Opernball. Treichl- Stürgkh im Interview

Opernball: Treichl-Stürgkh im Interview

"Ich finde das alles wahnsinnig komisch"

Drucken

Schriftgröße

profil: Sie wehren sich gegen den Begriff „Ballmutter“.
Treichl-Stürgkh: Auch weil das meine drei Söhne irritieren könnte. Die sind ja noch klein und fragen sich vielleicht dann: „Mami, warum bist du dort auch noch Mutter?“ Ich bin eine Organisatorin.

profil: Zuerst waren Sie aber nur Beraterin.
Treichl-Stürgkh: Ja, das war wirklich naiv von mir. Da habe ich mir auch noch gedacht, dass ich viel mehr delegieren kann.

profil: Wie kommt man eigentlich zu diesem Job? Gibt es eine öffentliche Ausschreibung? Bewirbt man sich?
Treichl-Stürgkh: Ich wurde gefragt, vom Staatsoperndirektor. Und meine Vorgängerin Elisabeth Gürtler hat mich quasi nominiert. Die war sehr überzeugend. „Du brauchst keine Angst zu haben“, hat sie gesagt. „Da gehst du fünfmal hin, und das machst du dann schon.“ Ein Irrtum. Eigentlich wollte ich den Job absagen, eigentlich habe ich ihn auch abgesagt.

profil: Sind Sie der Charmeoffensive des Ioan Holender erlegen?
Treichl-Stürgkh: Ich habe sogar meinen Mann (Anm.: Erste-Bank-General Andreas Treichl) mitgenommen, weil der Herr Direktor so ein Überredungskünstler ist. Die Idee zu beraten stammt eigentlich von meinem Mann. Nur: Es muss ja dann auch jemand da sein, den man beraten kann. Deswegen hat das nicht so funktioniert.

profil: Ioan Holender hegt seit jeher ein sehr ambivalentes Verhältnis zum Opernball und ist bekanntlich kein unkomplizierter Mensch.
Treichl-Stürgkh: Wir haben uns zusammenraufen müssen, wie überall, wo Leute zusammenarbeiten, die einander nicht kennen. Er ist natürlich ein ziemlicher Pfennigfuchser und würde am liebsten noch jedes Häusl am Ball verkaufen, um Geld für die Oper zu machen. Es ist un­fass­bar, wo überall Tische stehen und vor allem dass es Leute gibt, die da­für zahlen. Die Sologarderoben! Würden Sie neben einer Dusche sitzen wollen, wo dann der Botha durchhatscht, um sich umzuziehen? Aber wahrscheinlich hat das auch schon wieder einen gewissen Charme.

profil: Holen Sie sich bei Ihren Vorgängerinnen Rat, wenn Sie bei den Vorbereitungen wo anstehen?
Treichl-Stürgkh: Nein. Damit würde ich Elisa­beth Gürtler nicht belästigen wollen. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn sie zum Ball kommt und sich alles ansieht. Natürlich sind mir auch Ausrutscher passiert. Ich habe zum Beispiel traditionelle Logen von Stammgäs­ten falsch zugeordnet. Völlig gescheitert bin ich an meinem Versuch, alle Ballmütter – Christl Schönfeldt, Lotte Tobisch, Elisabeth Gürtler – auf einem Foto neben mir zu vereinen. Völlig unmöglich!

profil: Anlässlich der bevorstehenden EM werden sich auf dem heurigen Opernball sehr viele Kicker tummeln.
Treichl-Stürgkh: Es wird auch ein eigens komponiertes Fußball-Ballett aufgeführt werden. Und ein grüner Gummirasen aufgelegt, auf dem dann unsere Fußballer im Frack stehen. Anfangs habe ich mir gedacht: Jessas, ich fall in Ohnmacht! Mittlerweile finde ich das wahnsinnig komisch. Und man muss wirklich sagen: Unsere Paradekicker im Frack bieten einen durchaus unterhaltsamen Anblick.

profil: Herr Holender ist in der Oper bekannt dafür, dass er mit seinem Personal gern ein bisschen laut wird. Ist er Ihnen gegenüber schon einmal entglitten?
Treichl-Stürgkh: Er kann manchmal ziemlich scharf sein. Nachdem ich einmal von ihm den mir unbekannten Anwesenden bei einer Besprechung nicht vorgestellt wurde, bin ich von einem zum anderen gegangen, hab ihn begrüßt und mich eben selber vorgestellt. „Setzen Sie sich“, hat Holender dann zu mir gesagt. „Dafür haben wir jetzt keine Zeit.“ Ein anderes Mal hat er mich bei einem ähnlichen Szenario richtig gemaßregelt: „Sie schon wieder mit Ihrer überflüssigen Grüßerei!“ Mittlerweile habe ich mich an seinen Stil gewöhnt. Er ist so erfrischend.

profil: Wie erfrischend finden Sie denn die Stargastwahl des Unaussprechlichen? Die Urmutter aller Opernbälle, Christl Schönfeldt, heute 90, fasst diese Auftrittsserie unter „Lugner und seine furchtbaren Weiber“ zusammen.
Treichl-Stürgkh: Susan Sarandon wäre mir zwar lieber gewesen, aber Dita von Teese ist eine ziemlich coole Frau mit Kultfaktor.

profil: Sind Sie Richard Lugner je auf dem gesellschaftlichen Parkett begegnet?
Treichl-Stürgkh: Nein … falsch, doch. Letztes Jahr beim Opernball. Mein Mann und ich waren in der Loge von Mautner-Markhofs eingeladen und standen davor. Der Lugner-Tross ­verursachte ein ziemliches Geschubse. Mein Mann hat sich einen Spaß gemacht und ihn um ein Autogramm gefragt. Daraufhin hat der Herr Lugner gesagt: „Geh, dan S’ mi net roll’n, Herr Generaldirektor!“ Die Leute sind vor Lachen niedergebrochen.

profil: In der Post-Kreisky-Ära wurde die Gesellschaft durch das Phänomen des Parvenus aufgemischt. Plötzlich waren Friseure, Autohändler und Köche Prominente. Die Lugnerisierung nahm ihren Lauf. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Treichl-Stürgkh: Ich finde das gar nicht schrecklich. Die österreichische Gesellschaft ist doch prinzipiell ein einziger Operettenstaat. Und ich finde diese Art von Promis ziemlich lustig. Die haben doch die Funktion von Clowns und Harlekins, wie sie in vergangenen Jahrhunderten die Leute unterhalten haben. Wenn alle nur hochelegant und steif wären, wäre das doch eine ganz langweilige Gesellschaft.

profil: Das Gros der Opernball-Klientel ist doch eher hochelegant und steif.
Treichl-Stürgkh: Es dominiert Politik und Wirtschaft. Eher steif als hochelegant würde ich sagen. Ich persönlich würde mir wünschen, dass mehr Gäste aus der Kulturszene kommen, damit das ein bisschen schräger wird. Ich bin in dieser Szene aber durch meinen familiären Background nicht so verankert.

profil: Unter den heurigen Opernball-Debütantinnen gibt es durch Ihren aristokratischen Background heuer wieder ein erhöhtes Komtessen-Aufkommen.
Treichl-Stürgkh: Das kann schon sein, dass mehr Aristokraten darunter sind als früher. Aber so schädlich finde ich das wieder nicht. Es gibt aber auch eine Olympiasiegerin in Physik. Prinzipiell habe ich bei der Auswahl – die Eröffnungstänzer wurden von einem Team ausgesucht – nicht darauf geachtet, wie die Leute heißen, sondern wie sie tanzen. Mit zwei linken Füßen nützt einem weder Geld noch der Name. Aber die Aristokratie ist doch wie der Opernball auch etwas Schönes.

profil: Zumindest ein charmanter Anachronismus. Doch ist es nicht auch einer ihrer Wesenszüge, dass man lieber unter sich bleibt?
Treichl-Stürgkh: Das gilt meiner Ansicht nach nur für die großen Familien. Man exponiert sich nicht. Dort herrscht natürlich noch die Meinung, dass der richtige Topf den richtigen, also standesgemäßen Deckel braucht. Dass diese Familien über einen gewissen Stolz verfügen, kann ich nachvollziehen. Schließlich haben sie ihren Besitz nicht umgeschnallt bekommen, weil sie so fesch sind, sondern weil sie etwas geleistet haben. Dafür gab es den Titel, ein Gut, ein Schloss und so weiter. Diese Besitztümer sind heute Kulturgüter. Der Erhalt dieser Güter ist für viele Familien eine große finanzielle Belastung.

profil: Sie selbst wurden als mittleres von fünf Kindern in einem Schloss in der Südoststeiermark geboren.
Treichl-Stürgkh: Ich hatte eine wunderbare Kindheit, die mit zehn Jahren ein jähes Ende nahm. Ich kann mich noch erinnern, dass wir den 50. Geburtstag meines Vaters mit Hinz und Kunz im Schloss feierten. Dann erkrankte meine Mutter an Brustkrebs, ein halbes Jahr später starb mein Vater ganz plötzlich an einem Herzinfarkt. Im Alter von zwölf Jahren wurde ich Vollwaise. Wir wussten nicht, wohin. Und wir waren völlig verarmt.

profil: Welche Bilder sehen Sie, wenn Sie an diese Armut denken?
Treichl-Stürgkh: Die Wohnung meiner Großmutter in Wien. Und alle fünf Kinder in alte Decken gehüllt, weil wir den Strom nicht zahlen konnten. Versorgt wurden wir mit Fresspaketen aus der Steiermark, die uns zum Beispiel eine ehemalige Köchin zuschickte. Über Wochen ernährten wir uns nur von Nudeln mit Zucker. Und ich musste die Röcke meiner Schwes­tern und Cousinen auftragen, die teilweise so spiegelten, dass ich mir Sachen darübergebunden habe, weil ich mich so genierte.

profil: Die Aristokratie ist doch auch berühmt für den standesinternen Zusammenhalt. Gab es keine Auffangnetzwerke für fünf Waisenkinder?
Treichl-Stürgkh: Das stimmt generell, in unserem Fall aber leider nicht. Vor fünf armen Kindern, die mit schäbigen Koffern dastanden, hatte offenbar jeder Angst. Keiner wusste, wie man damit umgehen sollte.

profil: Als strahlende Debütantin sind Sie folglich nie in einen Ballsaal gezogen?
Treichl-Stürgkh: Nein, dafür war das Geld nicht da, und eingeladen hat mich niemand. Eine kleine, verarmte Gräfin, die noch dazu früh zu arbeiten beginnen muss­te, da herrschten gewisse Berührungsängste. Ich habe mich außerdem lieber im U4 angestellt als auf einen Ball zu gehen. Bälle fand ich spießig. Ich wollte cool sein. Allerdings habe ich da wie dort nicht dazugehört und bin immer zwischen den Fronten gestanden. Das kommt mir heute zugute: Ich weiß damit umzugehen.

profil: Haben Sie je an einer Opernball­demo teilgenommen?
Treichl-Stürgkh: Nein, Rebellin war ich keine. Aber einige der früheren Demons­tranten sind heute Gäste des Balls. Ich res­pektiere auch die Entscheidung von Lucy McEvil, die ich als DJ engagieren wollte, dass sie das als Ex-Demonstrantin nicht machen will und kann.

profil: Ihr Mann Andreas Treichl zählt in seiner Funktion als Erste-Bank-Chef zu den bestbezahlten Managern der Republik.
Treichl-Stürgkh: Er arbeitet wahnsinnig viel, leistet Enormes und hat Verantwortung für sehr viele Menschen zu tragen.

profil: Hat er Sie bestärkt, diesen Job zu übernehmen?
Treichl-Stürgkh: Der Andreas ist entzückend. Er unterstützt mich und holt mich auf den Boden. „Nimm doch das alles bitte nicht so wichtig“, sagt er mir. Das hilft in gewissen Momenten. Der Neid, der einem da manchmal entgegenschlägt, ist manchmal auch sehr verletzend.

profil: Was verdienen Sie als Ballorganisatorin?
Treichl-Stürgkh: Nichts, keinen Cent. Ich bekomme auch keine Taxifahrt und keinen Kaffee ersetzt.

profil: Warum tut man sich diesen Job dann an? Wäre es nicht besser, seine Energie zum Beispiel für den Hunger in der Dritten Welt einzusetzen?
Treichl-Stürgkh: Natürlich gibt es wesentlich wichtigere Dinge als den Opernball. Aber er ist eine wichtige Veranstaltung der Republik. Ihn neu zu gestalten reizt mich. Um die Vorwürfe vom Tisch zu wischen, dass mein Mann ohnehin so viel Geld verdient und ich jetzt noch der Oper auf der Tasche liege, habe ich mich dafür entschieden, kein Geld anzunehmen. Ich muss also ganz ehrlich sagen, dass mein privater Sponsor Andreas Treichl heißt.

profil: Ihr privater Sponsor verfügt offensichtlich über ein aufgeschlossenes Frauenbild, im Gegensatz zu Julius Meinl V., der seine zukünftige Ex „Spängi“ immer gerne als Heimchen am Herd sah. Wie feministisch akzeptabel ist denn das Frauenbild der konservativen Gesellschaft?
Treichl-Stürgkh: Die „Spängi“ Meinl ist viel mehr als nur ein Heimchen am Herd. Die meisten der Frauen, die ich aus dieser Gesellschaft kenne, sind saufesch, interna­tional vernetzt und haben hochklassige ­Business-Schools absolviert.

profil: Gibt es Ihrerseits Berührungsängste mit der roten Reichshälfte?
Treichl-Stürgkh: Überhaupt nicht. Mein Mann und der Kanzler Gusenbauer teilen nicht nur die Vorliebe für gute Rotweine, die verstehen sich blendend.

profil: Wie sieht denn das Gesellschafts­leben des Ehepaars Treichl aus?
Treichl-Stürgkh: Jeder, der uns kennt, weiß, dass wir höchst ungern weggehen. Weil wir unsere Kinder, die jetzt sehr zu kurz kommen, genießen wollen. Und am mühsamsten sind diese Cocktails, wo mein Mann ständig angeschnorrt wird und mit mir jeder über den Ball reden will.

Interview: Angelika Hager