Polizeipräsident Gerhard Pürstl: Das sind alles nette Menschen
Interview: Edith Meinhart
profil: Der Rechnungshof sagt, in Wien brauche es nicht 95 Polizeiinspektionen, sondern nur eine in jedem Bezirk.
Pürstl: Das ist utopisch. Allerdings ist unsere heutige Struktur nicht mehr zeitgemäß. Sie stammt aus den 1970er-Jahren, als die Polizeiinspektion erste Anlaufstelle war und es noch keine Funkstreife gab. Dort sind die Bürger hingegangen, wenn sie in Not waren, etwas gefunden haben und bis Ende der 1960er-Jahre sogar, wenn sie ein Spitalsbett brauchten. Heute zückt jeder sein Handy und wählt 133.
profil: Die Gewerkschaft bezweifelt, dass es für Großinspektionen Geld gibt.
Pürstl: Sie fürchtet eher, dass die Posten der Kommandanten und drei Stellvertreter wegfallen. Und die Lokalpolitiker fürchten sich davor, den Bürgern erklären zu müssen, dass es eine Polizeiinspektion weniger gibt. Wobei ich sie trösten kann: Die Bürger wissen üblicherweise nicht, wo sich die nächste befindet.
profil: Wie viele sollen in Wien übrig bleiben?
Prüstl: Es werden nicht 23 sein, aber vielleicht doch eine Zahl, die den Erwartungen des Rechnungshofes entgegenkommt.
profil: In Wien fehlen 1000 Polizisten, gleichzeitig wollen viele von hier fort.
Pürstl: Die Innenministerin und der Wiener Bürgermeister haben sich darauf geeinigt, die Polizei bis Ende 2015 aufzustocken. Das geht sich aus, wenn es in den nächsten zwei Jahren wenige Versetzungen aus Wien weg gibt. Darüber entscheidet das Innenministerium.
profil: Wenn Sie auf die Reform der Wiener Polizei 2002 zurückblicken: War alles gescheit, was gemacht wurde?
Die 23 Polizeikommissariate zusammenzulegen war gescheit. Dass man aus den Bezirken den Kriminaldienst abgezogen hat, war weniger gut. Inzwischen gibt es dort wieder Kripo-Beamte.
profil: Und die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie 2005?
Pürstl: Dass sie ein Erfolg war, steht außer Streit. Der Nachteil war, dass man den Wachkörper von den Polizeibehörden abgetrennt hat. Das ist mit der Reform 2012 saniert worden.
profil: Kritiker sagen, der Apparat wurde unter Ernst Strasser verpolitisert. Außerdem regiere das Kabinett in alle Entscheidungen hinein.
Pürstl: Im Innenressort gibt es aus meiner Sicht eine gut eingespielte Mischung aus politischer Verantwortung und Abwicklung in den nachgeordneten Dienststellen. Die Rolle des Kabinetts hat mit der Reform nichts zu tun.
profil: Es ist doch wesentlich, wer entscheidet.
Pürstl: Wenn man sich das Kabinett wegdenkt, muss eine Behörde auch noch funktionieren.
profil: Wissen Sie, wie es den Polizisten in den Wachzimmern geht?
Pürstl: Das glaube ich schon.
profil: Wie ist die Stimmung?
Pürstl: Die Polizisten wissen, dass sie eine hohe Belastung haben. Sie haben mit sozialem Elend zu tun, mit Gewalt in den Familien und Fremden, mit denen sie sich nicht verständigen können.
profil: Darüber klagen sie nicht, sondern über Bürokratie und eine Führung, die sie mit Statistiken quält.
Pürstl: Der Apparat muss funktionieren, und zwar mit rechtlichen Mitteln. Das ist die eine Schranke, die viele empfinden. Außerdem wird nicht verstanden, dass das Einfordern einer Stellungnahme oft notwendig ist. Ich stehe dazu, dass wir Leistung verlangen.
profil: Nicht jede ist messbar. Prävention etwa zählt dann nicht?
Pürstl: Auch der Fußstreifendienst wird als Leistung erfasst. Klar, dass der Beamte danach eintragen muss, ob er dazwischen eine Amtshandlung hatte. Es wird als lästig empfunden, das, was man tut, zu dokumentieren. Früher waren das Stricherllisten, nun haben wir ein elektronisches Erfassungssystem, mit dem eine Kosten- und Leistungsrechnung möglich ist.
profil: Was macht einen guten Polizisten aus?
Pürstl: Jemand, der mit offenen Augen durch die Welt geht und einschreitet, wenn ihm etwas auffällt. Ich beobachte, wenn es zu einer Rauferei kommt, dass es Beamte gibt, die schauen, dass sie das in Ordnung bringen. Andere biegen ab und sind nicht mehr gesehen.
profil: Können Sie aus Statistiken ablesen, wer eingreift und wer abbiegt?
Pürstl: Das kann nur der unmittelbare Vorgesetzte. Aber ich kann erkennen, welche Leistungen erbracht werden und wie viel sie kosten.
profil: Wie soll die Polizei nach außen auftreten: martialisch oder bürgernah?
Pürstl: Ich hätte gern eine gute Mischung.
profil: In Wien patrouilliert die Bereitschaftseinheit mit Baretten, Stiefeln und Kampfoveralls. Da fürchtet man sich, es könnte gleich eine Schießerei losgehen.
Pürstl: Das sind alles nette Menschen, die eine Zeitlang hier Dienst machen und auf das Wachzimmer zurückkommen. Die Symbolik ist gewollt, weil sie gewisse Tätergruppen abschreckt, aber es ist nicht das ausschließliche Bild der Polizei.
Foto: Michael Rausch-Schott