Georg Krakow, der Bawag-Ankläger

Porträt: Der Bawag-Ankläger

Causa Bawag: Was den Staatsanwalt erwartet

Drucken

Schriftgröße

Sein Handy läutet nicht, es zwitschert. Akustisch geht es im Zimmer von Georg Krakow, dem laut Austria Presse Agentur „speziell mit der Causa Bawag beauftragten Staatsanwalt“, zu wie in einer Voliere. Es zwitschert oft. Überdies schaut in sein Zimmer zwischendurch der eine oder andere Strafverteidiger auf einen Sprung herein, Boten bringen auf Wägelchen neue Akten und holen bereits bearbeitete Unterlagen wieder ab.

Krakow wird derzeit gemeinhin „der Bawag-Ankläger“ genannt, obwohl es im Strafverfahren gegen die 14 in der Causa Bawag Verdächtigen erstens noch gar keine Anklagen gibt und zweitens nach der Hierarchie eigentlich Roland Schön, Krakows Chef und Leiter des Bereichs Wirtschaftsstrafrecht in der Staatsanwaltschaft Wien, der verantwortliche „Bawag-Ankläger“ wäre. Freilich – die konkrete Arbeit macht der eine Generation jüngere Krakow. Und zwar nicht einfach in Befolgung von oben kommender Direktiven, sondern als ein seinen Chefs ebenbürtiger Denker.

Wiewohl man dem jugendlich aussehenden Krakow seine vierzig Lebensjahre kaum zutraut, eilt ihm bereits der Ruf eines durchaus ausgeprägten, wenn auch bemerkenswert unprätentiösen Selbstbewusstseins sowie der Ruf ruhiger, effizienter Nüchternheit voraus. Krakow, Magister der Rechtswissenschaft, ist vor gerade erst sieben Jahren als Richteramtsanwärter in den juristischen Staatsdienst getreten. 2002 wurde er zum Richter ernannt und wechselte erst vor zwei Jahren zur Staatsanwaltschaft. Doch das Vorgehen der Justiz in der ebenso heiklen wie politisch brisanten Bawag-Affäre trägt bereits eindeutig Züge seiner, Krakows, Handschrift.

Dies bestätigt Ronald Schön auf seine Weise, wenn er davon spricht, dass es der Sache der Aufklärung „sehr, sehr zuträglich“ sei, wenn einerseits von mehreren Stellen, unabhängig voneinander, Erhebungen durchgeführt würden. (Schön bezieht sich dabei auf Prüfungen der Notenbank im Auftrag der Finanzmarktaufsicht, auf die bankinterne Prüfungsarbeit unter Leitung von Bawag-P.S.K.-Vizechef Stephan Koren und eben auf die Erhebungen der Staatsanwaltschaft.) Ebenso habe es „Vorteile“, wenn auch innerhalb der Staatsanwaltschaft „zwei mal zwei Augen unabhängig voneinander die Sache von unterschiedlicher Warte her betrachten“. Wobei es in Anwaltskreisen heißt, dass Schön und Krakow eine „jedenfalls von außen gesehen sehr gut funktionierende interne Koordination“ pflegen. Auch werden dem „jungen Krakow“ Menschenkenntnis und Sensibilität im Umgang attestiert.

„Auf allen vieren“. Bis zur Vorwoche ging „der Bawag-Ankläger“ seinen Erhebungen im Landesgericht Wien als Bewohner eines Dienstzimmers nach, das Besucher als „winzig“ beschreiben: Es sei „mit Akten so voll gestopft“ gewesen, dass Krakow „nur auf allen vieren“ zu den unteren Teilen der nach einem ausgeklügelten System am Boden gestapelten Aktenstöße Zugang gefunden habe. Seit Mitte vergangener Woche hingegen genießt er einen für staatsanwaltliche Verhältnisse spektakulären räumlichen und personellen Luxus. Krakow bezog ein größeres Zimmer und erhielt nicht nur eine eigene Sekretärin, sondern auch, und zwar full-time, eine erfahrene Fachkraft des Bankwesens als Unterstützung zugewiesen.

Diese – für staatsanwaltliche Verhältnisse – bemerkenswerte „Verstärkung des Rechercheteams“ (Krakow) wird allgemein so gedeutet, dass das Justizressort an einer baldigen Anklageerhebung interessiert sei. Kombiniert mit dem Ruf Ronald Schöns als „einer, der berühmt dafür ist, dass er komplexe Causen in mehrere Stränge teilt, erfolgversprechende Teile herauspickt und dort sehr rasch Anklage erhebt“, macht in jüngster Zeit folgendes – vermutlich nicht ganz unfundiertes – Gerücht die Runde: Möglicherweise werde es die Staatsanwaltschaft tatsächlich schaffen, in der Causa Bawag noch im September eine Anklageschrift vorzulegen.

„Uni-Bonds“. Keine allumfassende, versteht sich. Keine Anklage, die sich auf sämtliche 14 Tatverdächtigen und alle in dem Zusammenhang untersuchten Straftatbestände bezieht. Als wahrscheinlichste Zielrichtung dieser ersten Anklage werden vielmehr die Vorgänge genannt, welche sich zwischen der damals von Helmut Elsner geführten Bawag und dem Investmentbanker Wolfgang Flöttl im Jahr 2000 abgespielt haben.

Ende 1999 war der Bawag-Führung bereits ein Forderungsbetrag an Flöttl von mehr als einer Milliarde Euro als definitiv „nicht werthaltig“ (OeNB-Prüfbericht) bekannt gewesen. Trotzdem hat die Bank Anfang 2000 neuerlich 350 Millionen Euro an Flöttl übergeben, indem sie Schuldtitel von Investmentgesellschaften auf den British Virgin Islands, Jersey und Guernsey erwarb. Diese Schuldtitel laufen in sämtlichen Prüfberichten unter dem Begriff „Uni-Bonds“. Zwischen der Bawag und Flöttl bestand ein Auftrags- und Treuhandverhältnis, was die Frage betrifft, wie die 350 Millionen Euro anzulegen seien. Doch Anfang Dezember 2000 waren dann plötzlich auch diese 350 Millionen Euro weg – auch sie angeblich verspekuliert und zur Gänze verloren.

Die damit im Zusammenhang stehenden Vorkommnisse könnte die Staatsanwaltschaft also zum Gegenstand ihrer ersten Anklageschrift machen. Betroffen wären Ex-Bawag-Chef Elsner und sein damaliger Freund Wolfgang Flöttl. Heute zeiht Elsner den Investmentbanker Flöttl der Täuschung und des Betrugs. Flöttl hingegen behauptet, sich den vertraglichen Vereinbarungen mit der Bawag konform verhalten zu haben. Aus Flöttls heutiger Darstellung würde sich strafrechtlich der Verdacht ableiten, dass sich die Bawag-Banker der Untreue schuldig gemacht haben – wobei manche Fachleute auch der Meinung sind, dass sich Flöttl mit seiner Argumentation implizit selbst der Beitragstäterschaft bezichtigt.

Auch die Taktik von Flöttl und Elsner im Verfahren sind verschieden. Setzt Flöttls Anwalt Herbert Eichenseder auf Diskretion („Wir pflegen intensiven Kontakt mit den Ermittlungsbehörden und null Kontakt zur Öffentlichkeit“), so hatte Elsner – vermutlich in Abstimmung mit seinem Anwalt Wolfgang Schubert – schon vor Wochen ein PR-Büro engagiert, um seine Position in den Medien mittels reihenweiser Interviews in die Welt zu posaunen. So brüsk er sich früher kritischen Journalisten gegenüber verhielt, so sehr bemühte er sich nun um öffentliches Wohlwollen.

Politik. Von der Kenntnis der einzelnen Vorgänge und ihrem wirtschaftlichen Verständnis her ist der „Uni-Bond“-Teil der Bawag-Ermittlungen der bisher am besten aufgearbeitete. Was dessen strafrechtliche Wertung angeht, hält sich die Staatsanwaltschaft derzeit aber noch vollständig bedeckt. Doch eines weiß Krakow gewiss: dass sich nämlich in den Wochen vor der Nationalratswahl der politische Druck „auf wen auch immer“ (Krakow) verstärken wird. Er zeichnet von sich selber das Bild eines Staatsanwalts, der nur eines im Sinn hat: das Verfahren so zügig voranzutreiben wie möglich, dabei aber Anklageschriften erst dann zu verfassen, wenn die Chance, vor Gericht damit erfolgreich zu sein, in ausreichendem Maß gegeben ist. Auf die Bemerkung, der Tag habe bloß 24 Stunden, antwortet Krakow spontan: „Leider.“ Auf die Frage, wie er dem erwartbaren politischen Druck zu begegnen gedenkt, ist ihm kein Kommentar zu entlocken. Er setzt bloß eine Duftmarke, indem er allgemein festhält: „Ich bin in dieser Funktion, weil es mir wichtig ist, hinter einer Sache stehen zu können. Es erfordert einen hohen persönlichen Input, erfolgreich zu sein. Diesen persönlichen Input kann man nicht einfach so steuern, den kann man nicht willentlich einschalten und ausschalten. Der kommt, oder er kommt nicht. Bei mir kommt er, wenn ich eben wirklich hinter einer Sache stehen kann.“

Wie viel Engagement künftig aus Krakow herauszuholen ist, wird also maßgeblich auch von der Haltung der Justizministerin und von Ronald Schön abhängen.

Schön gilt als nicht parteigebunden, aber wertkonservativ und erzkatholisch.

Krakow, Sohn einer Volksschullehrerin und eines Hochbauingenieurs, aufgewachsen in einem Elternhaus ohne besonderes weltanschauliches Engagement, hat Geschwister, die alle im bautechnischen Bereich tätig sind. Er ist in Krems in die Volksschule gegangen und besuchte dann in Wien den realistischen Zweig des Piaristengymnasiums, wo er 1984 maturierte. Sein Jusstudium schloss er erst Ende 1997 ab, weil er neben dem Studium zuerst teilzeitmäßig, ab 1988 aber ganztags in der Privatwirtschaft arbeitete und dort auch reüssierte: Aus dem jungen Mann, der 1988 als Haustischler beim Möbelhändler Kika eingestiegen war, wurde bald ein Verkäufer, dann ein Abteilungs- und schließlich ein Filialleiter-Stellvertreter, der auch für die Personalführung in einem Teil des Unternehmens zuständig war. 1993 wechselte der Immer-noch-Jusstudent in die Zentrale des Möbelhändlers Lutz, um dort eine Rechtsabteilung aufzubauen. Dass er 1997, bald nach dem Abschluss seines Studiums, umsattelte, den „klassischen juristischen Beruf eines Richters“ (Krakow) anpeilte und beim Bezirksgericht Mödling anheuerte, um seine Gerichtspraxis zu absolvieren, erklärt er mit dem schlichten Satz: „In einem Wirtschaftsunternehmen kann ein Jurist kaum an die Spitze kommen.“ Krakow-Kenner meinen, vor dem Hintergrund dieses beruflichen Werdegangs und dieser Einstellung zu Juristerei und Berufskarriere sei ihm stromlinienförmiges Gehorchen, wie es im Bawag-Verfahren mancher gerne sähe, wohl nur schwer abzuringen.

Schuldzuweisungen. Was die Vorwahlbedeutung der Bawag-Causa betrifft, so kann Krakow diese wohl kaum zu hoch einschätzen. Vergangene Woche gab es diesbezüglich wieder etliche interessante Signale. Am Mittwoch versuchte die SPÖ im Nationalrat in Form einer dringlichen Anfrage, Finanzminister Karl-Heinz Grasser eine Mitschuld an dem Bawag-Desaster nachzuweisen. Ohne besonderen Erfolg. Am Donnerstag wurde berichtet, dass die Justiz sämtliche österreichischen Konten Helmut Elsners sperren ließ und auch dessen Verfügungsmöglichkeiten über seine Privatstiftungen einschränkte. Beide Maßnahmen dürften für Elsner ärgerlich sein, den Großteil seiner Gelder vermutet man allerdings ohnehin anderswo. Und schließlich publizierte das Magazin „News“ in der Vorwoche einen Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen, wonach nun der Wirtschaftsprüfer und Immobilientreuhänder Thomas Keppert als Sachverständiger zur Bewertung der Penthouse-Frage herangezogen wird: Gegen Elsner und Ex-ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch besteht infolge der günstigen Mieten beziehungsweise Kaufpreise für deren von der Bawag errichteten luxuriösen Dachwohnungen der Verdacht der Untreue.

Penthouse. Dieser Beschluss des Landesgerichts soll wohl forcierte Tätigkeit beim öffentlichkeitswirksamen Penthouse-Thema signalisieren. In Wahrheit wird die Gutachtenerstellung allerdings einige Zeit benötigen und das Verfahren eher etwas verzögern, womit de facto eine Anklageerhebung zu diesem Penthouse-Punkt noch vor der Wahl unmöglich wird.

Dies alles dürfte für Krakow freilich noch längst keinen Grund für ein Geringerwerden seines „persönlichen Inputs“ darstellen. Eine diesbezügliche Probe aufs Exempel steht ihm aber in den nächsten Monaten jedenfalls bevor.

Von Liselotte Palme