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Alpine-Pleite: Alpine-Mutter FCC sicherte sich Alpine Energie

Alpine Bau. Wie die spanische Mutter dem Salzburger Baukonzern den Todesstoß versetzte

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Wenn sich Ereignisse überschlagen: Am Dienstag der Vorwoche berichtete das ORF-Mittagsjournal, dass die Sanierungsbemühungen um den angeschlagenen Baukonzern Alpine Bau GmbH unter guten Vorzeichen stünden; ein Finanzierungsmodell werde vorbereitet, und Arnold Schiefer, Vorstand der Alpine-Holding, kam im O-Ton zu Wort: „Wir gehen davon aus, dass wir dieses Paket in spätestens drei Wochen unter Dach und Fach haben.“

So gesehen erstaunte die Spitzenmeldung der ZiB2, kaum zehn Stunden später, doch einigermaßen. Armin Wolf im O-Ton: „Die Alpine, zweitgrößter Baukonzern des Landes, muss Insolvenz anmelden.“

15.000 Mitarbeiter, 1400 Zulieferbetriebe
Es ist eine Pleite, die nicht überraschend kam und letztlich doch alle überraschte. Über Nacht baute die Alpine mit Sitz in Salzburg die bislang größte Pleite in der Zweiten Republik – und die folgenschwerste. 15.000 Mitarbeiter, 1400 Zulieferbetriebe und ebenso viele Subunternehmen waren – und sind – von dem 1965 gegründeten Unternehmen abhängig. Von der Großbank bis zum kleinen Handwerker bangen nun alle gleichermaßen um ihr Geld. Immerhin sitzt das Unternehmen auf Schulden von 1,9 Milliarden Euro.

Mit dieser Insolvenz hat sich auch die Fomento de Construcciones y Contratas, kurz FCC, eine Fußnote in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte gesichert. Der Madrider Baukonzern unter der Führung von Esther Koplowitz hatte die Alpine, an welcher er ab 2006 rund 80 Prozent gehalten hatte, 2012 zur Gänze übernommen. Nun hat er die Alpine sich selbst überlassen: Die iberischen Eigentümer waren nicht mehr willens, frisches Kapital nach Salzburg zu schicken. Überdies haben sie der Alpine zuletzt auch noch die lukrative Tochter Alpine Energie entzogen und somit die Werthaltigkeit der ohnehin mageren Konkursmasse weiter geschmälert. Es ist dies der vorläufige Höhepunkt in einer Reihe von Fehlkalkulationen, von Missmanagement und Personalfluktuation.

Den österreichischen Banken, so viel steht fest, ist kein Vorwurf zu machen. Bis zuletzt waren die Geldinstitute willens, der Alpine unter die Arme zu greifen. Noch am Montag der Vorwoche war ein, wie sich später herausstellen sollte, letzter Sanierungsgipfel für alle Seiten zufriedenstellend zu Ende gegangen. Alle Seiten – das waren Spitzenrepräsentanten der FCC und gut fünf Dutzend Vertreter von Banken und Versicherungen. Letztere hatten angeboten, noch einmal 100 Millionen Euro Schuldennachlass zu gewähren; und das, obwohl die Finanzinstitute bereits im März auf 150 Millionen verzichtet hatten. Die FCC-Manager wiederum, unter ihnen Vizepräsident Juan Ochoa Béjar und
Finanzchef Victor Pastor, waren nicht müde geworden, die Alpine als das „Key Asset“ der neuen FCC-Strategie zu würdigen, und erklärten sich bereit, 150 Millionen Euro für den laufenden Betrieb der Alpine flüssigzumachen. Die Einigung schien fix, in drei Wochen sollte der Sanierungsplan in Beton gegossen sein.
Wie gesagt, das war Montag.

Insofern darf es also nicht verwundern, dass Holding-Geschäftsführer Arnold Schiefer tags darauf mit seiner Erleichterung nicht hinter dem Berg hielt, als ihm ein ORF-Redakteur das Mikrofon unter die Nase hielt. Das Mittagsjournal hatte den Beitrag eben erst abgespielt, als Schiefers Telefon läutete. „Things are going wrong in Spain“, wurde ihm von den spanischen Eigentümern mitgeteilt. Schlimmer noch: Schiefer möge Insolvenz beantragen.

Das soll das Letzte gewesen sein, was der Holding-Vorstand von seinen spanischen Vorgesetzten gehört hat. Ein Mail nach Madrid mit der Bitte, diese folgenschwere Aufforderung schriftlich zu
bestätigen, blieb unbeantwortet. Schiefer musste bei den spanischen Kollegen in Wien nachfragen, ob die Order, die er aus Madrid erhalten hatte, korrekt sei. Am frühen Abend informierte er schließlich den engsten Führungskreis, ehe er mit einer Ad-hoc-Meldung an die Öffentlichkeit ging: „Die Bemühungen zur außergerichtlichen Sanierung der Alpine Gruppe wurden heute abgebrochen. Die Geschäftsführung der Alpine Bau GmbH bereitet daher ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverantwortung vor und wird die Verfahrenseröffnung umgehend beantragen.“

Am Mittwoch wurde der Insolvenzantrag eingebracht. Ein vorgefertigte Schreiben hatte praktischerweise bereits in der Schublade gelegen: Es war noch von Schiefers Vorgänger Josef Schultheis entworfen worden, welcher der Holding gerade einmal zwei Monate – von Dezember 2012 bis Jänner 2013 – vorgestanden hatte.

Eine Fleißaufgabe Schultheis’? Oder weise Voraussicht? Denn Tatsache ist: Der Baukonzern kämpfte bereits seit gut einem Jahr mit schwersten Finanzproblemen, konnte diese aber lange Zeit unter der Decke halten.

Bereits im Zuge der Abschlussarbeiten an der Bilanz 2011 hatten die Wirtschaftsprüfer auf Unwägbarkeiten im Auslandsgeschäft hingewiesen, etwa auf Rechtsstreitigkeiten über offene Forderungen. Ein positives Testat – der Prüfer war Deloitte – wurde dennoch erteilt. Die folgenden Monate arbeiteten sich Experten der Wirtschaftsprüfungskanzlei KPMG durch die Bücher des Konzerns. Das Ergebnis fiel so unerfreulich aus, dass der damalige Alpine-Vorstand Johannes Dotter bei einem Board Meeting der FCC im September des Vorjahres Farbe bekennen musste: Die Österreich-Tochter stehe an der Kippe. Die Alpine hatte sich mit Bauvorhaben in Polen, Deutschland und Griechenland so überhoben, dass der Bilanz 2012 Wertberichtigungen in der Höhe von 300 Millionen Euro, schlimmstenfalls sogar 400 Millionen drohten.

Die FCC-Manager reagierten naturgemäß alles andere als begeistert. Die Spanier hatten selbst genug um die Ohren – sahen sie sich doch ihrerseits mit einem Verlust von einer Milliarde für das Geschäftsjahr 2012 konfrontiert. Immobilienblase und Wirtschaftskrise waren auch an der FCC nicht spurlos vorübergegangen.
Und jetzt: Österreich.

Dem Vernehmen nach hat der Bericht Dotters die FCC an einer anderen Front in Bedrängnis gebracht. Gegenüber den spanischen Gläubigern soll die FCC die Alpine immer als Edelstein gepriesen haben, um die Banken in Sicherheit zu wiegen.

Nun entpuppte sich das Juwel als Schotterstein.
Wie profil im Vorjahr berichtete, beliefen sich die Bankverbindlichkeiten der Alpine schon im September 2012 auf 660 Millionen Euro. Auch die Republik haftete für 180 Millionen Euro, welche die Alpine 2009 aus dem Titel des Industrie-Hilfspakets gezogen hatte.

Sechs Monate später, im März dieses Jahres, verkündete der Salzburger Konzern – Dotter war mittlerweile ebenso Geschichte wie Schultheis – einen Restrukturierungsplan. Steigende Gewinne bei sinkender Produktion: Mit dieser Vorgabe der Beratungsgruppe Boston Consulting sollte die Alpine bis 2015 den Turnaround schaffen. Unrentable Auslandstöchter sollten geschlossen, die Overhead-Kosten gesenkt, die Tochtergesellschaften Alpine Energie, SUE (Special Underground Engineering) und die Hazet-Bau verkauft werden. Zugleich gewährten die österreichischen Banken und Versicherungen einen Schuldenschnitt von 150 Millionen, FCC schoss 250 Millionen Euro frisches Geld zu. Derart renoviert, sollte die Alpine Ende 2013 den Verlust mit 500 Millionen Euro begrenzen.

Doch die Skizze, die auf dem Reißbrett entworfen wurde, ließ sich nicht in die Realität umsetzen. Die Tochtergesellschaften gerieten zum Ladenhüter, Manager und Aufsichtsräte wechselten im Drei-Monats-Takt, Österreicher wurden durch Spanier ersetzt, die gebrochen Englisch, geschweige denn Deutsch sprachen. Und dann brach auch noch die Auftragslage ein.
Dass die FCC in dieser unüberschaubaren Gemengelage das Filetstück Alpine Energie herausfischte und diese im Jänner 2013 in eine eigens gegründete Beteiligungsgesellschaft namens Bvefdomintaena (sic!) einbrachte, die FCC untersteht, sorgt Alpine-intern für erheblichen Unmut. Zwar hat die Energie-Tochter rund 160 Millionen an Verbindlichkeiten offen, ist aber gut aufgestellt. Dem Masseverwalter ist das Unternehmen nun freilich entzogen – und damit ist weniger Kapital vorhanden, mit dem die Gläubiger bedient werden könnten.

Zuletzt musste die Alpine gegenüber den Banken einbekennen, dass sich der Verlust im laufenden Geschäftsjahr voraussichtlich der Marke von einer Milliarde nähern wird. Die FCC hätte nun nochmals 150 Millionen frisches Kapital aufbringen müssen. Doch dem schoben die spanischen Banken einen Riegel vor. Immerhin steht die Madrider Mutter ihrerseits mit 7,2 Milliarden Euro in der Kreide. Also wurde über Nacht die Flucht angetreten. Und abgetaucht.

Bis heute hat es das FCC-Management nicht der Mühe wert gefunden, zumindest pro forma Worte des Bedauerns oder wenigstens des Dankes an die Mitarbeiter zu richten.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.