ORF-Wahl: Wahltag - Entscheidung im ORF

ORF-Wahl: Wahltag

Alexander Wrabetz tritt gegen Monika Lindner an

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Alexander Wrabetz, derzeit kaufmännischer Direktor des ORF, besitzt das seltene Geschick, stets höher zu klettern, ohne dabei fortwährend die Ellbogen auszufahren und sie dem Nächst-bes-ten in die Seite zu rammen. Er scheint jedenfalls keine Feinde zu haben.

Am vergangenen Donnerstag gab der Manager des Staatsfunks mit einem schon fast vergessenen SPÖ-Mitgliedsbuch seine Kandidatur für den Posten des ORF--Generals bekannt – im feinen Wiener Do&Co-Restaurant, das immerhin zum Raiffeisenreich gehört und damit den bes-ten Freunden der amtierenden Generalin Monika Lindner. Unterstützt wird er von einer Regenbogenkoalition aus roten, orangen, blauen, grünen und bürgerlichen Stiftungsräten.

Geschockt und überrumpelt halten in diesen Stunden selbst geeichte ÖVP-Funktionäre seine Wahl für möglich. Sein Können wagt vorerst keiner infrage zu stellen. Selbst Kurt Bergmann, Stiftungsrat und Vorsitzender des ÖVP-Freundeskreises, rang sich zu der müden Feststellung durch, damit wolle man nur Kanzler Wolfgang Schüssel „eins auswischen“. Jetzt hoffen die Freunde, so hört man, in Gottvertrauen auf den Kanzler, der die Sache in einem Deal mit BZÖ-Chef Peter Westenthaler schon retten werde (siehe Kasten).

Am Vorabend der Kandidatur war Monika Lindner, die ihren kaufmännischen Direktor in besseren Zeiten gern mit dem Ausruf „Hello Baby“ begrüßte, von Wrabetz eingeweiht worden und tief getroffen im Haus zurückgeblieben. Sie hatte vor Wochen von den Gerüchten gehört, Wrabetz zur Rede gestellt und gedroht: „Wenn du das machst, bist du weg.“ Doch im Grunde glaubte sie es nicht, wie auch sonst niemand. Peter Newole, ein Arbeitskollege aus der Zeit der verstaatlichten Industrie, beschrieb Wrabetz einmal als einen Menschen, der „ein hochsensibles Radar für Situationen hat, die schief gehen können“. Und so kannte ihn jeder.

Soziale Intelligenz. Wrabetz pflegte in den vergangenen acht ORF-Jahren den Ruf eines weit gehend parteiunabhängigen Managers, der seine Stellung – zum Ärger seiner Parteifreunde – nicht zur Förderung von Parteigünstlingen verwendete. Dennoch sei er mit der Zeit so etwas wie „eine Klagemauer“ geworden, sagt Wrabetz. Aberdutzende ORF-Angestellte seien bei ihm vorstellig geworden, die sich gemobbt und ungerecht behandelt fühlten. „Journa-lis-ten, die einfach nur ihre Arbeit tun wollten.“ Deshalb habe er bereits vor einem Jahr in einem profil-Interview das Regime von Chefredakteur Werner Mück kritisiert und die Wiedereinführung von Sendungsverantwortlichen gefordert. Und er erhalte jetzt viel Zuspruch aus dem Haus.

Aus seiner politischen Einstellung hat Wrabetz nie ein Hehl gemacht, doch im Zentrum seines Begehrens stand sie nicht, das Parteibuch spielte allenfalls die Rolle eines Türöffners. In seiner Zeit als Vorsitzender des VSStÖ, in der Österreichischen Hochschülerschaft und dann später als Generalsekretär der Friedensbewegung, der im Jahr 1982 immerhin 70.000 Menschen auf den Wiener Rathausplatz brachte, gehörte Wrabetz nie zu denen, die sich auf ideologische Gefechte einließen. Eigentlich kam schon damals jeder recht gut mit ihm aus. Kommunisten ebenso wie Katholiken, Caritas-Direktor Franz Küberl etwa, der als Chef der Katholischen Jugend an den Plenarsitzungen der Friedensbewegung teilnahm.

Das Gemüt, dem jeder Eifer fremd ist, hat Wrabetz vermutlich seiner Kinderstube zu verdanken. Er stammt aus einem bürgerlichen Anwalts- und Ärztehaushalt im 19. Wiener Gemeindebezirk. Die Mutter war Pfarrgemeinderätin, der Vater ein freiheitlicher Patriarch mit deutschnationalen Wurzeln, ein guter Freund des blauen Anwalts und Stiftungsrats Peter Fichtenbauer, der – komme, was da wolle – Wrabetz am 17. August seine Stimme geben wird.

Die Berufsjahre in der Bankenwelt zeugen ebenfalls von Fleiß und sozialer Intelligenz. Nach seinen Anfängen als Trainee in der Girozentrale Mitte der achtziger Jahre wechselte Wrabetz 1987 als Assistent der Unternehmensführung in die ÖIAG. Es war die Zeit der großen Krise der verstaatlichten Industrie, des Zusammenbruchs der Stahlmärkte, der verlustreichen Spekulationsgeschäfte und des Versuchs, zumindest einen Teil der Staatsholding zu retten und in private Hände zu überführen. 1990 war Wrabetz schon Generalsekretär der ÖIAG, kaum 30 Jahre alt, ein in den Zeitungen gefeierter smarter Jungmanager, dann wurde er Geschäftsführer der Intertrading. „Ich war auf einmal mittendrin in einer Funktion, wo ich, ehrlich gesagt, heute weniger bedeutungsvolle Entscheidungen treffe als damals“, sagt Wrabetz.

Aus diesen Jahren stammt die Verbindung zu Claus Raidl, Geschäftsführer von Böhler-Uddeholm. Kolportiert wird, Raidl habe vor Kurzem im Foyer des Salzburger Festspielhauses im Gespräch mit Fichtenbauer gemeint, er sage „dem Wolfi (Schüssel, Anm.) immer wieder, er soll für den ORF einen Managertypen wie zum Beispiel den Wrabetz nehmen“. Dass Raidl heute das Personenkomitee „Wir für Wolfgang Schüssel“ anführt, dürfte einen gewissen Loyalitätskonflikt nach sich ziehen.

Im Schlepptau. In das ORF-Kuratorium kam Wrabetz 1995, als er gerade Geschäftsführer der Spitalerrichtungsgesellschaft Vamed geworden war. Drei Jahre später passte er in die großkoalitionäre Farbenlehre und wurde vom bürgerlichen ORF-General Gerhard Weis in die Geschäftsführung des ORF geholt. Seit damals ist Wrabetz gern gesehen bei den Wallfahrten nach Mariazell, zu denen Raiffeisengeneralanwalt Christian Konrad jedes Jahr eine Schar illustrer Gäste einlädt. In den vergangenen Tagen sollen auch von dort Anrufe gekommen sein, um Wrabetz von einer Kandidatur abzuhalten.

Er habe lange überlegt, sagt Wrabetz. „Der totale Machtanspruch der ÖVP, der Zuspruch von Leuten, von denen ich das nie gedacht hätte, Leute, die wissen, wo ich stehe, die mir aber zutrauen, dass ich niemanden benachteiligen werde“, hätten ihn dazu veranlasst.

Weniger gern spricht Wrabetz über das kolportierte Team in seinem Schlepptau. Das verströmt deutlich geringere Frische als seine Ankündigung einer Neuaufstellung des ORF. Mit Wolfgang Lorenz als Programmdirektor hofft Wrabetz auf Stimmen aus dem bürgerlichen Lager, die Rückkehr des ehemaligen technischen Direktors Peter Moosmann soll die Stimmen der roten Technikbetriebsräte garantieren, Sportchef Elmar Oberhauser soll auf BZÖ-Wunsch Informationsdirektor werden und die Aussicht des Kärntner Landesintendanten Willi Mitsche auf den Pos-ten des Radiodirektors könnte auf einen Wink Jörg Haiders zurückzuführen sein.

Wohlwollender Beobachter bei Wrabetz’ Pressekonferenz war übrigens der zentrale Chefredakteur und rechte FPÖ-Mann Walter Seledec. Man darf vermuten, dass seine Kündigung, die er arbeitsrechtlich bekämpft, bei nächster Gelegenheit gütlich bereinigt wird.

Von Christa Zöchling