ÖBB: Die Pivilegien der Eisenbahner

ÖBB: Zugnummern

Zulagenparadies oder un-terbezahlte Schwerarbeit?

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Donnerstag vergangener Woche hatte der Vizekanzler eine Idee: „Fragen wir die Nation.“ Er könne sich wahlweise, so Hubert Gorbach, eine Volksbefragung, eine Volksabstimmung oder auch ein Volksbegehren vorstellen, um endlich eine Frage zu klären: ob nämlich die Österreicher der Meinung seien, „dass Privilegien in den ÖBB abgeschafft werden sollen“. Immerhin: Mit seinem Vorschlag, die Probleme der Bahn über die direkte Demokratie zu lösen, schaffte es der Verkehrsminister in mehreren Tageszeitungen auf Seite eins. Dabei handelte es sich bloß um das Recycling eines früheren Genieblitzes. Schon im Juli des Vorjahrs hatte Gorbach der Gewerkschaft mit einer Volksbefragung zu ihren Privilegien gedroht. Gorbach damals: „Da schaue ich mir an, wie die Eisenbahner dann gegen die Mehrheit argumentieren.“

Auseinandersetzungen zwischen Eisenbahnergewerkschaft und Verkehrsministerium gehören zur österreichischen Landesfolklore wie das Kapperl zum Schaffner. Doch zuletzt erlaubten sich beide Seiten gewisse Entgleisungen.

Anlass für die Auseinandersetzungen waren die Pläne der Regierung, ÖBB-Bedienstete in Zukunft auch ohne deren Zustimmung leichter versetzen zu können. Der Chef der Eisenbahnergewerkschaft, Wilhelm Haberzettl, sprach von „modernem Sklavenhandel“, hielt Bahn-Boss Martin Huber vor, in dessen Unternehmen herrsche „schlechthin ein Saustall“, und empfahl Verkehrsminister Gorbach, „den Mund zu halten“, schließlich seien Versetzungen jetzt schon möglich.

Privilegiengigantomanie? Gorbach seinerseits hatte die Streikdrohungen der Gewerkschaft als „dumm“ und „banal“ bezeichnet. Und BZÖ-Sprecher Uwe Scheuch ortete gar „sozialistische Privilegiengigantomanie“ bei den ÖBB.

Doch wie viele „Privilegien“ haben Eisenbahner im Jahr 2005 tatsächlich noch? Welche Vorteile bringt es, als Mechaniker, Schweißer, Bauarbeiter, Putzfrau oder in der Verwaltung bei den ÖBB und nicht in privaten Unternehmen beschäftigt zu sein?

„Es ist in Zukunft nicht mehr möglich, Eisenbahner als privilegiert zu sehen“, sagte der damalige ÖBB-Chef Rüdiger vorm Walde am 30. April 2004. „Mit dem heutigen Beschluss der gesetzlichen Teile des ÖBB-Dienstrechts gehört der Sonderfall der ÖBB endlich der Vergangenheit an“, meinte am selben Tag Helmut Kukacka, ÖVP-Staatssekretär im Verkehrsministerium und offizieller Regierungsbeauftragter für die ÖBB-Reform. Und selbst Hubert Gorbach sprach von einer „gerechten Lösung für alle“.

Der Grund für die allgemeine Freude Ende April vergangenen Jahres: Nach dem Eisenbahnerstreik im November 2003 und monatelangen mühsamen Verhandlungen hatten sich Regierung, ÖBB-Geschäftsführung und Gewerkschaft auf eine Dienstrechtsreform geeinigt, allerdings nicht wie von der Regierung ursprünglich geplant in Form eines Gesetzes, sondern als Kollektivvertrag.

Als Folge des Kompromisses mussten sich die Eisenbahner tatsächlich von teils skurrilen Exklusivrechten verabschieden. So wurden die Sonderurlaubsregeln gestrichen. In der Vergangenheit hatten Eisenbahner etwa zwei zusätzliche freie Tage erhalten, wenn sie ihren Urlaub während der Wintermonate konsumierten. Und wer im so genannten Turnusdienst tätig war, hatte ohnehin Anspruch auf acht Urlaubstage extra.

Auch die automatischen Gehaltserhöhungen wurden gekürzt. Statt alle zwei, werden die Bezüge nun alle drei Jahre angehoben, und insgesamt nur neun statt wie früher 14-mal. Der kleine Schönheitsfehler: Die Regelung gilt nur für jüngere Eisenbahner. Die im Vergleich zu ASVG-Beschäftigten teilweise günstigeren Krankenstandentlohnungen wurden ebenfalls angepasst. Auch die Mitspracherechte der Gewerkschaft bei Entlassungen wurden zurückgestutzt.

Bahn-Goodies. Einige andere Goodies der Eisenbahner wurden dagegen nicht gestrichen. Wer den ÖBB 25 Jahre treu gedient hat, erhält auch in Zukunft ein Jubiläumsgeld von zwei Monatsgagen, weitere vier Extragehälter gibt es nach 40 Jahren. Auch auf ihre Zulagen müssen die Eisenbahner trotz Streichungen nicht ganz verzichten: Wer etwa eine Fremdsprache beherrscht, wird belohnt (siehe Kasten).

Der wohl größte Vorteil, Eisenbahner und nicht normaler Arbeiter oder Privatangestellter zu sein, ist der – in den Arbeitsverträgen der Bahnbediensteten festgesetzte – besondere Kündigungsschutz. Der Hintergrund: Bis zur ÖBB-Ausgliederung im Jahr 1994 waren die Eisenbahner Beamte, und 80 bis 90 Prozent der insgesamt 47.000 ÖBBler sind es noch heute (wer ab 1996 zum Unternehmen gestoßen ist, unterliegt dem ASVG).

Und ebenso wie Lehrer, Polizisten und Gemeindebedienstete sind auch Bahnbeamte pragmatisiert.

Dennoch verfügt das Management über eine Möglichkeit, Mitarbeiter abzubauen. Allerdings auf Kosten der Allgemeinheit: Dank einer Sonderregelung im Bundesbahnpensionsgesetz kann nicht benötigtes Personal zwangsweise in die Frühpension geschickt werden. Allein zu Jahresbeginn wurden 600 Mitarbeiter in den Ruhestand versetzt – nicht zur Freude der Regierung, die in ihrer Pensionsreform normalsterblichen Bürgern längere Lebensarbeitszeiten zumutet.

Das Sonderrecht des ÖBB-Managements, überflüssige Workforce in den Ruhestand zu verabschieden, soll nun eingeschränkt werden. Im Gegenzug wünscht sich ÖBB-Boss Huber eine gesetzliche Lockerung des besonderen Kündigungsschutzes, schließlich soll es bis 2010 rund 10.000 Eisenbahner weniger geben. Das Zauberwort: „erweiterte Dienstpflicht“. Wer sich dagegen wehrt, innerhalb des ÖBB-Konzerns versetzt oder von einem anderen Unternehmen geleast zu werden, soll in Zukunft gekündigt werden dürfen.

Eine wesentliche Hoffnung von Politik und Bahn-Management hat sich indes nicht erfüllt. Durch den Abbau der Eisenbahnerprivilegien sollten insgesamt 100 Millionen Euro eingespart werden. Staatssekretär Helmut Kukacka tippte vor einem Jahr selbstbewusst gar auf 173 Millionen. ÖBB-Boss Huber musste diese Erwartungen vergangene Woche allerdings relativieren. Zwar hätte es Einsparungen im prognostizierten Ausmaß gegeben, doch aufgrund von neuen Belastungen und Gesetzesänderungen auf nationaler und europäischer Ebene ergebe sich, so Huber, „unterm Strich ein Nullsummenspiel“.

Von Gernot Bauer