Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Kein Banktipp

Kein Banktipp

Drucken

Schriftgröße

Erste-Chef Andreas Treichl zeigte sich im profil-Gespräch vergangene Woche überzeugt, dass Länder wie Rumänien oder Tschechien die Krise besser überstehen würden als viele alte Mitgliedsländer der EU: Es gebe dort weiterhin Wachstum, und die Menschen neigten nicht so zur Panik. (Sie haben schon Schlimmeres überlebt.) Deshalb fürchte er auch nicht für die Kredite, die seine Bank dort vergeben habe. Am selben Tag fragte Christian Ortner in der „Presse“: „Wann geht Österreich pleite?“ Denn dasselbe Risiko, das Treichl für überschaubar hält, hält Ortner im Einklang mit der internationalen Presse für beträchtlich: Wenn die 300 Milliarden, die Österreichs Banken in Zentral- und Osteuropa als Kredite vergeben haben, sich doch in größerem Ausmaß als uneinbringlich erweisen sollten, dann könnte das nicht nur diese Banken, sondern durchaus auch die Republik in die Knie zwingen – immerhin entspricht diese Summe etwa dem BIP.

Niemand weiß freilich derzeit, was tatsächlich uneinbringlich sein wird – höchstens bezüglich der bankrotten Ukraine ist größter Pessimismus gerechtfertigt. Aber in ­allen Ländern wurden zu etwa 50 Prozent Fremdwährungskredite vergeben – und deren Rückzahlung hat sich durch die Abwertung der lokalen Währungen um rund 20 Prozent verteuert.
Ich hoffe zwar, dass Treichl Recht behält – Psychologie ist die halbe Wirtschaft, und die Abwertung muss nicht anhalten –, aber es wäre fahrlässig, nicht auch Ortners Szenario für möglich zu halten. Deshalb hat Finanzminister Josef Pröll allen Grund, in den betroffenen Ländern so etwas wie eine „Koalition der Ost-Gefährdeten“ zu organisieren, die genügend politisches Gewicht hat, bei der EU jenen „Hilfsplan“ durchzusetzen, den Österreich alleine nicht erreicht.

Natürlich kann man die Banken dafür kritisieren, dass sie in diesen Gebieten ein weit überproportionales Risiko eingegangen sind. Natürlich kann man Österreich dafür schelten, dass seine Bankenaufsicht das zugelassen hat. Nur müsste man dann eigentlich auch die EU kritisieren, dass sie sich auf die Osterweiterung eingelassen hat. Denn es war klar, dass man damit eine Reihe sehr armer Länder in die Union aufnimmt beziehungsweise in der Warteschleife mit ihr verknüpft. Es war das erklärte Ziel der EU, diese Länder wirtschaftlich an die alten Mitgliedsländer heranzuführen. Das konnte nur durch den Aufbau eines funktionierenden Geldapparats geschehen, und da die Banken dieser Länder weder über Know-how noch über Kapital verfügten, war klar, dass ausländische Banken sie übernehmen würden. Nur so konnte die Wirtschaft dieser Länder sich ent­wickeln. Dass Österreich sich daran überproportional beteiligt hat, war primär sinnvoll: Es ist mit diesem Raum stärker als irgendein anderes Land durch die Geschichte, durch verwandtschaftliche Beziehungen, durch die Kenntnis der Mentalität und oft auch der Sprache verbunden. Österreichs Banken waren daher für diese Aufgabe prädestiniert und hätten sie, wäre die Finanzkrise nicht lähmend über ganz Europa hereingebrochen, wohl auch gut erfüllt.

Hätten“ zählt zugegebenermaßen nicht: Die Finanzkrise ist hereingebrochen, und das Damoklesschwert der möglichen Verluste hängt über Österreich. Aber es wäre um nichts kleiner, wenn auch englische, französische oder schwedische Banken den notwendigen Geldapparat für den Osten bereitgestellt hätten. Es hinge dann eben – für das einzelne Land zweifellos ungefährlicher – über fast allen ­alten Mitgliedern der EU. Deshalb kann ich nicht ganz nachvollziehen, dass die EU Österreich derart die kalte Schulter zeigt, wenn es darum geht, einen „Hilfsplan-Ost“ doch als gemeinsame Aufgabe zu betrachten.

Natürlich müsste Österreich die Hauptlast eines tatsächlich eintretenden Schadens tragen – es hatte ja bisher auch den Hauptnutzen –, aber es macht doch wenig Sinn, „Ätsch“ zu rufen und ein Desaster zu riskieren, das die gesamte Osterweiterung de­savouierte. Wenn Österreichs Banken nicht mehr könnten, wäre nicht nur jede wirtschaftliche Entwicklung der betroffenen Länder zu Ende, sondern Österreich stünde quasi ohne Banken da und müsste von der EU wie Island „gerettet“ werden.
Das könnte doch nicht sinnvoller und auch nicht billiger sein, als jetzt einen gemeinsamen Hilfsplan zu erstellen.

Ich gebe zu, dass Österreich viel getan hat, sich unbeliebt zu machen: Seine EU-Feindlichkeit. Seine Besserwisserei. Seine Präpotenz. Wenn Wolfgang Schüssels Finanzminister KHG die Deutschen wissen ließ, um wie viel besser wir ­Österreicher doch wirtschafteten (während wir in Wirklichkeit nur keine Wiedervereinigung zu verkraften hatten), darf man sich nicht wundern, dass Deutschlands Finanzminister Peer Steinbrück jetzt von einem ausschließlich österreichischen Problem spricht. Wir haben schon einiges getan, das „Ätsch“ herauszufordern. Aber wir befinden uns doch nicht in der Sandkiste. Österreichische Ungeschicklichkeit und Überheblichkeit rechtfertigt nicht, dass die wichtigen Länder der EU, von Deutschland über Frankreich bis England, das Problem des Ostens dieser Union jetzt zum ausschließlich österreichischen Problem erklären. Denn wenn sie es nicht gemeinsam mit ­Österreich lösen, muss es der gesamten EU auf den Kopf fallen: Es werden ihr ausgerechnet jene Märkte wegbrechen, die nach wie vor die größten Wachstumschancen bieten.

[email protected]