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Plädoyer für Umverteilung

Plädoyer für Umverteilung

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„Integration von individuellem und sozialem Eigennutz als Basis eines neuen Ethikkonzepts.“
Stephan Schulmeister, Ökonom

Manchmal hüpft das Herz. So geschehen am 8. September. Im Feuilleton der Wochenend-„Presse“ strafte Stephan Schulmeister ein dunkles Buch mit einer lichten Rezension. Das 472 Seiten dicke Werk schrieb Professor Wilhelm Guggenberger, Theologe der Uni Innsbruck. Beim Titel habe ich zum letzten Mal gelacht: „Die List der Dinge“. Untertitel: „Sackgassen der Wirtschaftsethik in einer funktional differenzierten Gesellschaft“ (Verlag LIT, Münster 2007, 23,60 Euro).
Dr. Schulmeister, ein Forschungs-Diamant des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), schließt seine scharfe Rezension mit einem milden Resümee: some pain, much gain.

Es müsste wohl umgekehrt heißen: viel Schmerz und wenig Gewinn, und Gewinn nur dort, wo der Autor als belesener Uni-Lehrer manches Entlegene über Öko-Sozialtheorien erzählt.

Schulmeisters Kritik sollte von A bis Z im Zeitungs-Original genossen werden (www.diepresse.com). Er ist als seriöser Wissenschafter nicht zu belangen, wenn ein profil-Journalist sein Urteil hier weiter schärft und waghalsig erweitert.

Herrn Guggenberger ist Folgendes vorzuwerfen:

• Schreibhandwerklich eine eitle Wissenschaftssprache, die selbst in Habilitationen nicht mehr gewünscht wird, und eine Detailfülle, die oft die Sicht verstellt. Guggenberger ging mit fiebrigem Missionarsgeist ans Werk. Mag sein, dass er auch nie die Kunst des Weglassens studierte.

• Charakterlich eine Anbiederung an die Reichen und Mächtigen, nicht zuletzt an den Vatikan. Man spürt zwischen den Zeilen, dass er spekuliert, vom Heiligen Vater oder von Opus-Dei-Feinspitzen eine Do&Co-Jause in der Sixtinischen Kapelle zu kriegen, mit Schlagobers-Autogrammen von Attila Dogudan auf purpurfarbenen Punschkrapferln.

• Er wird dieses köstliche Ziel nie erreichen. Er unterschätzt seine Adressaten. Man liebt dort die feine Klinge. Guggenberger ist zu beflissen. Grob bündelt er sein gewaltiges Studierwissen in eine zweiteilige Speerspitze. Im Prinzip sagt er: Wirtschaftsethik ist irrelevant, weil nicht machbar (1). Jeder Politiker ist irregeleitet, der unter der Ethik-Flagge den Reichen was wegnimmt und den Armen was gibt (2).

Beide Spitzen sind stumpf. Jeder Wirtschaftshistoriker kann Guggenberger erklären, dass in der Geschichte des Kapitalismus ein latenter Ethikwunsch (jeder will in seinen Himmel kommen), verbunden mit reschem Egoismus, zu fünf Humanisierungsschüben führte. Das Zusammenspiel beider Kräfte machte den einst grausamen Frühkapitalismus zu jener humanen Wettbewerbswirtschaft, die heute geduldet und gültig ist.

Damit aus der Duldung echte Zuneigung wird, braucht es aber Umverteilung. Man sollte daran keinen Zweifel lassen. Klassische Linke spitzen bei diesem Wort glücklich die Ohren. Klassische Rechte legen sie unglücklich an.

Beides liegt daran, dass man dieses Thema bisher primitiv diskutierte. Die Rede war nur von Reich und Arm – zwei krasse Antipoden. Alle irdischen Gleichgewichte wie das Wertependel (Angebot, Nachfrage, Preis) oder die Dialektik (These, Antithese, Synthese) brauchen aber wie ein Schustersessel drei Beine, um stabil zu stehen. Warum soll die Umverteilung nicht auch drei Vektoren brauchen?
Sie heißen Arme, Manager, Unternehmer.

Die Forderung für kluge, zukunftsorientierte Politiker heißt:

• Die Armen müssen deutlich mehr kriegen. Ihre Würde und Zukunftshoffnung ist unser wichtigstes Zeugnis.

• Die Unternehmer müssen weiter verwöhnt werden. Sie bauten das Dach, unter dem wir die Nummer sieben unter 200 Staaten wurden. Die letzte Körperschaftsteuersenkung machte uns laut „Manager-Magazin“ (D) zu einem der attraktivsten Standorte der Welt, mit allen Wohltaten für die Zwischenschicht der ArbeiterInnen, Abteilungsleiter und Barkeeper.

• Bleiben als Melkkühe einer Umverteilung nur die Manager. In dieser Klasse sind fast alle meine Freunde daheim, darunter berühmte Führungskräfte und Banker. Ich bin dafür, sie mit einem extrem progressiven Einkommensteuersatz so lang zu quälen, bis sie es endlich vorziehen, privilegierte Unternehmer zu werden.

Dann werden wir noch vor der Schweiz die Nummer eins unter den Produzentenländern, Zulieferländern und Serviceländern sein. Ist jemand da draußen, der ein höheres Ziel kennt?