Petzner: Zwischen Jörg und Udo

Bizarre Auftritte des neuen BZÖ-Chefs

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Der Autor war begeistert: „Martin Zink ist anders. Anders in seinem Aussehen, in seiner Art, anders als Mensch. Und anders, was seinen Beruf angeht“, schrieb Stefan Petzner im Oktober 2002. Petzner war damals freier Mitarbeiter der „Kleinen Zeitung“ und berichtete über Kärntens ersten männlichen Kosmetiker. Gegen Ende des kurzen Artikels darf Herr Zink den Lesern noch eine Lebensweisheit mit auf den Weg geben. „Alles, was deiner Seele gut tut, ist auch gut für deine Haut.“

Die mit viel Empathie verfasste Geschichte gehörte zu den ersten Publikationen des Nachwuchsreporters Petzner. Wahrscheinlich war er stolz, weil sein Name in der Zeitung stand. Anfangs ist das ein ziemlich gutes Gefühl. Wenig später wurde Petzner selbst zum Objekt der Berichterstattung. Jörg Haider entdeckte den jungen Mann und machte ihn zu seinem Sprecher. Man muss sich den Jungjournalisten Petzner von damals vorstellen, um den BZÖ-Chef Petzner von heute halbwegs zu verstehen. Nur wenige Jahre liegen zwischen dem Verfassen von Schönheitstipps und dem vielleicht unmöglichsten Job, den die heimische Politik zu bieten hat. Es waren noch dazu Jahre, in denen Petzner nicht allzu häufig selber denken musste. Meist genügte es, wenn er Jörg Haiders Ideen vertrat und umsetzte.

Nach menschlichem Ermessen kann das für den Job, den er jetzt hat, nicht reichen. Und nach den Erfahrungen der vergangenen Woche reicht es tatsächlich nicht. Petzners Auftritte als „Verwalter von Jörg Haiders Erbe“ sind, freundlich ausgedrückt, bizarr. Die Öffentlichkeit erlebt einen jungen Mann, der ganz eindeutig seine Koordinaten verloren hat. Er schwankt zwischen tiefer Depression („Jörg war die Sonne. Ich bin um ihn gekreist“) und barock formulierter Selbstüberschätzung („Ich bin zwar erst 27 Jahre, aber in meinem Herzen wohnt eine alte Seele. Ich bin ein reifer Mensch“). Offenbar getrieben von Schuldgefühlen, befeuerte Petzner auch das Interesse an der Vorgeschichte von Haiders Autounfall. Die Widersprüche, in die sich sein Mitarbeiter verstrickte, spornten die Journalisten erst recht zum Recherchieren an.

Ab einem gewissen Level ist Mitleid in der Politik nicht mehr angebracht. Aber mit Stefan Petzner möchte man wirklich nicht tauschen. Der designierte BZÖ-Chef wuchs mit vier Geschwistern auf dem elterlichen Bauernhof in Laßnitz bei Murau auf. Sein Vater war FP-Gemeinderat und Haider-Fan – die politische Gesinnung also quasi ein Erbstück. Petzner studierte Publizistik in Klagenfurt und engagierte sich beim Ring freiheitlicher Studenten. Bei einem Grenzlandfest lernte er Jörg Haider kennen, der ihn bald darauf engagierte.

Coolness-Biotop. Es folgte eine Blitzkarriere. Petzner wurde Vize-BZÖ-Chef Österreichs, geschäftsführender Kärntner BZÖ-Chef, dann auch noch Generalsekretär. Nebenbei blieb er Haiders Pressesprecher – eine Ämterkombination, die nur in einer Partei vorstellbar ist, in der das Wort des Chefs zugleich Programm ist. Journalisten kennen Petzner als engagierten, aber anstrengenden Diener seines Herrn. Bei der Autorisierung von Interviews mit Haider ließ sein Sprecher mitunter gern dichterische Freiheit walten. Es kostete Zeit, ihm die Änderungen wieder auszureden.

Nebenbei bemühte er sich, im orangen Coolness-Biotop rund um den Wörthersee mitzuschillern. Petzner posierte mit nacktem Oberkörper für ein Kärntner Monatsmagazin, machte seine Erfahrungen beim ersten Geschlechtsverkehr publik („Irgendwie find i das komisch, hör ma auf!“) und berichtete über sein Faible für Solariumsbräune und Körperpflege. „Im Bad brauch ich bis zu eineinhalb Stunden.“ Manchmal folgte der Schüler seinem Mentor so beherzt, dass dieser ihn bremsen musste. Im Dezember 2006 hatte Petzner nach einem Spruch des Verfassungsgerichtshofes zum Dauerthema Ortstafeln den VfGH-Präsidenten attackiert: „Der Name Korinek steht für rechtlichen Dreck“, lautete seine Analyse. Einen Tag später wurde er von Haider gemaßregelt. „Derart volkstümliche Interpretationen von Entscheidungen sind nicht meine Art“, spottete der Landeshauptmann. „Ich kann’s in der Sache besser begründen.“

Meistens herrschte jedoch tiefste Harmonie. Als Petzner Anfang des heurigen Jahres einen Autounfall hatte, rief er mitten in der Nacht nicht etwa die Polizei oder die Rettung an, sondern Jörg Haider. Dieser rückte gemeinsam mit der Feuerwehr aus, um dem „Buam“ zu helfen. Das Gerücht, Petzner sei bei dem Unfall betrunken gewesen, ließ sich nicht erhärten. Niemand hielt einen Alkotest für nötig. Petzner war das letzte, vielleicht perfekteste Mitglied von Haiders so genannter Buberlpartie: bedingungslos solidarisch und anhänglich bis zur Selbstaufgabe. Seine Vorgänger tun jetzt so, als wäre das Talent zum Anhimmeln bereits ein Befähigungsnachweis für das Amt des Parteichefs. „Jörg Haider hat seine engsten Mitstreiter immer sehr rasch ins kalte Wasser geworfen“, sagt etwa Ex-BZÖ-Chef Peter Westenthaler. „Keiner ist untergegangen.“ Petzner sei zuletzt Haiders wichtigster Weggefährte gewesen. „Diese Position hatte ich in den neunziger Jahren. Ich weiß, wie viel man von ihm lernt“, erinnert sich Westenthaler. Gerald Grosz, BZÖ-Chef in der Steiermark, rühmt die Loyalität des neuen Parteiobmanns und beteuert: „Wir haben ihm versprochen, dass wir ihn nach bestem Wissen und Gewissen unterstützen werden. Ich habe das noch nie so ernst genommen wie dieses Mal.“

Dass Stefan Petzner mit 27 Jahren schlicht zu jung und zu unerfahren für den Job sein könnte, will keiner in der Partei gelten lassen. Jugend war in Haiders Umfeld stets ein Trumpf, nie ein Defizit. Fast jeder in der Partei hat das Gefühl, irgendwann so etwas wie ein Wunderkind gewesen zu sein. „Ich war mit 21 einer der jüngsten Pressesprecher Österreichs“, rühmt sich Gerald Grosz. Auch der ehemalige Minister Herbert Scheibner denkt gerne an seine juvenilen Großtaten: „Ich war mit 27 schon im Nationalrat.“

Ewald Stadler, Haiders Langzeitfeind, -freund und -mitstreiter, hält Stefan Petzner für eine gute Wahl. „Der Vergleich macht mich sicher“, sagt er. „Vor drei Jahren habe ich einen anderen jungen Parteichef kennengelernt, bei dem der geistige Plafond wirklich sehr rasch erreicht ist.“ Gemeint sei übrigens FP-Chef Heinz-Christian Strache, fügt er noch an. Nicht, dass es vor lauter Jugendlichen zu Verwechslungen kommt.

Stefan Petzner wird erst in den kommenden Wochen erkennen, was er sich mit diesem Job aufgehalst hat. Er wird keinen väterlich-dominanten Freund mehr haben, der ihm sagt, wo es langgeht. Und er wird feststellen, dass Loyalitätsbezeugungen in der Politik oft nichts wert sind. Vielleicht wird er sich dann nach der heilen Welt in seiner abgebrochenen Diplomarbeit sehnen. Deren Thema: „Die Macht der Musik am Beispiel Udo Jürgens“.

Von Rosemarie Schwaiger