Papa ante portas

Papa ante portas: Väter haben noch immer viel ­weniger Rechte als Mütter

Familie. Väter haben noch immer viel weniger Rechte als Mütter

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Die Wiener Scheidungsanwältin Helene Klaar hat ihre Erfahrungen gemacht – und es waren offenbar keine guten. In einem Interview erklärte sie vor Kurzem, sie kenne viele Fälle, „wo der Vater wegen der neuen Tussi andere Interessen hat und die Kinder nicht einmal besucht“.

Guido Löhlein, Mitglied des Vereins „Väter ohne Rechte“, verschickte jüngst eine Aussendung mit dem plakativen Titel „Die österreichische Vater-Kind-Apartheid“. Im Text erklärt er, wie er das meint: „Unter dem Deckmantel der Frauenpolitik werden Väter systematisch aus den Familien ausgeschlossen.“

Durch die Medien geistern seit Wochen geschiedene Frauen, die ihre Kinder kaum ernähren können, weil sich deren Erzeuger vor den Alimenten drücken, und verzweifelte Väter, die ihre Kinder seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen haben, weil die Ex-Frau das Besuchsrecht mit List und Tücke hintertreibt.

Der „Frauenring“ sieht Rückschritte für die jahrzehntelange Arbeit in den Frauenhäusern und warnt vor Prügelvätern. Die „Männerpartei“ wittert neue Privilegien für Frauen und schimpft: „Zahlen soll er schon, aber wenn es ums Anschaffen geht, dann lässt man sich nicht so gern dreinreden.“
Es tobt, sehr offensichtlich, ein Kampf der Geschlechter. Angesichts der Wortmeldungen würde man einen schlimmeren Hintergrund vermuten. Aber eigentlich geht es nur um die Neuformulierung eines nicht mehr ganz taufrischen Gesetzes.

Im Juni vergangenen Jahres hatte Justizministerin Claudia Bandion-Ortner eine Expertengruppe zusammengestellt, um Vorschläge für eine Reform des so genannten Kindschaftsrechts zu erarbeiten. Die Ministerin stellte schon zu Beginn der Debatte klar, wohin die Reise gehen ­sollte. Sie plädierte für eine gemeinsame Obsorge beider Elternteile nach der Scheidung.

Am 24. Februar präsentierte Bandion-Ortner ihren Gesetzesentwurf – und seither gibt es zwischen Befürwortern und Gegnern einen Rosenkrieg, wie ihn auch Scheidungsexperten in dieser Vehemenz nur selten erleben. „Es überrascht mich sehr, in welchem Ton die Debatte geführt wird“, sagt Doris Täubel-Weinreich, die Vorsitzende der österreichischen Familienrichter.
Nach derzeitiger Gesetzeslage können Eltern bei einer Scheidung vereinbaren, sich weiterhin gemeinsam um ihre Kinder zu kümmern. Mehr als die Hälfte aller Ehepaare schafft das, weitere rund 30 Prozent einigen sich auf eine andere Lösung. Bei jedem zehnten Paar hängt der Haussegen so schief, dass gar nichts mehr geht. Dann entscheidet das Gericht – und zwar meistens zugunsten der Mutter. Künftig soll die gemeinsame Obsorge auch in diesen Fällen automatisch weiterlaufen. Nur bei einer ­Gefährdung des Kindeswohls könnte der Richter einem Elternteil das Sorgerecht entziehen.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hält von dieser Automatik gar nichts. „Das Kind soll kein Faustpfand werden zwischen zwei Menschen, die sich nicht einigen können. Wo gestritten wird, kann der Staat nicht auf Knopfdruck Harmonie verordnen.“ Nach wochenlangen Diskussionen sind sich SPÖ und ÖVP nicht nähergekommen. Der nächste Gesprächstermin zwischen Bandion-Ortner und Heinisch-Hosek ist erst für 24. März anberaumt.

Wegweiser für Eltern.
Familienrichterin Täubel-Weinreich glaubt, dass die beiden Ministerinnen letztlich gar nicht so weit voneinander entfernt sind. „Der Fehler war die Wortwahl“, sagt sie. „Automatische gemeinsame Obsorge klingt einfach nicht gut.“ Entscheidend sei, was die Gerichte daraus machen. Schon jetzt werde jeder strittige Fall einzeln bewertet – und an dieser Praxis würde sich auch nichts ändern. Ist die Gesprächsbasis zwischen den Eltern komplett zerstört, könnte das durchaus ein Grund sein, nicht auf gemeinsame Obsorge zu entscheiden, meint die Richterin. Täubel-Weinreich hält die geplante Änderung im Prinzip für gut, „weil das Gesetz eine Art Wegweiser für die Eltern wäre“.

Das Kindschaftsrecht wurde vor zehn Jahren leicht reformiert, seine wesentlichen Punkte stammen aber aus einer Zeit, in der Ehescheidungen selten und fürsorgliche Papis eine echte Rarität waren. Mittlerweile dauert nur mehr jede zweite Ehe ein Leben lang. Gestiegen ist dafür die Zahl der Väter, die sich aktiv an der Kinderbetreuung beteiligen und ihren Nachwuchs nicht bloß als Vorwand für den Kauf eines größeren Autos betrachten. In Karenz geht zwar nach wie vor nur eine kleine Minderheit, aber die Gewichte innerhalb der Familien haben sich erkennbar verschoben.
Auf diese gesellschaftliche Realität nimmt die Gesetzeslage zu wenig Rücksicht. Wenn es hart auf hart kommt, werden Mutter und Kind wie in den seligen fünfziger Jahren als Einheit betrachtet, und der Erzeuger muss draußen bleiben. Papa ante portas – einmal nicht als Komödienstoff, sondern ganz wörtlich zu verstehen. Väteraktivisten stoßen sich mit einiger Berechtigung am Wort „Besuchsrecht“. Der Begriff impliziert ja tatsächlich, dass ihnen nicht viel mehr geblieben ist als gelegentliche Visiten am Sonntagnachmittag.

Es gibt heutzutage nicht mehr viele Streitfälle, die Frauen und Männer in strikt voneinander getrennte Lager spalten. Doch beim Thema Obsorge finden sich fast keine Überläufer. Wie feindliche Armeen stehen Mütter und Väter einander gegenüber. Die Wortwahl auf beiden Seiten schürt den Verdacht, dass der Konflikt zum Stellvertreterkrieg geworden ist. Es geht möglicherweise nicht nur um das Glück der Kinder, sondern auch um den Versuch, im komplizierter gewordenen Verhältnis zwischen den Geschlechtern endlich mal wieder einen Sieg davonzutragen.

„Macht und Alimente“.
Auch die Frauenministerin stößt bei den Männern in ihrer Partei ­teilweise auf Unverständnis. Der oberösterreichische SP-Chef Josef Ackerl etwa, nebenbei Vorsitzender der Kinderfreunde, ließ wissen, dass er den Entwurf des Justizministeriums recht gelungen finde: „Der Gesetzgeber muss sich am Leitbild orientieren, dass die gemeinsame Obsorge in der Regel dem Wohl des Kindes entspricht.“

Christa Pölzlbauer, Vorsitzende des österreichischen Frauenrings, kontert in aller gebotenen Schärfe: „Das ist doch Träumerei. Nach dem Scheidungskrieg brauchen Kinder vor allem Frieden und Ruhe.“ Den Männern gehe es in der Sache nur „um Macht und die Reduktion ihrer Alimente“.

Für die Frauenbewegung ist das Terrain gefährlich. Jahrelang wurde den Männern erklärt, dass Kinder beide Eltern brauchen und nicht die Mütter allein sämtliche Betreuungspflichten erledigen können. Es mache keinen Unterschied, ob die Kleinen von Mama oder Papa geschnäuzt, gewickelt und gefüttert werden, hieß es – sehr zu Recht. Doch weil das so ist, macht es kein schönes Bild, wenn sich die Mama im Streitfall wie die Glucke auf ihr Nest setzt.

Rechtsbrecher.
Die Aktivisten der Gegenseite tendieren leider ebenfalls zur Hysterie. Am Donnerstag wurde die Pressekonferenz der Arbeitsgruppe „Sorgepflicht für Kinder“ von einer Truppe erboster Väter gestört, die nur durch einen Polizeieinsatz zum Abmarsch überredet werden konnte. Derzeit laufen mehrere Gerichtsverfahren gegen Väter, die im Kampf um ihre Kinder geltendes Recht gebrochen haben. „Es hat einige Überreaktionen gegeben“, sagt Guido Löhlein vom Verein „Väter ohne Rechte“. Aber die meisten seien aus der Vorgeschichte erklärbar. „Manche Männer haben ihre Kinder seit Jahren nicht mehr gesehen.“

Noch unerfreulicher ist die derzeitige Gesetzeslage für unverheiratete Väter. Auch wenn sie mit der Familie zusammenleben, haben sie ohne Zustimmung der Mutter kein Recht, die gemeinsame Obsorge zu beantragen. Dass diese Praxis nicht fair ist, hat Österreich seit Februar sogar schriftlich: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gab einem Vater Recht, der sich unter anderem auf Artikel 14, das Diskriminierungsverbot, berufen hatte.

Der Entwurf des Justizministeriums sieht folglich vor, dass auch ledige Väter mehr Kompetenzen bekommen sollen. Die Frauen­ministerin ist grundsätzlich einverstanden – plädiert aber für die Beibehaltung des kleinen Unterschieds. Väter sollten sich erst einmal bewähren, ehe sie Ansprüche stellen: „Es geht darum, dass die Männer eine Bindung zum Kind aufbauen können und dann sagen: Ja, das ist etwas für mich.“

In jedem Fall rechnen die Gerichte mit einer Flut von Obsorgeanträgen. Rund 30.000 Kinder werden pro Jahr unehelich geboren. Viele Väter wüssten gar nicht, dass sie kein Sorgerecht haben, glaubt Familienrichterin Täubel-Weinreich. „Es fällt den meisten erst auf, wenn es in der Beziehung Streit gibt.“ Sollten all diese Papas auf ihre Rechte pochen, gäbe es eine Flut von Verfahren, die mit der momentanen Zahl von Richtern nicht zu bewältigen wäre.

Verstörte Kinder.
Täubel-Weinreich weiß aus dem eigenen Berufsalltag, wie schwierig es oft ist, nach den emotionalen Verwüstungen einer Trennung eine Lösung zu finden, mit der alle Beteiligten halbwegs leben können. Am dringendsten wären ihrer Ansicht nach Adaptionen beim Besuchsrecht – dem häufigsten Streitthema unter getrennt lebenden Eltern. Experten sind sich nicht einig, wie grobe Verstöße eines Elternteils geahndet werden sollen. Geldstrafen wären schon jetzt möglich, werden aber kaum ausgesprochen. Claudia Bandion-Ortner möchte in besonders krassen Fällen sogar bis zum Entzug des Sorgerechts gehen. Die Familienrichterin hält das für keine gute Idee: „In Deutschland wurde das eine Zeit lang gemacht. Aber das Problem ist ein faktisches: Die Kinder reagieren meistens völlig verstört, weil sie plötzlich bei einem Elternteil leben müssen, den sie kaum mehr kennen.“ Derart drakonische Maßnahmen seien wohl nur „in einem von tausend Fällen“ sinnvoll.

Etwas Entspannung verspricht ein Blick zurück.
Vor zehn Jahren gab es heftige Debatten über die Einführung einer freiwilligen gemeinsamen Obsorge nach der Scheidung. Madeleine Petrovic, damals Frauensprecherin der Grünen, schwante nichts Gutes. „Es ist zu befürchten, dass Kinder als Druckmittel eingesetzt werden. Frauen sind dadurch erpressbar“, sagte sie.
Doch das Modell hat sich bewährt. Angekündigte Katastrophen pflegen bekanntlich öfter mal auszufallen.

Lesen Sie im profil 11/2011 ein Interview mit Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek über Harmonie auf Knopfdruck und eine Bewährungsfrist für Väter.

Foto: Philipp Horak für profil

Rosemarie Schwaiger