Falsett gegen Barrieren

Pop. Das erste Album des Wiener Musikers Crazy Bitch in a Cave

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Von Philip Dulle

"Falsche Wimpern, Lippenstift, extravagante Kleider, etwas Make-up - ich benötige nicht viel, um aus mir eine Popdiva zu machen“, sagt der Wiener Musiker Patrick Weber. "Manchmal reichen auch eine überdimensionale Sonnenbrille und Nagellack.“ Mit diesen Accessoires und dem Single-Hit "On Top“ katapultierte sich der Queerpop-Vordenker vergangenes Jahr in die erste Reihe der österreichischen Indiepopszene. Nun hat er sein großartiges Debütalbum "Particles“ vollendet.

An einem der heißesten Augusttage sitzt der junge Sänger im schattigen Gastgarten des Café Rüdigerhof in Wien-Margareten und bestellt mit schüchterner Stimme einen Holundersaft. Seine langen, schwarzen Haare, die er bei seinen Auftritten offen in Szene setzt, hat er zu einem bequemen Zopf geflochten, der ihm weit über den Rücken reicht. Anstatt aufreizender Frauenkleidung trägt der zierliche Künstler ein ausgewaschenes Batik-Shirt; keine Spur von der schrillen Bühnenpersönlichkeit. Vielmehr rutscht Weber nervös auf seinem Stuhl hin und her, als fühlte er sich jenseits des Rampenlichts ein wenig verloren. Zaghaft sucht er daher nach Worten, wenn er von seiner Mission erzählt: "Alles fing mit dem Namen an: Crazy Bitch in a Cave. Eine reine Kopfgeburt, die ursprünglich nicht für die Bühne konzipiert war, sondern als MySpace-Projekt 2008 ihren Anfang nahm.“

Er komponierte und arrangierte im eigenen Wohnzimmer, nahm die Songs auch selbst auf. Aus dieser rein virtuellen Existenz formte er schließlich eine Bühnenfigur, die immer mehr Züge der Privatperson in sich vereinte, bis die Grenze dazwischen kaum noch auszumachen war. Durch sein Alter Ego versucht der Mann, der beim Gespräch wie sein braver Counterpart wirkt, vor allem eines: zementierte Barrieren im Geschlechterdiskurs einzureißen - als schrille Dragqueen mit Falsettgesang, High Heels und exaltierter Queer-Performance lotet er starre Männerklischees nicht nur aus, sondern hinterfragt und sprengt sie. "Feminität wird einem Mann in unserer Gesellschaft ja regelrecht verwehrt“, beklagt Weber. Schüchtern klingt er nun nicht mehr, eher kämpferisch: "Diese Freiheit will ich mir jetzt ein Stück weit zurückerobern.“ Dabei ist der Diskurs, wie Patrick Weber ihn über seine Künstlerfigur inszeniert, eher lustvolle Koketterie als akademische Disziplin. Seine Auftritte sind schrill, laut und sexuell aufgeladen. Lampenfieber verspüre er dabei keines, sagt der Künstler - was sich damit erklären lasse, dass ihn sein feinsinniger Elektropop und seine Aufmachung als Dragqueen wie ein Kokon schützten. Damit hält er einerseits die Umwelt auf Abstand. Andererseits kann das so ausgelegte Konzept einer One-Man-Band mitunter recht einsam machen. "Aus Schutz vor mir selbst ziehe ich mittlerweile befreundete Musiker hinzu, weil die andauernde Beschäftigung mit der eigenen Person ja nicht gerade gesund ist“, räumt Weber ein.

Popmusik ist für ihn letztlich nur Mittel zum Zweck; eine grenzenlose Spielwiese, auf der vieles möglich und alles erlaubt ist, "solange es dem Publikum gefällt“. Dabei ist er weder ideologisch noch musikalisch voreingenommen, die Unterscheidung zwischen ernsthafter und unterhaltender Musik ist ihm ohnehin einerlei. Schließlich machte er sich schon früh auch mit dem so genannten ernsten Fach vertraut - kaum sechsjährig, bekam er Klavierunterricht. Sein Debütwerk "Particles“ soll Crazy Bitch in a Cave nun raus aus der Szenehöhle und rein in die Charts katapultieren. Denn: "Nichts anderes darf man sich von guter Popmusik erwarten.“