ÖBB-Causa: Eine Entgleisung auf Raten

Bahnchef Martin Huber muss sich verantworten

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Der 26. Februar 2008 ist für ÖBB-Chef Martin Huber ein besonderes Datum. Nicht nur weil er da seinen 48. Geburtstag begeht. Am kommenden Dienstag steht auch eine Aufsichtsratssitzung der Staatsbahn an. Für Huber ist das wohl kaum ein Grund zum Feiern, eher das Gegenteil. „Jetzt wird Huber sturmreif geschossen. Bis 2009 kann er dann seinen Rest­urlaub aufbrauchen“, feixt ein SPÖ-naher ÖBB-Manager. Tatsächlich: Die Verlängerung von Hubers bis 2009 laufenden Vertrag scheint utopisch. In den vergangenen Wochen häuften sich die Angriffe auf den 47-jährigen Bahnmanager. Erst wurde bekannt, dass die Staatsbahn Millionenabschreibungen aus umstrittenen Spekulationsgeschäften in die Bücher nehmen musste, dann kritisierte der Rechnungshof die Gagen der ÖBB-Manager, und schließlich gerieten noch die privaten Immobiliengeschäfte von Martin Hubers Ehefrau ins Zwielicht. Um Huber allerdings noch vor Ablauf seines Vertrages zu entmachten, wie von einigen SPÖ-Proponenten gefordert wird, braucht es allerdings vor allem eines: einen handfesten Grund. Und der fehlt noch immer.

Die erste Runde im Match um den Machterhalt hat Huber zumindest nicht verloren. Der Rohbericht der noch unter Minister Hubert Gorbach beschlossenen Rechnungshofprüfung der ÖBB-Immobiliengeschäfte liegt seit vergangener Woche vor. Der größte Aufreger ist dabei das Gehalt von Michaela Steinacker, Geschäftsführerin der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH. Bereits vor Eintreffen des Rohberichtes prognostizierte Huber im engeren Kreis, dass sich die Prüfer des Rechnungshofes vor allem auf das Steinacker-Salär kaprizieren würden. Die Managergehälter bei den ÖBB – so wird aus Hubers Umfeld regelmäßig verbreitet – sollen ein wunder Punkt bei Rechnungshofpräsidenten Josef Moser sein. Der ehemalige FPÖ-Politiker war unter schwarz-blauer Regierung während der ÖBB-Reform 2004 selbst für einige Monate im ÖBB-Vorstand gesessen und hatte Ambitionen auf den Chefposten angemeldet. „Seine Gehaltsvorstellungen sind im Aufsichtsrat aber nicht durchgegangen“, so ein Huber-Vertrauter.

Für Diskussionsstoff in der für Dienstag kommender Woche anberaumten Aufsichtsratssitzung wird der Rohbericht trotzdem sorgen. Vor allem der von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer im Mai des Vorjahres in den Aufsichtsrat gehievte Rechtsanwalt Leopold Specht dürfte die willkommene Gelegenheit nützen, den Bahnchef in die Pflicht zu nehmen. „Specht bringt Huber mit seinem Verhörstil regelmäßig zur Weißglut“, erzählt ein Mitglied des Aufsichtsrates.

Verzockt. Ursprünglich hatten Teile der SPÖ gehofft, dass der kommende Dienstag zum Standgericht für Huber würde. Doch die wirklich brisanten Causen können nicht rechtzeitig aufs Tapet gebracht werden. Die vom Aufsichtsrat beauftragte Prüfung der privaten Immobiliengeschäfte von Hubers Ehefrau (siehe Kasten) wurden ebenso wenig fertig wie die Untersuchung der umstrittenen Finanzspekulationen. Im Herbst 2005 veranlagte die Staatsbahn zur Absicherung anderer Finanz­vehikel hunderte Millionen Euro in ­riskanten Spekulationsgeschäften. Bis heute mussten die ÖBB aus diesem Geschäft Wertberichtigungen in der Höhe von 130 Millionen Euro in die Bücher schreiben. Abgewickelt wurden die Geschäfte damals offiziell über die drei Konzerntochtergesellschaften ÖBB Personenverkehrs AG, Rail Cargo Austria und ÖBB Bau AG. Über die Art des Zustandekommens scheiden sich heute allerdings die Geister. „Finanzvorstand Erich Söllinger ist kurz nach Abschluss der Geschäfte informiert worden, ich selbst noch später“, behauptet Martin Huber. Demnach sollen die damaligen Vorstände Wilhelmine Goldmann, Gustav Poschalko und Gilbert Trattner den Deal mit der Deutschen Bank eigenmächtig durchgewunken haben. Insider halten dies für unwahrscheinlich. „Es hat zu meiner Zeit kein einziges Finanzierungsthema gegeben, das nicht zu hundert Prozent von der Holding erledigt wurde. Das ist doch nur der billige Versuch, sich an Goldmann und Trattner abzuputzen“, so ein ehemaliges ÖBB-Vorstandsmitglied. Mit dem Vorwurf konfrontiert, sie hätte die umstrittenen Spekulationsgeschäfte mit angeordnet, bricht die im Vorjahr im Unfrieden aus dem Konzern ausgeschiedene Wilhelmine Goldmann in lang anhaltendes Gelächter aus. „Mehr werden Sie dazu von mir nicht hören“, so die mittlerweile als Konsulentin von ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker tätige Goldmann. Laut profil vorliegenden Informationen existieren aber interne Dokumente, die beweisen, dass Goldmann, Poschalko und Trattner Finanzvorstand Söllinger mit Verhandlungen mit der Deutschen Bank über die Veranlagung der Gelder beauftragt haben.

Auch ÖBB-Aufsichtsratsmitglied und Eisenbahnergewerkschafter Wilhelm Haberzettl mag die Darstellung von Huber nicht so recht glauben. „Für mich ist Söllinger beim Thema Spekulationsgeschäfte voll verantwortlich. Da gibt es gar keine Ausreden“, so Haberzettl. Mit einer Klärung rechnet Haberzettl allerdings auch nicht vor Ende März. Bis dahin soll der Wirtschaftsprüfer Deloitte Touche die Finanzspekulationen durchleuchtet haben. Erst dann soll in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung rund um die Osterfeiertage über Konsequenzen beraten werden. Wahrscheinlich wird Huber also auch zu Ostern wenig Grund zum Feiern haben. An eine Auferstehung des Totgesagten glaubt mittlerweile kaum noch jemand.

Von Josef Redl