Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Den ORF abspecken!

Den ORF abspecken!

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Die existenziellen Probleme, die ich dem ORF zu ­Beginn dieses Jahres prophezeit habe, sind eingetreten: Die Digitalisierung hat seinen Marktanteil massiv ­zurückgehen lassen, denn schon 80 Prozent der Haushalte können die Programme der deutschen Privatsender empfangen. Er musste seine Werbepreise um 15 Prozent senken, aber die Finanzkrise dürfte dazu führen, dass er dennoch weniger Werbeaufträge erhält, als ihm erlaubt ist. Angesichts der viel zu hohen Kosten – viel zu viele Angestellte (voran die „weißen Elefanten“) zu überhöhten Gehältern, teure Technik und überflüssige Landesstudios – steht die Rundfunkanstalt dem Einnahmenrückgang hilflos gegenüber. Generaldirektor Alexander Wrabetz geht für die kommenden Jahre von einem Minus von an die 100 Millionen aus, das die Eigenkapitaldecke bis 2012 aufzehrte. „Immer wieder“, orakelt die „Presse“, „wird vor diesem Hintergrund eine Teilprivatisierung für möglich erachtet: Zur Disposition stehen in diesem Szenario stets ORF 1
und Ö3.“

Eben diesen Ausweg hatte ich vor einem Jahr bezüglich des Fernsehens als positive Variante empfohlen: Der ORF sollte sich auf ­„einen einzigen Kanal mit erstklassiger Qualität“, voran im Bereich der Information, konzentrieren. Gebührenfinanziertes Fernsehen sei nur zu rechtfertigen, wenn es diesem Qualitätsanspruch genügt. „Wie schlecht darf ein Kommentar im publikumsfinanzierten profil sein?“, fragte mich daraufhin der Wiener Professor für Publizistik, Fritz Hausjell, in einem Gegenkommentar. Ich verkneife mir ausgiebigeren Spott, wie er angesichts der aktuellen Entwicklung auf der Hand läge, denn immerhin eint mich mit Hausjell die Überzeugung, dass es ein öffentlich-rechtliches Fernsehen geben soll: Die privaten Sender haben fast ausschließlich den werbeträchtigen Bereich der Unterhaltung im Auge und lassen höchstens
Infotainment zu. Wenn man der Ansicht ist, dass seriöse Information einen unverzichtbaren gesellschaftlichen Wert darstellt – und ich bin dieser altmodischen Ansicht –, dann muss man dafür eintreten, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk am Leben zu erhalten.

Weil ich darin eine öffentliche Aufgabe sehe, bleibe ich bei der Meinung, dass es adäquater wäre, den ORF durch Steuern statt durch Gebühren zu finanzieren. Und weil ein informativer ORF auch unbefangen über Wirtschaft berichten können sollte, sollte er auch möglichst unabhängig von Werbeeinnahmen sein: Bestenfalls sollten sie fünf bis zehn Prozent seines Budgets ausmachen. (Unter anderem, damit er sich weiterhin um Einschaltzahlen kümmern muss, denn auch fünf Prozent Einnahmen auf oder ab sind erheblich.) Das beendete jedenfalls die leidige Auseinandersetzung mit den Printmedien und privaten Sendern – der ORF wäre am Werbemarkt für sie kein Konkurrent mehr.

Bevor Hausjell dieses Modell wieder zum Schwachsinn erklärt, möchte ich darauf hinweisen, dass es – etwa in der „FAZ“ und nicht nur aus Eigeninteresse – auch für Deutschlands Öffentlich-Rechtliche diskutiert wird.
Sein Argument vor einem Jahr hat gelautet, dass die Steuerfinanzierung den ORF in noch größere Abhängigkeit von der Politik brächte. Doch das trifft nicht zu: Natürlich lässt sich ein ORF-Gesetz konzipieren, das das verhindert (zum Beispiel indem man eine Wertsicherungsklausel einbaut und es als Verfassungsgesetz formuliert). Hausjells schärfster Einwand betraf denn auch meinen „einzigen“ – dafür in seiner Qualität verbesserten – Kanal. In meiner „medienkundlichen Unkenntnis“ übersähe ich, dass das Publikum „immer stärker segmentierte, spezifische Interessen“ hätte.
Ich halte dem entgegen, dass die Befriedigung „immer stärker segmentierter, spezifischer Interessen“ des Publikums kein „öffentliches Interesse“ darstellt. Dieses ist in rechtlichem Sinn nur gegeben, wenn der ORF eine Leistung erbringt, die „Private“ nicht erbringen: nämlich, seriöse Information anzubieten.

Diese Leistung kann vom ORF kostengünstig erbracht werden: Information ist billiger als Unterhaltung zu ­produzieren. Und es gibt dafür Bedarf: Österreichische Zuseher werden immer einen gewissen Wert darauf ­legen, wenigstens einmal am Tag erstklassig über ihr Land informiert zu werden – und es wird sie nicht abstoßen, wenn – wie etwa im „Weltjournal“ – auch erstklassige Auslandsinformation geboten wird. Ansonsten ist es nur noch gerechtfertigt, pro Jahr ein, zwei Projekte zu realisieren, die heimischen Akteuren (Autoren, Darstellern, Regisseuren) Gelegenheit geben, sich an großen Stoffen zu bewähren.

Auch wenn es Hausjell (und die beteiligten Akteure) schmerzt: Es gibt kein „öffentliches Interesse“, das rechtfertigte, „Starmanias“, „Millionenshows“ oder „Musikantenstadel“ staatlich zu fördern (durch Gebühren zu ­sichern), auch wenn der ORF diese Sendungen um nichts schlechter als Private gestaltet. Die Entwicklung zeigt, dass die allfällige Idee, die Finanzierung der Qualitätssendungen mit den Werbeeinnahmen aus dieser Breitenunterhaltung abzusichern, in der gegenwärtigen Form nicht aufgeht. Daher scheint mir ein abgespeckter Weg nach wie vor der sinnvollere: Man verpachte ORF 1 an Private und verwende die jährliche Pacht, um einen erstklassigen ORF-2-Kanal zu stützen. Den verbleibenden offenen Kernbetrag decke man durch Steuern.

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