Porträt: Esther Koplo- witz Romero de Juseu

Porträt: Die Gräfin vom Bau

Die Alpine Mayreder wechselt den Besitzer

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Esther Koplowitz Romero de Juseu ist blauen Blutes, von ansprechendem Äußeren und nebstbei milliardenschwer. Die Mittfünfzigerin führt ihre Adelstitel Marquesa de Casa Peñalver und Marquesa de Cuba mit dem gleichen Selbstverständnis wie ihre spanische Unternehmensgruppe Fomento de construcciones y contratas, kurz FCC.

Ob die öffentlichkeitsscheue Marquesa Österreich jemals bereist hat, ist nicht überliefert. Ihr Sprecher Borja Puig lässt sich dazu kein Sterbenswörtchen entlocken. Noblesse oblige. Die Anwesenheit der Dame könnte demnächst unerlässlich sein. FCC, einer der größten Baukonzerne Spaniens, steht unmittelbar vor der Übernahme von Österreichs Nummer zwei, Alpine Mayreder mit Sitz in Salzburg.

Der 480 Millionen Euro schwere Deal war Ende Juli besiegelt worden und harrte seither der Genehmigung durch die EU-Kartellbehörden. „Spätestens am 17. Oktober wird die Entscheidung bekannt gegeben“, heißt es aus dem Büro von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Wie diese ausfallen wird, ist in wohlinformierten Kreisen kein Geheimnis mehr: Die EU wird die Übernahme ohne nennenswerte Auflagen genehmigen.

Was Käufer und Verkäufer wohl gleichermaßen erquicken dürfte. Die Salzburger Industriellenfamilie Pappas, die bislang knapp 63 Prozent an Alpine Mayreder hielt, wird das ohnehin nicht zu knapp bemessene Haushaltsbudget um eine stattliche Summe auffetten. Esther Koplowitz, deren Privatvermögen das US-Magazin „Forbes“ auf 2,5 Milliarden Euro taxiert, wiederum kann in der Chronik ihres Geschäftslebens ein weiteres Kapitel aufschlagen. Sowie Salzburg und dessen Festspielen ganz en passant ein wenig von jenem Glamour zurückgeben, der mit dem Ableben des legendären Industriellen Dimitri Pappas verloren gegangen war.

Schließlich könnte die Vita der Esther Koplowitz, wie auch die ihrer mittlerweile aus dem Unternehmen ausgeschiedenen Schwester Alicia, gut und gern den Stoff für eine Telenovela erster Güte liefern.

Als Töchter eines Bauunternehmers und einer spanischen Gräfin wurden Esther und Alicia in die Nomenklatura des Franco-Regimes hineingeboren. Vater Ernesto Koplowitz war einst vor den Nazis aus Polen geflohen und legte in den vierziger Jahren mit der Übernahme des Bauunternehmens Conycon den Grundstein für den Wohlstand der Familie. Durch seine Heirat mit Gräfin Esther de Romero Juseu fand Koplowitz rasch Zugang zu den besseren Kreisen Spaniens – und damit auch zu lukrativen Aufträgen.

Späte Berufung. Der frühe Tod der Eltern brachte Esther und Alicia Koplowitz unter die Obhut von Ramon Areces, einem Freund der Familie und selbst höchst erfolg- und einflussreichem Unternehmer. Der Gründer von El Corte Ingles, der heute größten Kaufhauskette Spaniens, kümmerte sich einerseits um den Fortbestand des Bauunternehmens. Und andererseits auch um das Auskommen seiner damals Schutzbefohlenen. Er verheiratete Esther und Alicia, kaum dass sie volljährig waren, mit Sprösslingen der spanischen Elite. Die Cousins Alberto Cortina und Alberto Alcocer, beide Söhne hochrangiger Politiker, ehelichten die jungen Damen und übernahmen fortan die Geschäfte im Koplowitz-Konzern.

Esther und Alicia waren im reaktionären Spanien der siebziger Jahre die Rollen als Hausfrauen und Mütter zugedacht. „Los Albertos“, so der Spitzname der Cousins, verstanden es geschickt, den Reichtum der Familie zu mehren. Nicht zuletzt durch die zahlreichen Aufträge, die der frühere Vormund Ramon Areces und sein stetig wachsendes Kaufhausimperium an Conycon vergaben. Die Ägide der Albertos an der Spitze des Unternehmens, das nach zahlreichen Akquisitionen und einigen Fusionen mittlerweile unter dem Namen FCC firmiert, fand jedoch ein jähes Ende. Die – von der spanischen Regenbogenpresse dankbar ausgeschlachteten – außerehelichen Eskapaden der beiden gipfelten ausgerechnet in einem Schnappschuss, aufgenommen mitten in Wien.

Ein Fotograf lichtete Alberto Cortina, den Ehemann von Alicia, 1988 beim Verlassen der Nobelherberge Hotel Schwarzenberg ab. In seiner Begleitung: eine gewisse Marta Charvarri. Als Reaktion auf das Skandälchen reichten die Koplowitz-Schwestern 1989 zeitgleich die Scheidung ein und fanden sich unverhofft an der Spitze des FCC-Konzerns wieder. In diesen Funktionen zeugten die Damen, damals beide um die 40, von einem selbst in gehobenen Managementkreisen durchaus nicht alltäglichen Talent: Umsicht. Sie vertrauten im Tagesgeschäft weiterhin auf jene Manager, die ihre in Ungnade gefallenen Ex-Männer einst installiert hatten.

Eine Vorgehensweise, die sich übrigens – unter gänzlich anderen Vorzeichen – hierzulande wiederholen sollte. Der langjährige frühere Alpine-Chef Dietmar Aluta-Oltyan, selbst mit beinahe 20 Prozent am Unternehmen beteiligt, steht offenbar vor einem Comeback. Er war im Februar dieses Jahres wegen seiner Rolle im Schmiergeldskandal rund um den Bau der Münchner Allianz-Arena in Deutschland zu zwei Jahren bedingter Haft und einer Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro verurteilt worden. Was das ohnehin fragile Verhältnis zur Familie Pappas zusätzlich belastet und den Verkauf letztlich nachhaltig beschleunigt haben dürfte.

Vielfalt. Aluta-Oltyan gilt, allen Verfehlungen zum Trotz, als einer der erfolgreichsten Manager im Lande. Er hat aus der einst biederen und hauptsächlich regional agierenden Alpine innerhalb weniger Jahre ein international kompetitives und obendrein profitables Unternehmen geformt.

Mit der um ein Vielfaches größeren FCC vermag sich Alpine indes nur bedingt zu messen. Der börsenotierte spanische Konzern durchlief unter Esther und Alicia Koplowitz eine tiefgreifende Wandlung. Weg vom reinen Baugeschäft, hin zu verwandten Branchen: Immobilienentwicklung, Abwasseraufbereitung, Müllentsorgung sowie der Betrieb von mautpflichtigen Autobahnen. Knapp mehr als die Hälfte des FCC-Jahresumsatzes von zuletzt 7,1 Milliarden kommt inzwischen nicht mehr aus dem klassischen Baubereich (siehe Kasten).

Die Expertise, etwa im Autobahngeschäft, wird FCC vermutlich auch in Österreich nicht zum Nachteil gereichen. Ein von Alpine Mayreder und der deutschen Hochtief geführtes Konsortium wurde von der staatlichen Asfinag jüngst als Bestbieter für den Bau der Nordautobahn A5 ausgewählt. Die endgültige, rechtswirksame Vergabe ist jedoch im Gefolge der Einsprüche unterlegener Mitbewerber ins Stocken geraten (siehe Kasten).

Von den florierenden Geschäften der FCC-Gruppe profitiert mittlerweile nur noch eine der Schwestern. Die jüngere, Alicia, zog sich 1998 reichlich überraschend aus dem Konzern zurück und stellte die Schwester vor die Wahl, die Familienmehrheit im Konzern nach Jahrzehnten aufzugeben – oder die Anteile selbst zu übernehmen. „Damals hätte niemand darauf gewettet, dass Esther die Situation meistern wird“, so der spanische Autor und Wirtschaftsjournalist Juan Luis Galiacho, der in seinem Buch „Los herederos del gran poder“ („Die Erben der großen Macht“) ein Kapitel der Familie Koplowitz gewidmet hat.

Esther Koplowitz fand ihre Schwester mit 800 Millionen Euro ab. Um den Auskauf zu finanzieren, beteiligte sie den französischen Vivendi-Konzern zunächst mit 49 Prozent an der Holding B-1998, die bis heute mehr als die Hälfte der FCC-Anteile hält. „Sie hat den Stier bei den Hörnern gepackt“, so Galiacho. Mit der Transaktion hielt sich Esther Koplowitz nicht nur an der Konzernspitze. Sie gewann auch das Vertrauen der durch die monatelangen Übernahmeverhandlungen verunsicherten Belegschaft – und Einfluss bei den starken Baugewerkschaften, die den Einstieg eines Finanzinvestors und damit den Verlust von Arbeitsplätzen befürchtet hatten. „Ihre guten Gewerkschaftsbeziehungen hat sie bis heute erhalten. Erst kürzlich konnte durch ihre Vermittlung ein Streik der Müllabfuhr innerhalb eines Tages aufgelöst werden“, so Galiacho.

Gute Beziehungen – und ein gerüttelt Maß an Nervenstärke haben Esther Koplowitz dorthin gebracht, wo sie heute steht. 2004 wurde FCC in ein erbittertes Tauziehen verwickelt. Der kleinere spanische Mitbewerber Acciona kaufte sich über die Börse mit 15 Prozent bei FCC ein, gleichzeitig äußerte Vivendi Verkaufsabsichten. In einem weiteren Kraftakt gelang es Esther Koplowitz, Investoren für die Anteile der Franzosen zu gewinnen – und damit die drohende feindliche Übernahme abzuwenden. Maßgeblich beteiligt an der Platzierung des Vivendi-Pakets – unter anderem an die französische Industriellenfamilie Peugeot – war dabei FCC-Vorstand Fernando Falco, Esthers zweiter Ehemann. Pikantes Detail: Die erste Frau von Falco war ausgerechnet jene Marta Charvarri, deren Wiener Geturtel mit Esthers Schwager Alberto Cortina die Scheidungen im Hause Koplowitz mitverursacht hatte.

Vetternwirtschaft. Aller familiärer Ranküne zum Trotz scheint die Erbfolge im Hause Koplowitz inzwischen gesichert. Der Ehe mit Alberto Alcocer entstammen drei Töchter, die heute allesamt bei FCC in leitenden Funktionen tägig sind. Ihre ersten Schritte in der Geschäftswelt machten die jungen Damen Esther, Alicia und Carmen bei dem zur international tätigen Barclays-Gruppe zählenden Bankhaus Banco Zaragozano. Die Chefs des Instituts waren der Papa und der Onkel, Alberto Alcocer und Alberto Cortina. 2003 mussten „Los Albertos“ jedoch den Rückzug aus ihren Positionen antreten. Wegen Unregelmäßigkeiten bei Immobiliengeschäften wurden sie wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu je drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Die Cousins waren in Spanien spätestens seit ihren Rosenkriegen mit den Koplowitz-Schwestern immer für knallige Storys gut. Sie hatten einst Florentini Perez, einem Bauunternehmer und ehemaligen Präsidenten des spanischen Fußball-Erstligisten Real Madrid, unter fragwürdigen Umständen großzügige Kredite für die Transfers der Stars Luis Figo und Zinedine Zidane gewährt.

Die Schwestern Koplowitz haben Medien, der langen und bunten Familiengeschichte zum Trotz, bislang denkbar wenig Angriffsflächen gegeben. Interviews sind Mangelware. Und wenn schon, dann geht es nur ums Geschäft. Begehrliche Seitenblicke sind prinzipiell tabu, obschon sich die Damen gerne und oft auf dem Society-Parkett der spanischen Hauptstadt bewegen. Partys ja, Kameras nein.

Wie es sich für eine anständige Familie gehört, haben auch Koplowitzens ein schwarzes Schaf in ihren Reihen: Ernesto Koplowitz, unehelicher Sohn des FCC-Gründers. Sein Erbteil hat der Maler und bekennende Bohemien, in der spanischen Klatschpresse mithin „El Bastardo“ tituliert, offenbar längst durchgebracht. Vor wenigen Jahren sorgte er für Schlagzeilen, als er vor dem FCC-Konzernsitz im Torre Picasso in Madrid in einen mehrtägigen Sitzstreik trat. Ernesto wollte auf diesem Wege bei der Familie lautstark das einfordern, was ihm seiner Meinung nach testamentarisch vorenhalten worden war: die Kleinigkeit von 30 Millionen Euro. Halbschwester Esther blieb – wenig überraschend – völlig unbeeindruckt.

Von Josef Redl