Niederösterreich versuchte, spekulative Papiere mithilfe eines irischen Fonds zu retten

NÖ versuchte, spekulative Papiere mithilfe eines irischen Fonds zu retten

Hypo-Investmentbank. Millionen an Wohnbaugeldern könnten verloren gehen

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Vielleicht ist es Übermut nach dem Erfolg bei den jüngsten Gemeinderatswahlen, vielleicht auch eine gewisse Lust an der Provokation des politischen Gegners – so oder so: Einen Hang zur Ironie kann der VP-dominierten Landesregierung in St. Pölten keiner absprechen.

Vergangenen Donnerstag designierte sie den künftigen Direktor des Landesrechnungshofs – und legte sich auf Peter Kiessler fest. Ausgerechnet. Die Prominenz dieses Mannes endet zwar an der blau-gelben Landesgrenze. In Niederösterreich freilich ist der Name untrennbar mit der Landesregierung verbunden: Kiessler gilt als die rechte Hand von Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka, sitzt im Aufsichtsrat der Hypo Real Invest und war bisher auch Geschäftsführer zahlreicher landeseigener Gesellschaften – unter anderem der niederösterreichischen Finanz- und Beteiligungsmanagementgesellschaft, kurz FIBEG. Und der werden in einem noch unveröffentlichten Rechnungshofbericht Spekulationsverluste in dreistelliger Millionenhöhe angelastet.

Die Optik ist keine schöne.
Die Opposition fragt gar, ob hier vertuscht werden soll, wie viel Steuergeld Sobotka und die FIBEG in den letzten Jahren in den Sand gesetzt haben. Sobotka steht demonstrativ hinter den Geschäften der FIBEG und vor allem hinter deren Mastermind: FIBEG-Geschäftsführer Herbert Höck.

Der 63-Jährige ist in Niederösterreich das, was man gemeinhin als Multifunktionär bezeichnet. Seit 2001 ist der gebürtige Tiroler Geschäftsführer der FIBEG sowie Vorstand der Hypo-eigenen Wohnbaudarlehen Privatstiftung. Er wickelte die Privatisierung der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt ab, war in den Jahren 2004 bis 2005 sowie 2007 bis 2008 im Vorstand der landeseigenen Hypo-Bank und ist seit deren Spaltung in den Aufsichtsräten der diversen Tochtergesellschaften vertreten.

Vor allem seine Doppelfunktion als ­FIBEG-Geschäftsführer und Hypo-Vorstand vom Jänner 2007 bis April 2008 war vom Gesetz her unvereinbar. Dass Höck trotzdem in den Bankvorstand bestellt werden konnte, ist der Nachlässigkeit der Finanzmarktaufsicht (FMA) geschuldet. Die damalige FMA-Führung winkte Höcks Berufung durch – damit war die Vorgangsweise rechtlich gedeckt.

Was Höck auszeichnet:
Bei vielen Geschäften, wo er seine Finger im Spiel hatte, fielen Verluste an. Und offenbar nutzte er seine Funktionen dafür, die eigenen Misserfolge zu vertuschen. Nun war die Hypo Investment Bank AG zuletzt ins Visier der Bankenaufseher geraten, weil sie just zu jener Zeit – also 2007 – unter Missachtung der Großveranlagungsgrenzen eine irische Zweckgesellschaft mit 800 Millionen finanzierte, um dort mit hochspekulativen Papieren zu zocken. Tatsächlich wurde das Dubliner Konstrukt mit dem klingenden Namen „Augustus“ nur aus einem Grund aufgezogen: um drohende Verluste auch in jenen Fonds abzufangen, in denen die FIBEG die Wohnbaudarlehen des Landes veranlagt hat. Das geht aus profil vorliegenden Aufsichtsratsprotokollen der Hypo aus den Jahren 2007 und 2008 hervor.

„Ich lasse mir nicht vorwerfen, gezockt zu haben.“
Mit diesen Worten verteidigte sich Sobotka im Vorjahr gegen den Vorwurf, als Eigentümervertreter der FIBEG zugesehen zu haben, wie Wohnbaugelder in hochspekulative Papiere investiert wurden. Die Genesis von „Augustus“ erzählt anderes.

Im November 2007 drohte bei einzelnen Veranlagungen, die FIBEG und Hypo getätigt hatten, ein Totalausfall. Konkret ging es um 68 Millionen Euro, die in so genannten Structured Investment Vehicles (SIVs) der Dresdner Bank und der CitiBank gesteckt worden waren. Structured Investment Vehicles sind eigens geschaffene Zweckgesellschaften, über die Banken Teile ihres Geschäfts abwickeln, um Erträge zu erwirtschaften, ohne selbst Eigenkapital vorstrecken zu müssen. Vereinfacht gesagt wird dabei mit Finanzprodukten gehandelt, die sich auf andere Finanzprodukte beziehen, an denen wiederum Forderungen hängen. SIVs erwerben lang laufende Wertpapiere und verkaufen, um sich zu refinanzieren, kurz laufende Wertpapiere sowie Capital Notes. Letztere sind die spekulativsten Papiere in einer Zweckgesellschaft. Sie werfen im besten Fall hohe Renditen ab, werden aber auch – und das ist das Risiko dabei – sofort herangezogen, um eingetretene Verluste im Portfolio abzudecken.

Nun hielt die FIBEG also Capital Notes an Sondergesellschaften (der Dresdner Bank und der CitiBank) im Wert von 48 Millionen Euro, 20 Millionen hielt die Hypo. Laut vorliegender Unterlagen der Bank ereilte die damaligen Hypo-Vorstände Günter Matuschka, Richard Juill, Heinz Hofstätter und Herbert Höck im November 2007 die Information, dass „ein Totalausfall dieser Capital Notes“ im Raum stehe. Der Markt war ins Stocken geraten, weil sich unter Investoren Angst vor Verlusten breitmachte. Höck berichtete darüber in der Hypo-Aufsichtsratssitzung am 4. Dezember und machte drastisch klar, was dies bedeutet: „Die Höhe des entstehenden Verlusts für die Fonds und die Bank kann derzeit nicht beziffert werden.“ Was er damit andeuten wollte: Im schlimmsten Fall könnte das gesamte Investment verloren gehen.

Sondergesellschaft.
Und nun rettete der Hypo-Vorstandsvorsitzende Höck, was der FIBEG-Geschäftsführer Höck verbockt ­hatte. Er schlug dem Aufsichtsrat vor, diese Capital Notes – Emittenten waren K2 (Dresdner Bank) und Centauri (CitiBank) – zurückzuholen. Käufer für diese Papiere hätten sich ohnehin keine gefunden.

Der Hypo-Aufsichtsrat wurde ersucht, eine Finanzierung von 1,1 Milliarden Euro zu genehmigen, damit die Capital Notes und die damit verbundenen Assets zurückgekauft und „in eine zu gründende Sondergesellschaft“ eingebracht werden können. Diese Zweckgesellschaft, „welche die Wertpapiere kauft“, sollte dann in Irland errichtet werden, die Refinanzierung „wird von der Hypo Investmentbank bereit­gestellt“.

Gesellschafter dieses hauseigenen SIVs sollten nach ursprünglichen Plänen „zumindest zu 20 Prozent die Hypo Investmentbank und zu 80 Prozent die Hypo Capital Management AG sein“. Die Hypo stellt heute allerdings klar, dass die Hypo Capital Management nicht an „Augustus“ beteiligt war. Um die strengen Vorgaben der Bankenaufsicht zu umgehen, griffen die Architekten von „Augustus“ zu einer kreativen Idee: „Damit die Gesellschaft zu 100 Prozent durch die Hypo Investmentbank refinanziert werden kann, muss gemäß Bankwesengesetz eine Kreditinstitutsgruppe vorliegen. Damit entfällt das Problem der Großveranlagung (,0‘-Gewichtung).“ „Augustus“ wurde also in der Bilanz als kreditfinanzierte Hypo-Tochter ausgewiesen. Ein entsprechendes Gutachten – so sicher war sich der Vorstand dann offenbar doch nicht – sollte diese Vorgangsweise untermauern.

Im Dezember 2007 wurde die Zweckgesellschaft als „Augustus Funding Limited“ in Dublin gegründet. Dass die Wahl auf Irland fiel, hatte pragmatische Gründe: Zum einen ist das steuerliche Umfeld für derlei Vehikel günstig, zum anderen war von der dortigen Aufsicht nichts zu befürchten. Die Refinanzierung über 700 Millionen Euro wurde von der Hypo Investmentbank bereitgestellt, Capital Notes im Umfang
von 100 Millionen Euro wurden von den ­FIBEG-Landesfonds ausgegeben – das ­erste Verlustrisiko in „Augustus“ sollte also notfalls aus Steuergeldern getragen werden.

In der Hypo-Aufsichtsratssitzung vom 5. März 2008 meldete sich ein Mitglied zu Wort und hinterfragte die Strategie: ob es „seitens des Landes gewünscht wird, dass FIBEG und Bank in gleiche Produkte investieren“. Das Land hatte immerhin ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Die Antwort kam dann auch von Reinhard Meißl, dem von Sobotka entsandten Aufsichtskommissär des Landes: Erst jetzt, nach dem Ausstieg der Volksbanken-Gruppe aus der Hypo, könnten „die Möglichkeiten der FIBEG (Zeichnung von Capital Notes) und der Bank (Refinanzierung) gemeinsam genutzt werden“.

Das größere Risiko blieb also immer dem Land. Höck betonte nochmals „die einwandfreie Qualität des aufgesetzten Vehikels. Die Erfahrung, dass der gesamte Finanzmarkt – trotz guter Ratings – zusammenbrechen könnte, ist gänzlich neu in der Finanzwelt.“

Verkaufsdruck.
Heute, zwei Jahre später, hat die Hypo Niederösterreich ordentlich Probleme am Hals. Nach einer Vor-Ort-Prüfung der Nationalbank ermittelt die Staatsanwaltschaft St. Pölten gegen die Vorstände wegen mutmaßlicher Bilanzfälschung im Zusammenhang mit der Ausbuchung von Verlusten im Jahr 2008 (es gilt die Unschuldsvermutung).

Überdies erkannten die Prüfer – anders als der Vorstand 2007 – in dem 800-Millionen-Engagement in Dublin sehr wohl eine Überschreitung der Großveranlagungsgrenze. Eine Bank darf nicht mehr als 25 Prozent ihrer Eigenmittel in ein Geschäft stecken. Die Hypo-Konzerneigenmittel lagen zuletzt bei gerade einmal 568 Millionen Euro, die Großveranlagungsgrenze wurde im konkreten Fall also deutlich überschritten. Auf Druck der Finanzmarktaufsicht – und drohender Strafzahlungen – soll das Irland-Geschäft nun auf hundert Millionen Euro zurückgestutzt werden.

Nachdem „Augustus“ auf eine Laufzeit von zehn Jahren angelegt war, hätte es – ­theoretisch – keine Verluste gegeben. Durch den Verkaufsdruck könnte nun allerdings ein Minus in Millionenhöhe auflaufen – womit wiederum die FIBEG in Turbulenzen geraten würde. Sie hält die riskanten Capital Notes in „Augustus“, die etwaige Ausfälle im dahinter liegenden Portfolio auffangen müssen. Das heißt: Bringt die Hypo die Papiere um weniger als 700 Millionen an den Mann, könnte sie sich den Differenzbetrag von der FIBEG holen.

Hypo-Sprecher Markus Nepf hält fest:
„In Abstimmung mit ,Augustus‘ wird seit Jahreswechsel an einer Restrukturierung des Senior Loans gegenüber dieser Gesellschaft gearbeitet, mit der Zielsetzung, das wirtschaftliche Risiko aus dieser Ausleihung durch vorzeitige Rückführung beziehungsweise Hereinnahme zusätzlicher Sicherheiten von ursprünglich rund 800 Millionen Euro auf rund 100 Millionen Euro zu reduzieren. Die Hypo Investmentbank geht auf Basis der bisherigen Entwicklung davon aus, dass mit der Restrukturierung kein Wertberichtigungserfordernis für die Hypo hinsichtlich des verbleibenden Senior Loans verbunden ist.“

Der Bank soll also kein Schaden erwachsen.
Was bei den FIBEG-Fonds anfällt, steht auf einem anderen Blatt. Die Gesellschaft lässt lapidar mitteilen: „Das Portfolio von ,Augustus‘ enthält Wertpapiere mit einem sehr guten Rating und liquide Titel.“ Die Trial-and-Error-Strategie des Herbert Höck kommt Niederösterreich mittlerweile teuer zu stehen. Bei der Privatisierung und Veranlagungsberatung der landes­eigenen Umweltschutzanstalt versenkte die FIBEG Millionen.

Auch die Erlöse aus Wohnbaudarlehen des Landes in Höhe von 4,4 Milliarden Euro wurden so veranlagt, dass Unsummen verloren gingen. Eine konservative Vorgangsweise wäre gewinnbringender gewesen, besagt das jüngste Gutachten des Wirtschaftsprüfers Thomas Keppert: Eine Investition des Kapitals in Bundesanleihen hätte nach Steuern 795 Millionen Euro eingespielt, und zwar ohne das Grundkapital von 4,4 Milliarden Euro anzuknabbern.

Das Modell, das die FIBEG wählte, brachte zwar Ausschüttungen von 768 Millionen Euro. Abwertungen und Refinanzierungskosten verringerten das Grundkapital aber auf 3,34 Millionen Euro. Und das ergibt unterm Strich ein Minus von 1,1 Milliarden Euro. Für einen Finanzlandesrat bleibt Sobotka trotzdem bemerkenswert ruhig. Er lässt profil ausrichten, Höck genieße „sein volles Vertrauen“.