Notenpanik
Selbstverständnis und Außenwahrnehmung wollen derzeit so gar nicht zusammenpassen: Feiner Zwirn, zeitlos geschnitten, soigniertes Auftreten, Seriosität und Diskretion bis ins adrett faconierte Haupthaar.
14 Millionen Schwarzgeld auf Off-Shore-Konten, Geschäfte mit Diktatoren, Viagra über Spesenabrechnungen.
Das kann eigentlich nicht zusammengehen. Eigentlich.
Ausgerechnet auf dem vorläufigen Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise schlittert die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) in einen Schmiergeldskandal, welcher die Verantwortlichen von Gouverneur Ewald Nowotny abwärts in Verlegenheit bringt. Die Herren mögen noch so sehr nach Worten ringen, letztlich dampft sich alles auf ein Eigenschaftswort ein: peinlich, je nach persönlicher Disposition auch unendlich peinlich. Sehr viel mehr wird zu den Vorgängen innerhalb der OeNB-Tochter Oesterreichische Banknoten- und Sicherheitsdruck GmbH, kurz OeBS, nicht gesagt.
Zumindest nicht offiziell.
Tatsache ist: Vor gut einer Woche mussten die beiden OeBS-Geschäftsführer, Johannes M. und Michael W., quasi über Nacht abdanken. Mit ihnen auch eine Vertriebsmanagerin. Das Trio steht im Verdacht, rund 14 Millionen Euro an Schmiergeldern aus OeBS-Vermögen verteilt zu haben, um an einen Banknoten-Druckauftrag aus Syrien zu gelangen. Nebenher sollen bis 600.000 Euro an nicht nachvollziehbaren Spesen unter anderem für Potenz fördernde Pharmaka abgezweigt worden sein, ebenfalls aus der Kasse der OeBS.
Ein Teil der Schmiergelder könnte, so der Verdacht der mittlerweile eingeschalteten Staatsanwaltschaft Wien, über diverse ausländische Konten ihren Weg nach Wien zurückgefunden haben, in Form von so genannten Kick-Backs.
Die Verdächtigen haben sich zu den Vorwürfen bisher nicht geäußert, es gilt die Unschuldsvermutung.
Was die Affäre aus Sicht der Nationalbank besonders peinlich macht: Ausgerechnet in jenem Haus, das für die Aufsicht und Prüfung des gesamten österreichischen Bankensektors verantwortlich zeichnet, konnte anscheinend jahrelang Geld wild verteilt werden, ohne dass es auch nur irgendjemandem aufgefallen wäre auch deshalb, weil die dafür zuständige interne Revision heillos indisponiert war. Vom Aufsichtsrat ganz zu schweigen. Immerhin reichen die verdächtigen Transaktionen bis ins Jahr 2008 zurück. Nur, leider: Man sollte davon ausgehen, dass die Geschäftsführung den Aufsichtsrat voll und richtig informiert. Das war hier leider nicht der Fall, sagt OeBS-Aufsichtsratspräsident Wolfgang Duchatczek, im Hauptberuf Vizegouverneur der Oesterreichischen Nationalbank.
Währungspolitik ist, das haben die Ereignisse der vergangenen Wochen eindrucksvoll gezeigt, zunächst einmal eine Frage des Vertrauens. Und das scheint innerhalb der altehrwürdigen Institution OeNB überreichlich ausgeprägt zu sein. Dass die eigenen Leute sich am Vermögen des Hauses vergreifen, ist in der Welt der Notenbanker offensichtlich undenkbar.
Das ist umso bemerkenswerter, als die Organe der Notenbank mehrfach auf Sicherheits- und Kontrolllücken hingewiesen wurden. Bereits 2005 hatte der Rechnungshof der Arbeit der internen Revision der OeBS getadelt (sie ist auf das Design, die Herstellung und den Vertrieb von Euro- und sonstigen Banknoten spezialisiert). In dem Bericht heißt es wörtlich: Der RH kritisiert, dass seit Beginn der Geschäftstätigkeit der OeBS eine interne Revision nur mangelhaft stattfand, und dass erst nach vier Jahren und nur aufgrund externer Kritik eine eigene (
) für Revisionsaufgaben zuständige Organisationseinheit geschaffen wurde. Er bemängelte weiters, dass die Tätigkeit der internen Revision auch danach nur sehr eingeschränkt wahrgenommen wurde.
Eine gewisse Beratungsresistenz ist den Herren nicht abzusprechen. Im Zuge einer Folgeprüfung im Jahr 2007 stellten sie RH-Prüfer konsterniert fest, dass ihren Empfehlungen aus dem Jahr 2005 weitgehend nicht entsprochen worden war. Oder, wie der Rechnungshof konstatierte: Der nunmehrige Innenrevisor verfügte über keine berufliche Erfahrung im Revisionsbereich.
Schlimmer noch: Wie profil-Recherchen ergaben, erregte die OeBS in jüngerer Vergangenheit gleich zweimal das Interesse des österreichischen Bundeskriminalamtes. Und zwar in Zusammenhang mit dem Verdacht der Geldwäsche.
2008 erstatte eine namentlich vorerst nicht bekannte ausländische Bank erstmals Anzeige wegen verdächtig hoher Zahlungseingänge auf einem ihrer Kundenkonten. Absender: die OeBS. Die so genannte Geldwäscheverdachtsmeldung landete beim dafür zuständigen Bundeskriminalamt, das daraufhin Ermittlungen einleitete und bei der OeBS vorstellig wurde. Dumm nur: Die Kriminalisten wandten sich damit just an jene beiden Geschäftsführer, welche heute im Zentrum staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen stehen. Die Untersuchungen verliefen konsequenterweise im Sand. 2009 wiederholte sich das Spiel. Wieder langte eine Verdachtsmeldung aus dem Ausland beim BKA ein, wieder wurde die OeBS-Spitze kontaktiert, wieder konnte sie die Überweisungen plausibilisieren, wieder landete der Fall in den Akten.
Doch damit nicht genug: Das Direktorium der Oesterreichischen Nationalbank hatte weder damals noch später den Funken einer Ahnung. Genau genommen flog die Angelegenheit erst im Zuge der jüngsten Aufräumarbeiten, also mit mehrjähriger Verspätung, auf.
Die OeNB will dezidiert nicht ausschließen, dass ein Zusammenhang zwischen den Geldwäschemeldungen und den Transaktionen mit Syrien besteht; bewiesen ist das allerdings nicht.
Diese Affäre markiert denn auch nur den vorläufigen Höhepunkt einer Serie von Pleiten, Pech und Peinlichkeiten im Inneren und im Umfeld der Oesterreichische Banknoten- und Sicherheitsdruck GmbH.
Die Gesellschaft entstand 1998 als eigener Rechtsträger im Zuge einer Ausgliederung aus der Nationalbank. Dabei ließ sich die OeNB nicht lumpen. Allein der Neubau der Druckerei schlug mit 225 Millionen Euro zu Buche. Die OeNB war guter Hoffnung, eine tragende Rolle bei der Herstellung der (damals noch theoretischen) neuen Gemeinschaftswährung zu spielen. Tatsächlich sollte die OeBS ab 2002 auch tatsächlich die neuen Euro-Geldscheine drucken, allerdings bei weitem nicht im erhofften Umfang. Daher brauchte es sehr früh Aufträge aus Nicht-EU-Ländern. Neben Geschäften kleineren Ausmaßes mit Rumänien, Armenien, Georgien und den Nachfolgestaaten Jugoslawiens zog sie 2004 einen vermeintlich vielversprechenden Auftrag an Land: das Drucken von 600 Millionen Singapur-Dollars. Volumen: rund 20 Millionen Euro.
Doch diese erste Großorder sollte die OeNB-Tochter alsbald in schwere Bedrängnis bringen. Neben Qualitäts- und Logisitikproblemen hatte das damalige Management um Wolfgang Färber und Josef Schneider viel zu knapp kalkuliert und obendrein vergessen, das Währungsrisiko abzusichern (fakturiert wurde in Singapur-Dollar, der prompt schwächelte). Am Ende stieg die OeBS gerade noch ohne Verlust aus dem Geschäft aus. Färber und Schneider mussten im Sommer 2004 den Hut nehmen, nachdem ihnen der damalige Generaldirektor des Schwesterunternehmens Münze Österreich, Kurt Meyer, als Sonderbeauftragter zur Seite gestellt worden war.
Derselbe Kurt Meyer sollte wenige Jahre später seinerseits über Unregelmäßigkeiten stolpern. Im Oktober 2010 wurde Meyer als Münze-Chef abgelöst, nachdem er die Firmenkreditkarte über Gebühr privat strapaziert hatte. Auch das war lange Zeit weder der Innenrevision noch dem Aufsichtsrat Präsident ist wie bei der OeBS ein gewisser Wolfgang Duchatczek aufgefallen.
Der Peinlichkeiten nicht genug, sorgte 2008 der Leiter der OeNB-Abteilung Bankenrevision, eines der Schlüsselressorts des Hauses, für negative Schlagzeilen und seine Ablöse. Ronald Laszlo, bis dahin verdienter Mitarbeiter mit untadeligem Ruf, hatte ein Bündel hochsensibler OeNB-Dossiers in der Kärntner Wohnung seines Bruders vergessen. Als Laszlo wieder in Wien angekommen war, ersuchte er seinen Bruder telefonisch, die vertraulichen Unterlagen sofort zu shreddern. Das Pech im Unglück: Laszlos Bruder, damals Prokurist beim Investmenthaus AvW, kam nicht mehr dazu. Er wurde kurz darauf in Kärnten verhaftet und in Untersuchungshaft genommen, die Justiz ermittelte damals gegen AvW-Gründer Wolfgang Auer-Welsbach. Im Zuge einer Hausdurchsuchung stellte die Polizei Laszlos vergessene OeNB-Akten sicher und übermittelte diese an die Nationalbank in Wien. Kurz darauf durfte der Abteilungsleiter im Wege einer Selbstkündigung abtreten.
Auch handwerklich lief bei der Nationalbank zu jener Zeit nicht alles rund. Im Dezember 2008 hatte die Kärntner Hypo Alpe-Adria Bank, im Zuge der aufdräuenden Finanzkrise, um 1,45 Milliarden Euro Staatshilfe angesucht. Dafür musste sie sich einer Einschätzung durch die Nationalbank unterziehen eine Vorbedingung der österreichischen Regierung wie auch der EU. Der Hypo wurden letztlich auch 900 Millionen Euro Steuergeld zugestanden, wenn auch auf Grundlage einer mehr als oberflächlichen Expertise durch die OeNB. Diese hatte dem konkursreifen Kärntner Institut es gehörte damals noch mehrheitlich der Bayerischen Landesbank allen Ernstes eine Art Gütesiegel erteilt. Nach Schätzungen der OeNB sollte die Hypo problemlos in der Lage sein, die Zinsen auf das staatliche Partizipationskapital zu bedienen, und zwar auf Basis eines weitgehend bereinigten Kreditportfolios. Und nicht nur das: Die OeNB errechnete für das Folgejahr 2009 einen Gewinn in Höhe von 225 Millionen Euro.
Tatsächlich sollte das Institut allein in diesem Jahr mehr als eine Milliarde Euro versenken und musste zum Jahreswechsel 2009/10 notverstaatlicht werden. Die Staatshilfe wurde übrigens bis heute nicht verzinst.