Parteien: Posten-Nutzen–Analyse

Postenschacher: ÖVP & SPÖ streiten um Jobs

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Es ist die Zeit, wenn die Abgänger noch einmal den Geschmack der eigenen Wichtigkeit genießen, auf den die Neueinsteiger nun langsam kommen; wenn vor den Treffen zur Bildung einer neuen Bundesregierung die roten Sieger und die schwarzen Verlierer in getrennten Stellungnahmen ehrliche Verhandlungen versprechen; wenn zu Beginn der Gespräche im Parlament Blitz- und Scheinwerferlicht auf die Kontrahenten fällt, bevor die hohen Türen von außen geschlossen werden.

Dann wird die Macht im Land neu verteilt.

Von der Terminplanung her steht die Vergabe der Führungsposten am Ende der langwierigen Koalitionsverhandlungen, inhaltlich stehen sie zumindest gedanklich von Anfang an im Mittelpunkt. Kurz vor und nach einer Wahl werden die Spitzenjobs der Republik an der politischen Jobbörse gehandelt. Verdiente Parteigänger können sich über die Verlängerung ihrer Verträge in Ämtern und staatsnahen Betrieben freuen. Ministersekretäre setzen sich in lukrative semiöffentliche Jobs ab. Scheidende Regierungsmitglieder und Abgeordnete versuchen, ihr weiteres berufliches Fortkommen abzusichern.

Doch im Herbst 2006 stehen den schwarz-orangen Machthabern in statu abeundi rote Neuankömmlinge gegenüber, die dagegenhalten und dem munteren Postenverteilen nicht tatenlos zusehen. Vergangene Woche sprach der SPÖ-Finanzsprecher und potenzielle Finanzminister Christoph Matznetter ÖIAG-Vorstandsdirektor Peter Michaelis eine Botschaft auf die Mailbox: Man möge doch angesichts der derzeitigen politischen Lage keine voreiligen Schritte setzen und einen wichtigen Job wie den Posten eines Finanzvorstands in der Telekom Austria nicht vor der Bildung der neuen Regierung besetzen. Finanzminister Karl-Heinz Grasser mimte den Empörten: Er fände es schade, dass die SPÖ bloß Personalfragen und Posten im Sinn habe.

Schon in den Verhandlungen vergangene Woche waren ÖVP und SPÖ aneinandergeraten. „Das meint ihr nicht ernst, dass ihr jetzt noch schnell einen Vertrag nach dem anderen verlängert?“, fragten die SPÖ-Vertreter an. Die schwarze Riposte: Über die Postenvergabe zu sprechen sei „Politik Marke uralt“. Finanzminister Grasser nahm Josef Cap zur Seite und äußerte eine Unschuldsvermutung in eigener Sache: „Auch wenn Sie es nicht glauben, Herr Klubobmann, ich habe in meiner Zeit als Finanzminister in den vergangenen sechs Jahren kein einziges Mal zum Telefon gegriffen, um bei einer Postenvergabe zu intervenieren.“

Cap war amüsiert.

Tatsächlich war in den vergangenen Wochen eine Häufung von vorzeitigen Vertragsverlängerungen im öffentlichen Bereich zu registrieren. Thomas Rupperti – nach Medienberichten ein Golfpartner des Finanzministers – wird bis 2013 Chef des Austria Center Vienna bleiben. Sein Vertrag, der erst 2008 ausgelaufen wäre, wurde vorzeitig verlängert. Schon an der Erstbestellung Ruppertis im Jahr 2003 hatte der Rechnungshof harte Kritik geübt. Der Grasser-Vertraute hatte sich als Aufsichtsratsvorsitzender des Austria Center gleichsam selbst rekrutiert.

Zeit kostet Jobs. Schon jetzt, ein halbes Jahr bevor die Stelle vakant wird, ist ein Führungsposten im Baumanagement der Asfinag ausgeschrieben. Und noch vor der Bildung einer neuen Regierung will Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat eine neue Geschäftsführung in der Gesundheit Österreich GmbH einsetzen.

Ihre Parteikollegin war schneller. Kurz bevor Bildungsministerin Elisabeth Gehrer ihren Rücktritt bekannt gab, hatte sie die Direktorin des Wiener Technischen Museums, Gabriele Zuna-Kratky, für den Zeitraum von 2009 bis 2014 in ihrem Amt bestätigt.

Gerade im Kulturbereich ortete die Opposition in den vegangenen Jahren immer wieder ministerielle Günstlingswirtschaft. Vor allem Gehrer-Freund Wilfried Seipel, Leiter des Kunsthistorischen Museums, stand nach einem vernichtenden Rechnungshofbericht im Mittelpunkt der Kritik. Sein Vertrag wurde bis dato allerdings nicht verlängert. Andere prominente Museumsdirektoren rechtfertigen ihre bereits in den vergangenen Jahren erfolgten Vertragsverlängerungen mit ihren Bilanzen: So können sowohl Klaus Albrecht Schröder (Albertina) als auch Johanna Rachinger (Nationalbibliothek) auf den Publikumserfolg ihrer Häuser verweisen.

Wer in der Verwaltung oder in staatsnahen Wirtschaftsbereichen nach einer politischen Wende umkolorieren will, muss bloß das jeweilige Organigramm zur Hand nehmen. Unliebsame Sektionschefs können mit der Neuaufteilung der Ressortagenden entmachtet werden. Zu einer Meisterschaft brachte es darin der frühere Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) im Zuge seiner großen Polizeireform. Zwar dienten die personellen Umschichtungen auch der Neuorganisation der Exekutive, doch allzu oft war bloß die Ausschaltung eines roten Parteigängers das Ziel.

Tricksereien. Bei der Neuvergabe (halb)-öffentlicher Posten wird auf zwei Arten getrickst. Die weniger elegante: Die Ausschreibung ist auf den Wunschkandidaten maßgeschneidert. So war an die Bewerbung für den Job des Leiters der ÖBB-Infrastruktur-Betrieb-Gesellschaft überraschenderweise die Kenntnis einer Ostsprache gebunden. Das Rennen machte der frühere Innsbrucker FPÖ-Gemeinderat und Vertraute von Vizekanzler Hubert Gorbach, Arnold Schiefer. Er hatte zuvor auf Ministeriumskosten Russisch gelernt.

Fehlen einem politisch gewünschten Bewerber notwendige Voraussetzungen, etwa ein akademischer Grad, muss dies auch kein größeres Problem sein. Im Anforderungsprofil der Ausschreibung werden dann statt eines abgeschlossenen Studiums auch „im vergleichbaren Ausmaß erworbene berufliche Erfahrungen“ akzeptiert. Auf diese Weise machte der erzkonservative Kirchenmann Günter Danhel Anfang 2006 das Rennen um den Leitungsjob in der von Sozialministerin Ursula Haubner gegründeten Familien GmbH. Mittlerweile ist Danhel wieder ausgeschieden. Zur neuen Geschäftsführerin wurde erst in der Vorwoche Haubners Kabinettschefin Irene Slama bestellt. Einschlägige Kompetenz kann der Kärntnerin allerdings keiner absprechen.

Eleganter wirkt eine Postenvergabe da schon, wenn sie durch einen scheinbar unabhängig agierenden Headhunter abgesegnet wird. Doch in vielen Fällen steht das Ergebnis schon im Vorhinein fest. Im Jahr 2002 war Percival Pachta-Rayhofen nach einer Empfehlung des Personalberatungsunternehmens Neumann in den Vorstand der staatlichen Förderbank AWS (Austria Wirtschaftsservice) aufgestiegen. Wichtiger als das Urteil der Headhunter waren die Wünsche der FPÖ. Nach wenigen Monaten schied Pachta-Rayhofen bereits wieder in Unfrieden – ebenso wie sein Nachfolger Franz Stierschneider, der von der Headhunter-Gruppe Egon Zehnder International ausgewählt worden war. Der auf einem schwarzen Ticket eingezogene Bankchef Peter Takacs, Ex-Kabinettsmitarbeiter von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, hat sich nach allgemeiner Einschätzung hingegen bewährt.

Protektion oder politische Besetzungen mögen ein Ärgernis sein – doch wer in der Politik Erfahrung gesammelt hat, kann sich auch in staatsnahen, von Ministern, Landesräten oder Behörden beeinflussten Betrieben und Einrichtungen leichter bewähren. So unbestritten Michael Sachs, ehemals Büroleiter unter Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel, seinen Job als Chef des Bundesvergabeamtes ausübt, so logisch scheint die Qualifikation Christian Kerns als möglicher Verbund-Vorstand. Kern, einst Sekretär unter SPÖ-Klubobmann Peter Kostelka, ist seit 14 Jahren im Unternehmen tätig.

Die Mitarbeit in einem Ministerkabinett ist eine gute Schule für höhere Weihen. Der allerdings unerwünschte Nebeneffekt: Wer dank Protektion einen Job im politiknahen Bereich – von der Nationalbank bis zum Postbus, von der Bundesbeschaffungsagentur bis zur Austro Control – ergattert, hat damit auch einen Schuldschein unterschrieben, der mit Sicherheit eingelöst wird. Dann muss der frühere Protegé seinerseits Gefälligkeiten personeller Natur erweisen.

Zu einer Freunderlwirtschaft entwickelte sich das Forschungszentrum Seibersdorf. Seit der Wende etablierte sich dort eine Burschenschafter-Clique. Im Sommer wurde überraschend ein Finanzloch von zwei Millionen Euro öffentlich bekannt. Einer der rechten Recken, Martin Graf, verlässt nun das Unternehmen für ein FPÖ-Nationalratsmandat. Kolportierte Abfertigung: 200.000 Euro.

Gorbachs Fantasie. Vizekanzler Hubert Gorbach kennt bei der Vergabe von Jobs an Vertraute keine Fantasie- oder Geschwindigkeitsbeschränkung. Der jüngste Fall: Vor wenigen Monaten beauftragte Gorbachs Infrastrukturministerium den früheren FPÖ-Abgeordneten und nunmehrigen Berater Reinhard Firlinger mit der Analyse der Luftfahrtverwaltung und der Flugsicherungsgesellschaft Austro Control. Das Ziel: Effizienzsteigerung dank Reorganisation. Das Ergebnis: Am 9. Oktober schrieb die Austro Control überraschend den bisher inexistenten Posten eines Leiters der Stabsstelle Koordination und Controlling aus. Geschätztes Gehalt: 8000 Euro plus Bonifikationen. Als Favorit für den Posten gilt Werner Windisch, verantwortlich für die Luftfahrtagenden im Kabinett des Infrastrukturministers.

Letztlich geht es Regierenden um das Zementieren von Machtverhältnissen. Im März dieses Jahres schickte die schwarz-blaue Regierung den 71-jährigen Richter und VP-Mann Peter Jann für eine dritte Periode in den Europäischen Gerichtshof. Die gleich qualifizierte, parteilose 48-jährige Generalanwältin am EuGH, Christine Stix-Hackl, hatte das Nachsehen.

Elegant wurde das Institut für Familienforschung an die Kandare genommen. Dessen Studien über zeitgemäße Familienerfordernisse spießten sich immer öfter mit dem konservativen Familienbild der Koalition. Die Leiterin wurde abgesetzt, das Institut der Universität Wien angegliedert. Nun leitet es der Sozialrechtler Wolfgang Mazal, CV-Mann und Gutachter für schwarz-blaue Gesetzesvorhaben.

In früheren großen Koalitionen folgte der Postenschacher dem Prinzip des Gleichgewichts des Schreckens – und er funktionierte selbst dann noch, wenn sonst nichts mehr ging. Kurz vor den Wahlen 1999 reichte das verbliebene Vertrauen zwischen Rot und Schwarz gerade noch zum Abtausch von Spitzenjobs. Die ÖVP besetzte das Generaltruppeninspektorat des Bundesheeres mit einem schwarzen Parteigänger, neuer Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit wurde ein Roter. Die Besetzung von Botschafterposten beanspruchte drei Ministerratssitzungen.

Wie sehr provokante Personalpolitik Verhandlungen erschweren kann, zeigte sich vor vier Jahren. Mitten in die schwarz-roten Sondierungsgespräche platzte im Dezember die Nachricht, dass Innenminister Strasser den General der Wiener Sicherheitswache, Franz Schnabl, degradiert hatte. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer und Bürgermeister Michael Häupl schäumten.

Wenige Wochen später wurde das schwarz-blaue Kabinett Nummer zwei angelobt.

Von Gernot Bauer und Ulla Schmid