"Eine gewisse Sturheit gehört dazu"

ÖSV-Präsident Schröcksnadel: "Slowenen haben über unsere Skischuhe gelacht"

Interview mit ÖSV- Präsident Schröcksnadel

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profil: Freut sich der ÖSV-Präsident ­eigentlich, wenn Bode Miller wieder einmal sturzfrei ins Ziel kommt?
Schröcksnadel: Ich schätze Bode Miller sehr. Er wohnt übrigens in meiner Nachbarschaft. Sagen wir so: Es ist immer gut, wenn Bode fährt, weil er ein Publikums­magnet ist und der Sport – egal, welcher – von Helden lebt. Und Bode ist zweifellos ein Held. Im Moment hat er halt keinen besonderen Lauf.

profil: Als Skilobbyist müssen Sie das sagen. Der Erfolg der US-Läufer Bode Miller und Lindsay Vonn trägt schließlich dazu bei, den Skisport auch in Nordamerika bekannter zu machen.
Schröcksnadel: Das glaube ich weniger. Man muss klar sagen, dass der Skisport de facto nur in Europa existiert, allenfalls noch in Kanada. In den USA liegt Skifahren auf Platz 33, sogar Volleyball ist dort noch ­beliebter.

profil: Die Miller-Erfolge bewegen gar nichts?
Schröcksnadel: Meines Erachtens nicht. Selbst die Rennen in den Staaten werden ausschließlich auf Eurosport, im ORF und im Schweizer Fernsehen übertragen. Der Skilauf bleibt in den USA trotz allem ein „rich man’s sport“.

profil: Kantige Figuren wie Bode Miller oder Hermann Maier bilden im Weltcup die Ausnahme. Es überwiegt der Typ Lieblingsschwiegersohn. Will man keine stärkeren Charaktere?
Schröcksnadel: Im Gegenteil, ich bin der Meinung, dass man kantige Typen fördern sollte. Nur kann man einen Läufer auch nicht umerziehen. Der Benni Raich ist ein super Typ, und man kann nicht sagen, dass er kein Champion ist. Nur ist er eben ­anders positioniert: Er steht für Sicherheit und Verlässlichkeit. Für Eskapaden sind andere zuständig.

profil: Hermann Maier meinte einmal, er sei froh, nicht im ÖSV-Jugendkader gewesen zu sein, weil die jungen Läufer dort glattgebügelt würden.
Schröcksnadel: Das sind sicher Dinge, über die man nachdenken muss. Es macht eben einen Unterschied, ob einer im Skiinternat in Stams aufwächst und einen ­geregelten Tages- und Trainingsablauf hat oder nicht. Dann wird er sicher ein anderer Typ sein. Aber ich setze mich sehr wohl dafür ein, dass der ÖSV nicht nur brave Buben produziert. Man muss auch einen Charakter zulassen. Das sollten auch die Trainer auf Vereins- und Landesebene ­bedenken, die natürlich versuchen, ein einheitliches Programm abzuwickeln. Da kann es dann manchmal schwerfallen, ­Individualisten zu integrieren.

profil: Hauptberuflich waren Sie jahrelang in der Werbung und im Marketing tätig. Würden Sie als Experte sagen, dass der ÖSV eine gute Marke ist?
Schröcksnadel: Der ÖSV ist sogar eine hervorragende Marke.

profil: Kritiker sagen ihm eine Tendenz zur Packelei nach. Der ÖSV sei so mächtig, dass er es sich richten könne und nicht ­alles transparent abwickeln müsse.
Schröcksnadel: Darüber kann ich nur ­lachen. Das Olympische Comité kann man nicht prüfen, uns schon. Wir werden auf meine Veranlassung hin geprüft wie eine Aktiengesellschaft, obwohl unser Budget nur zu knapp fünf Prozent aus öffentlichen Mitteln besteht. Der Rest ist selbst verdientes Geld. Man könnte auch sagen, dass das niemanden etwas angeht. Aber ich will genau diesem Vorwurf zuvorkommen. Im ÖSV herrscht die totale Transparenz.

profil: Bei Ihrem Amtsantritt 1990 betrug das ÖSV-Budget knapp 40 Millionen Schilling. Heute verfügen Sie über den gleichen Betrag in Euro. Was haben Sie richtig ­gemacht?
Schröcksnadel: Das Problem bestand damals darin, dass die Finanzierung des ÖSV über den Austria Skipool lief, in dem Bund, Wirtschaftskammer und Skiindustrie das Sagen hatten. Wenn ein Trainer einen Läufer mit der falschen Skimarke aufgestellt hat, war der Trainer weg. Und im Skipool waren ausschließlich österreichische Firmen organisiert, weil sonst die Wirtschaftskammer ausgestiegen wäre. Das musste aufgebrochen werden, weil wir materialmäßig zum Teil schwer benachteiligt ­waren. Die Slowenen haben über unsere Skischuhe nur mehr gelacht. Wir mussten auch ausländischen Unternehmen die Möglichkeit geben, unser Läufer auszurüsten. Mir war wichtig, dass ein Österreicher gewinnt – egal, auf welchem Ski.

profil: Bei der heimischen Industrie haben Sie sich damit nicht sehr beliebt gemacht.
Schröcksnadel: Damals habe ich sicher ein paar Feinde aufgerissen, aber das hat sich gelegt. Die Ausrüster haben verstanden, dass mit einer geschützten Werkstätte am internationalen Markt nichts zu gewinnen ist. Aber am Anfang herrschte tatsächlich der totale Krieg.

profil: Sie gelten also nicht umsonst als Sturschädel.
Schröcksnadel: Das ist möglich. Eine gewisse Sturheit gehört wahrscheinlich dazu. Aber die Materialfrage war nur ein Teil des Erfolgs. Der andere waren die Vermarktungsrechte. Ich habe darauf gedrängt, dass der Skipool nur noch ausrüstungsrelevante Leistungen erbringt und alles andere vom ÖSV organisiert wird. Damit konnten wir uns endlich selbstständig vermarkten. Die Organisation der Skirennen haben wir dann auch übernommen, weil unser Marketing besser war als jenes der lokalen Veranstalter, die mit uns besser leben. Also gibt es auch keine Differenzen.

profil: Der ÖSV vermarktet aber nicht nur Skirennen und das österreichische Skiteam, sondern auch einzelne Athleten.
Schröcksnadel: Das hat einen einfachen Grund. Der Knackpunkt war der Fall Goldberger. Als er seine großen Erfolge feierte und dann 1997 in diese Kokainaffäre stolperte, wurde klar, dass etwas falsch läuft. Wir bilden die Leute aus, und dann kommt ein Manager, macht das große ­Geschäft, und wir haben keine Kontrolle mehr. Das kann nicht sein. Wenig später ist uns der Hermann Maier passiert. Wenn der einen externen Manager gehabt hätte, wäre uns ein Fall Goldberger zur Potenz erwachsen.Dann hätten wir noch größere Schwierigkeiten bekommen als seinerzeit mit Goldberger. Ich habe den Hermann dann für den Skiverband persönlich kostenlos betreut. Nachdem er damit aber mehr verdient hat als alle anderen Fahrer, haben die uns schließlich gefragt, warum wir das nicht auch für sie machen. Heute vermarkten wir 95 Prozent der Athleten, Damen wie Herren. Der Ertrag daraus kommt der Jugend zugute. Insgesamt ­haben wir damit einen großen Vorteil: Wir haben die Fernsehrechte, wir haben die Veranstaltungen, wir haben die Athleten, und wir haben die Mannschaft. Damit können wir unseren Partnern das volle Paket anbieten.

profil: Sie werden heuer 68 Jahre alt. Wie sieht denn Ihre mittelfristige Karriere­planung aus?
Schröcksnadel: Das ist eine gute Frage, in meinem Alter.

profil: 2010 würde ein neuer Bundespräsident gewählt …
Schröcksnadel: Nein, danke, meine politischen Ambitionen halten sich in Grenzen. Vorerst bin ich als ÖSV-Präsident gewählt und werde sicher schauen, dass im Verband kein Loch entsteht, wenn ich einmal aufhöre. Aber wann das sein wird, will ich jetzt nicht besprechen. Sonst brechen gleich die Nachfolgediskussionen aus.

profil: Hat der neue Sportminister Darabos schon seinen Antrittsbesuch bei Peter Schröcksnadel absolviert?
Schröcksnadel: Das würde ich nicht so formulieren, ich komme gern selber vorbei. Aber wir kennen uns ohnehin schon. Ich halte einiges von ihm. Er muss Steherqualitäten haben. Sonst hätte er die Eurofightersache nicht so durchgestanden.

profil: Gibt es eine konkrete Wunschliste an die Politik?
Schröcksnadel: Die gibt es deshalb nicht, weil wir ja im Prinzip selbstständig sind. Was für uns wichtig ist, sind die Strukturen in den Schulen. Und dass man erkennt, dass der Skisport enorme Auswirkungen hat im wirtschaftlichen Bereich. Sprich: Tourismus. Heute vergisst man oft die ­alten Zeiten. Nur wenige wissen noch, wie es früher zugegangen ist. In den achtziger Jahren haben die Skifabriken noch den ÖSV bestreikt, die haben einfach keinen Service mehr für uns gemacht. 1993 haben sie gesagt, sie rüsten die Damen überhaupt nicht mehr aus. Danach haben wir unser eigenes Service-Center errichtet. Wenn wir heute keinen Service mehr bekommen, dann machen wir es eben selber.

profil: Die Formel 1 erlebt derzeit die Auswirkungen der Wirtschaftskrise: Honda hat sich schon aus dem Spitzensport verabschiedet. Was passiert mit dem Skiweltcup, wenn zum Beispiel Rossignol und Atomic als Ausrüster wegbrechen?
Schröcksnadel: Man muss natürlich vorsichtig umgehen mit den Ressourcen, die man hat. Diese Krise ist sicher eine gute Gelegenheit, um darüber nachzudenken, ob man alles richtig macht. Da muss man auch selbstkritisch genug sein. Aber wir sind ­sicherlich gut genug aufgestellt, dass wir auch die Zukunft gut bewältigen können.

profil: Das ÖSV-Budget stammt zu 95 Prozent aus Sponsorengeldern. Was passiert, wenn die Marketingbudgets Ihrer Geschäftspartner gekürzt werden?
Schröcksnadel: Das ist für uns derzeit kein großes Problem. Unser Budget ist bis 2010 gesichert. Die Verträge sind im Sommer unterschrieben worden.

profil: Könnte der ÖSV im Notfall auch mit dem halben Budget arbeiten?
Schröcksnadel: Gehen tut alles. Früher ist es ja auch mit einem Vierzehntel gegangen. Aber der ÖSV wird nun einmal nicht an seinem wirtschaftlichen Erfolg gemessen, sondern daran, wie viele Siege und Medaillen er holt. Und wenn du heute weniger Geld hast und mit kleineren Kadern und weniger Trainern arbeiten musst, wird sich das auf den sportlichen Erfolg auswirken. Andererseits: Bei den Biathleten haben wir drastisch gekürzt, und es hat auch nicht geschadet. Oft ist das Zusammen­rücken auch kein Fehler.

profil: Auch Ihr wichtigster Medienpartner, der ORF, steckt tief in der Krise, will unter anderem auch beim Sport sparen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Skirennen in Zukunft von 3-Mann-Teams übertragen werden?
Schröcksnadel: Sehr gering. Erstens läuft unser Vertrag mit dem ORF bis 2011/12, und zweitens ist der Skisport der größte Quotenbringer im ORF. Außerdem bekommen wir vom ORF ja auch kein Geld, sondern nur eine gesicherte Produktion auf dem höchsten technischen Standard. Wir verdienen damit, dass wir das Signal an ausländische Stationen verkaufen. Uns tut die ORF-Krise nicht weh.

profil: Sie sind unter anderem auch Wintersportunternehmer, besitzen mehrere Skigebiete in Österreich und Osteuropa. Haben Sie eigentlich Angst vor dem Klimawandel?
Schröcksnadel: Diese Frage ist mit einer einfachen Rechnung zu beantworten. Nach den pessimistischsten Prognosen steigt die Temperatur in den nächsten 100 Jahren global um sechs Grad. Im Wintersport investiert man in der Regel für 20 Jahre. Sechs Grad dividiert durch fünf ergibt 1,2 Grad. 1,2 Grad in 20 Jahren machen dem Skisport überhaupt nichts. Warum? Weil es überall Schneeanlagen gibt, und man nur vier bis fünf Tage mit ordentlichen ­Minusgraden braucht, um genügend Kunstschnee zu erzeugen. Im Apennin bei Pisa, 800 Kilometer südlich von Österreich, fährt man bis zum 1. Mai Ski. Die globale ­Erwärmung ist nicht von Bedeutung, sondern die regionale Klimaentwicklung.

profil: Sie werden in Zukunft also nicht in Skihallen in Nordrhein-Westfalen investieren?
Schröcksnadel: Zumindest nicht aus diesem Grund. Eher würde ich Skigebiete kaufen, die sich vor dem Klimawandel fürchten.

profil: Haben Sie sich eigentlich schon beim FIS-Präsidenten Gian-Franco Kaspar entschuldigt?
Schröcksnadel: Wofür?

profil: Für die Rolle des ÖSV bei der Turiner Doping-Affäre. Kaspar meinte, Sie schulden dem Skisport Abbitte für den entstandenen Imageschaden.
Schröcksnadel: Da müssen sich andere entschuldigen, aber nicht der Skiverband. Die FIS hat selbst festgestellt, dass ich in die Causa nicht involviert war.

profil: Die Turiner Staatsanwaltschaft ist anderer Meinung: Dort ist ein Verfahren wegen Vergehens gegen das italienische Antidopinggesetz anhängig. Angeklagt sind auch Betreuer des ÖSV.
Schröcksnadel: Dieses Verfahren wird eine wunderbare Gelegenheit abgeben zu zeigen, dass sich der ÖSV nichts vorzuwerfen hat. Uns kann nichts Besseres passieren als ein ordentliches Gericht. Zweifellos hat es individuelles Fehlverhalten gegeben. Allerdings hat in Turin eine Olympiamannschaft teilgenommen und keine Mannschaft des ÖSV. Die Aufsichtspflicht lag nicht bei uns. Das Einzige, was ich damals gemacht habe, und dazu stehe ich, war, Leute zu verteidigen, deren Schuld noch nicht bewiesen war. Es ist mein Job, mich schützend vor meine Leute zu stellen. Und davon wird mich auch niemand abbringen.

Interview: Sebastian Hofer