgestattet – etwa einem mit Flohmarktware überbordenden Fries.

Der beeindruckende Wunderkammer-Kosmos des Nouveau-Realisme-Vertreters ist nicht die einzige Institution in Niederösterreich, die einem Einzelkünstler gewidmet ist: Im September 2007 eröffnete in Krems das Forum Frohner, ein Ausstellungsraum des im selben Jahr verstorbenen Adolf Frohner; seit Mai desselben Jahres präsentiert Hermann Nitsch seine Werke in Mistelbach. Und in wenigen Monaten – am 25. September – eröffnet in Baden das Arnulf-Rainer-Museum. Derzeit wird noch an der Adaptierung des Gebäudes, eines ehemaligen Frauenbades, gearbeitet. In der ersten Schau wird das Frühwerk des Künstlers präsentiert, der in seiner Geburtsstadt Baden „sein Kernthema, die Übermalungen, entwickelt hat“ (so der Ausstellungskurator Carl Aigner).

Wie das Spoerri-Lager und das künftige Rainer-Museum sind auch die anderen Künstlermuseen Niederösterreichs in historischen Bauwerken untergebracht: Das Nitsch-Museum befindet sich in einer ehemaligen Pflugfabrik, das Forum Frohner in einem Minoritenkloster aus dem 13. Jahrhundert. Joachim Rössl, Leiter der Abteilung Kultur und Wissenschaft des Landes Niederösterreich, sieht diesen Umstand als doppelten Vorteil: Zusätzlich zur Präsentation des Werks eines Künstlers würden historisch interessante Orte revitalisiert. „Damit wird auch Substanz bewahrt“, so Rössl.

Wermutstropfen. Derartige Museen entstehen häufig auf lokale Initiative: Sowohl beim Nitsch-Museum als auch beim Rainer-Museum standen die Bürgermeister der jeweiligen Städte als treibende Kräfte hinter den Projekten. Die Kosten für den laufenden Betrieb übernimmt jedoch zum Großteil das Land: Niederösterreich lässt sich seine Künstler-Weihestätten einiges kosten. Die Einrichtung des Rainer-Museums wird mit 1,7 Millionen Euro unterstützt, die jährliche Zuwendung beläuft sich auf 500.000 Euro. In die Mistelbacher Pflugfabrik hat das Land 2,9 Millionen Euro gesteckt, im laufenden Jahr erhält das Haus 800.000 Euro Subvention. Das Forum Frohner bekommt immerhin noch 400.000 Euro per annum. Spoerris Kunstlager ist im Gegensatz dazu weitgehend vom Künstler selbst finanziert. Die Kulturabteilung – Chef Rössl hielt die Nachricht von Spoerris Plänen zunächst für einen Scherz – hat dessen Einrichtung dennoch mit 290.000 Euro gefördert.

Allerdings trübt ein Wermutstropfen das niederösterreichische Kunst-Engagement: Der Publikumserfolg der bis dato eröffneten Institutionen hält sich in engen Grenzen. So besuchten das Forum Frohner im vorigen Jahr 13.500 Personen, das Museumszentrum Mistelbach in den zwei Jahren seines Bestehens rund 36.500 Leute. Dabei hatte insbesondere die Gemeinde Mistelbach einen Besucheransturm erhofft, dem sogar die touristische Infrastruktur angepasst werden sollte. Auch in Baden erwartet man eine Belebung der Stadt: „Wir möchten mit diesem Museum mehr internationales Publikum nach Baden bringen“, erklärte vor drei Jahren der damals amtierende Bürgermeister August Breininger. In Mistelbach rechnete man anfänglich mit einer jährlichen Quote von 30.000 Personen – diese Zahl musste dramatisch nach unten revidiert werden: Für 2009 hat man sich das Ziel von 15.000 Besuchern gesteckt. So charmant idyllische Orte und hübsche Baujuwelen sein mögen: Den Weg dorthin finden – wenigstens außerhalb punktueller Events wie unlängst Nitschs 56. Malaktion – doch deutlich weniger Menschen als erhofft.

Rainer Fuchs, der stellvertretende Direktor des Museums Moderner Kunst in Wien, bringt die Probleme der Häuser auf den Punkt. „Derartige Museen passen in kein Schema. Ein großstädtisches Publikum kommt nur in Maßen, und für das kleinstädtische sind sie zu radikal.“ Zudem bestehe für die Künstler „die Gefahr der Selbstprovinzialisierung und Beweihräucherung“, da in solchen Häusern auf immer eine gewisse Heldenverehrung betrieben würde, sich die Bedeutung eines Werks aber immer erst im Kontext mit jenen der jeweiligen Zeitgenossen erschließen könne. „Hermann Nitsch schlägt sich in seinem Museum unter seinem eigenen Wert“, kritisiert Fuchs. „Es sind vor allem Arbeiten jüngeren Datums zu sehen; seine eigene historische Leistung wird gar nicht entsprechend dargestellt.“ Der Eindruck „enzyklopädischer Vollständigkeit“ sei eben trügerisch – vor allem, da in derartigen Häusern häufig das Schaffen bereits älterer Künstler präsentiert werde, die „ihre Bedeutung in der Vergangenheit hatten“.

Nitsch als sein eigener künstlerischer Leiter zeigte bisher kein gesteigertes Interesse an der Kontextualisierung seines Werks. Seine einzige Konkurrenz im Museumszentrum Mistelbach ist eine Hobbymalerin, die in einem vom örtlichen Kulturverein bespielten Nebenraum esoterisch angehauchte „Gefühlslandschaften“ zeigt. Im Forum Frohner dagegen präsentiert man derzeit eine Hrdlicka-Schau, und im Rainer-Museum möchte man internationale Kuratoren mit der Konzeption von Ausstellungen beauftragen. Daniel Spoerri wiederum beabsichtigt, kommendes Jahr Werke jener Künstler auszustellen, die Arbeiten zu seinem italienischen Skulpturenpark beigesteuert haben.

Vielleicht entgehen die niederösterreichischen Künstlermuseen so der Selbstprovinzialisierung. Selbst wenn sie trotzdem keine Publikumsrenner werden: Die großzügige Unterstützung des Landes, das so stolz auf seine rege Kulturszene ist, bleibt ihnen gewiss. Und die Hadersdorfer Land- idylle würden Touristenbusse ohnehin zu sehr stören.