Personalnotiz

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Ich weiß, es gibt in diesem Land so viele Beschäftigte wie nie zuvor. Aber es gibt auch so viele Arbeitslose wie nie zuvor. Das ist zuvorderst eine soziale Tragödie, doch es wird in absehbarer Zeit auch eine volkswirtschaftliche werden, denn wer soll den teuer beworbenen Krempel kaufen in einer Zeit der Angst um den Arbeitsplatz? Schon jetzt stagniert der Handel, weil die noch Beschäftigten ihr Geld nicht mehr so mirnix, dirwas ausgeben wollen. Dazu schlägt sich noch beträchtlich, dass alle Unternehmen, die etwas anbringen wollen, dringend gut qualifizierte Arbeitskräfte brauchten, damit die Kundschaft ihr Vertrauen in sie und damit in ihre Produkte nicht ganz verliert.

Stellt, o Unternehmer oder Personalchefs, um Himmels willen rasch wieder Leute ein, die erstens eine Ahnung von der Materie haben, die sie stellvertretend feilbieten, und zweitens willens sind, dies auch ohne nervenzerfetzenden Umschweif zu tun! In vielen Bereichen des täglichen Lebens sind die Leute, die derzeit tätig sind, mit ihren Aufgaben einfach überfordert; sie benötigen dringend eine sachkundige, tatkräftige und erfahrene Unterstützung, ehe sich der temporäre Konsumverzicht zu einer allgemeinen Konsumverdrossenheit auswächst!

Beispiel Eisenbahn: Haben die ÖBB leichtfertig jene letzten Beamten frühzeitig in Pension geschickt, die noch des Englischen mächtig waren? Am Wiener Franz-Josephs-Bahnhof konnte kein Eisenbahner einem kanadischen Touristen Auskunft geben. Dasselbe Debakel gibt es bei den englischen Stationansagen fast aller Zugbegleiter. Beispiel Bank: Als bei einer Filiale jüngst beide Drucker für die Kontoauszüge defekt waren, konnten die Angestellten, obgleich sonst kein Kunde anwesend war, nur schwer dazu bewegt werden, den Kontoauszug selbst auszuheben und mitzuteilen. Eigenes Eingreifen, zum Beispiel bei Überweisungen, erfolgt in vielen Filialen mit dem abgrundtiefen Seufzer der vom Schicksal Geplagten. Beispiel Verlag: Zwei Assistentinnen machten sich erbötig, eine Abobestellung ihrer Publikation entgegenzunehmen. Sie ließen sich die Lieferadresse jedoch erst auf freundliche Empfehlung der Bestellerin geben. Beispiel PC-Kauf: In den meisten Elektromärkten gibt es zu wenig Personal, das bereit oder häufig auch nur imstande ist, potenzielle Kundschaft fachgerecht zu beraten. Mitunter ist mitzuhören: „Ja, also, der da kann des, Momenterl …“, ein Prospekt wird durchblättert, „ja, der kann des sicher, glaub i“. Beispiel Buchhandel: Wenn Gott behüte der Computer mit der Kartei der lieferbaren Bücher ausfällt, weiß so gut wie kein Angestellter, ob die Autorin oder der Autor noch andere Bücher geschrieben hat (sofern sie nicht im Klappentext erwähnt sind). Von eventuellen Wiederauflagen vergriffener Bände ganz zu schweigen. Beispiel Gastronomie: Das erbarmungslose Unterscheiden der Servierkräfte von zuständigen und unzuständigen Tischen ist auch in der „Tourismusstadt Wien“ ehern aufrecht. Die Ober schauen weiterhin stur nach unten, um nur ja keinen Gast zu sehen, Zahlkellner scheinen nur dann engagiert zu werden, wenn sie nachweislich taub sind.

Diese Reihe der Ärgernisse ließe sich mühelos fortsetzen, doch soll hier auch ausdrücklich festgehalten werden, welche Menschen nicht zu jenen gehören, die uns alle in den bald ganz normalen Wahnsinn treiben.

Nicht gemeint sind jene armen, ausgebeuteten, schlechtest bezahlten Kassierinnen in den Supermärkten, die trotz undeutlich lesbarer Preisetiketten und zum Weinen kreuzerlsuchender Kundschaften immer noch sensationell freundlich bleiben.
Nicht auch die eventuell arg überlasteten Sekretärinnen mittlerer bis großer Betriebe, auch wenn sie bisweilen tatsächlich nicht wissen, „ob es den Herrn X“ – einen Abteilungsleiter – „bei uns überhaupt gibt“.

Nicht schließlich das nicht selten schlecht geschulte, fachlich kaum ausgebildete Personal der Textilbranche – wohl aber ihre Chefs, die arglose Leute ihres Aussehens oder ihrer vermeintlichen Smartheit wegen einstellen und es damit im Großen und Ganzen bewenden lassen.

An den schwarzen Chefchen in so vielen Branchen liegt es wahrscheinlich: Nach welchen Kriterien werden welche Menschen auf welche Arbeitsplätze gesetzt? Bloß nach dem geringsten Kostenaufwand? Nach deren Zusicherung, niemals Überstunden verrechnen zu wollen? Nach garantierter Widerspruchslosigkeit? Oder nach der Vermutung, die oder der Betreffende werde nie etwas so Hierarchiestörendes wie eigene Initiative entwickeln?

Als unzufriedener Kunde ersehne ich mir, dass zur Unterstützung gestresster Arbeitender Arbeitslose wieder beschäftigt werden; Arbeitslose, die beim Arbeitsmarktservice oft genug hören müssen: „Für diese Aufgabe sind Sie überqualifiziert.“

Her mit einem Heer von ihnen! Es würde sich auch bezahlt machen: Kundinnen und Kunden würden für bessere Beratung gern mehr Geld ausgeben. Was immer angeboten wird, verkauft wird es am besten durch gute Leute.
Denn der Mensch ist immer noch das intelligenteste Produkt.