Candace Bushnell: Ein Zimmer für sich

Porträt: Ein Zimmer für sich

Naomi Wolf über die „Sex and the City“-Erfinderin

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Ich traf Candace Bushnell an einem heißen Sommernachmittag in einem protzigen Hotel. Jedes einzelne ihrer glänzend blonden Haare saß perfekt. Heimlich bewunderte ich die Perfektion, mit der sie ihr Augen-Make-up aufgetragen hatte – offenbar ohne die Hilfe eines Visagisten. Ich bemerkte ihren satten Lippenstift, die Caprihose, die ich später in der „Vogue“ sehen sollte.

Sie war klein, fast zerbrechlich, eine Schönheit mit hellblauen Augen und einer samtweichen Haut, fast erschreckend elegant gekleidet: hellblaue Hose, zitronengelbe Stöckelschuhe, hauchdünne Bluse, Jäckchen; so makellos wie eine ihrer Figuren. Ihr Topasring hatte die Größe eines kleineren Fürstentums.

Bushnell kam mir vor – und das ist nicht böse gemeint – wie einer dieser großen amerikanischen Selfmade-Menschen. Wie jemand, der beschlossen hatte, sich eine neue Persönlichkeit zu erschaffen, ja sogar einen neuen Lebenslauf, bloß um in die Glamourwelt Eingang zu finden, die sie so erfolgreich für all die beschreibt, die ausgesperrt bleiben. Zugleich aber hatte ich den Eindruck, als müsste sie erst noch entscheiden, ob sie „draußen“ bleiben, als die scharfe Beobachterin, die sie sein kann, oder ob sie doch „drinnen“ Platz nehmen wollte, als gut bezahlte, unkritische Chronistin ihrer Welt.

Bushnell bestellte einen Shrimpscocktail. Sie wirkte ein wenig angespannt, abwartend und fast schon frus-trierend glatt in ihren Antworten. Ich erkannte die Taktik eines gewieften Medienprofis: bei heiklen Fragen das Thema wechseln, sich nicht in die Defensive drängen lassen, das Positive hervorstreichen.

Diese perfekte Frau frustrierte mich ein wenig, ganz wie ihre Werke, inklusive ihres letzten Buches, mich frustriert hatten. Da waren zwar Ansätze einer dunkleren, menschlichen, gescheiten, zynischen Seite – die Einblicke einer Außenseiterin, voller widerborstiger Einsichten –, doch sie schien begraben unter der medienwirksamen Kunstfigur, die sie sich auf so begnadete Weise erschaffen hat.

Ich hatte Bushnell schon zuvor getroffen, bei einem dieser Events, bei denen ich immer Angst habe, den falschen Löffel zu verwenden. Damals war ich eine von zwei dunkelhaarigen Frauen in einem Wald von Blondinen – echten wie falschen –, und die Einzige, deren Kleid von der Stange war. Dort war sie mir sofort sympathisch: Sie war warmherzig und frech. Jetzt aber hatte sie ihr Pokerface aufgesetzt. Ich kämpfte mich voran: „Sehen Sie sich als Feministin?“

„Voll und ganz“, versicherte sie, ohne zu zögern. „Darüber denke ich seit meiner Kindheit nach. Damals konnten Mädchen Krankenschwestern, Bibliothekarinnen, Lehrerinnen oder Sekretärinnen werden. Buben konnten zehn verschiedene Dinge machen. Mütter sagten ständig, dass sie gern einen Job hätten. Väter fragten: ‚Bring ich denn nicht genug nach Hause?‘“

Sie sagte, „Sex and the City“ beruhe auf den Erfahrungen von Frauen in den frühen achtziger Jahren, denen man damals geraten hätte, vor der Ehe noch eine Karriere anzustreben. Das hätte, zusammen mit der sexuellen Revolution, „eine ganze Menge Verwirrung“ gestiftet.

„Sind die Frauen in ‚Sex and the City‘ Ihrer Meinung nach Feministinnen?“
„Sicher“, antwortete sie, wieder ohne zu zögern. „Ich glaube sogar, dass sie sehr offensichtlich Feministinnen sind. Sogar Charlotte ist, auf ihre Art, Feministin. Es sind wirklich nette Mädchen, die eben jeweils verschiedene Ansichten und Moralvorstellungen haben. Feministin zu sein heißt nicht, zu behaupten, wir wären allesamt gleich.“

„Wie definieren Sie Feminismus?“
„Ich glaube, es geht darum, für sich selbst zu sorgen, sich nicht nur auf Männer zu verlassen.“ An einem Shrimp herumknabbernd, fügte sie hinzu: „Feministin zu sein widerspricht nicht dem menschlichen Bedürfnis nach Liebe. Daran ist nichts falsch.“

Dazu kann die Feministin in mir, natürlich, nur rufen: „Weiter so, Schwester!“ Bushnell ist die Schöpferin eines völlig neuartigen, weiblichen Selbstermächtigungs-Imperiums, und dafür muss man ihr Anerkennung zollen.

Warum schalten Millionen von Frauen in aller Welt – nach einem langen Arbeitstag als Sekretärin in Westlondon, als Topmanagerin in München oder als Pflegerin in Omaha – auf „Sex and the City“? Was haben uns Miranda, Charlotte, Carrie und Samantha zu sagen? Nicht, was Sie denken.

„Sex and the City“, das auf Kolumnen basiert, die Bushnell für den „New York Observer“ geschrieben hat, ist schon als Modefetischismus verspottet worden, als trivialer Eskapismus, als antifeministischer Kitsch, als Parabel auf das Elend von vier sexbesessenen Frauen, die keinen Mann abbekommen, ja sogar als Schwulen-Saga.

Tatsächlich aber ist es das erste globale Frauenepos – die Antwort auf die Frage, die Virginia Woolf in „Ein Zimmer für sich“ gestellt hat: Was tun Frauen, wenn sie wirklich frei sind?

Bushnell selbst denkt vielleicht, sie schreibe lockere Unterhaltung.
Aber immer dann, wenn ein Kulturprodukt derartigen Widerhall findet – und „Sex and the City“ hat ein weltweites Echo gefunden –, muss man sich fragen: Welchen Nerv trifft diese Serie?

„Sex and the City“ ist in mehrerlei Hinsicht ein Wendepunkt. Moderne weibliche Fantasien werden darin angesprochen – Fantasien, die das genaue Gegenteil dessen sind, von dem die männerdominierten Massenmedien glauben, dass die Serie es anspricht.

Wie geht nochmal die Geschichte der Serie, wie sie in der Mainstream-Presse nacherzählt wird? Vier wilde, sexy Frauen, allein in der verruchten Stadt, unglücklich, auf der Suche nach dem Happy End: einer Ehe mit einem soliden, verlässlichen Kerl, einem Familienleben.

Doch was sehen wir wirklich, in jeder Folge aufs Neue? Die Unmöglichkeit, einen heiratstauglichen Mann zu finden, bedeutet zugleich die herrliche Verlängerung einer späten weiblichen Adoleszenz: frei und wollüstig, egozentrisch und frauenbezogen. Sie bedeutet, dass die Freuden einer uneingeschränkten weiblichen Erotik hemmungslos ausgelebt werden können. Sie bedeutet, dass niemand herumschreit, wenn man zu viel für Schuhe ausgibt.

Ich behaupte, dass die Suche nach „Mr. Right“ nur ein Vorwand ist, ein dramaturgischer Kniff, der die Handlung am Laufen hält. Das gibt den Zuseherinnen – die wohl zum Großteil selbst schon verheiratet sind – die Gelegenheit, ausgiebig von einem Singledasein zu träumen, von unbestrafter Sexualität, von Frauenfreundschaft und Autonomie. Es geht um ein Traumland für Frauen, darum, nicht erwachsen zu werden.

„Sex and the City“ ist eine Serie über Entscheidungsfreiheit, nicht über Zurückweisung. Alle Heteromänner sind hier verrückt. Wären die Geschlechterrollen umgekehrt – die Produzenten wären längst wegen krasser Frauenfeindlichkeit an den Pranger gestellt worden. Den Zuseherinnen wird der unartige Nervenkitzel beschert, Frauen endlich einmal als vernünftig, sensibel und anständig dargestellt zu sehen, während die Männer durchwegs Einfaltspinsel und Clowns sind, Muttersöhnchen und Neurotiker.

Es gibt in der Serie das ausgeprägte Moment einer Rachefantasie ge-gen die, die uns verletzt und versetzt, die unser Herz gebrochen haben. Nachdem Miranda einmal von einem gut aussehenden Typen versetzt worden ist, stellt sich heraus, dass er tot ist. Welche Frau kann von sich behaupten, niemals ein ähnlich schnelles Ende für den Rüpel herbeigesehnt zu haben, der ihr gerade das Herz gebrochen hat?

Ein anderes entscheidendes Element für die Beliebtheit der Serie ist die Tatsache, dass diese Frauen hohe Standards und einen guten Geschmack haben. Alles andere als arme, postfeministische Mädchen, die keine Liebe finden, verschmähen sie, Folge für Folge, ihre Verehrer – aus dem einfachen Grund, weil sie als potenzielle Lebenspartner versagen. Die Moral von der Geschicht’: Es reicht nicht, reich zu sein, ansehnlich und tüchtig; ein Mann muss auch charakterlich in Ordnung sein.

In einer Folge turnt Carrie mit einem jüngeren, attraktiven Verehrer herum, der noch während des Vorspiels unbedingt seiner Mutter am Telefon erklären muss, dass er den Hund versorgt hat. Ein anderer heißer Heiratskandidat erweist sich als Lügner, was seinen Job angeht: Er ist kein Makler, sondern bloß Haushälter.

Viele „Sex and the City“-Seherinnen haben sich für eine Familie entschieden, für Sicherheit, dafür, „einen Mann zu haben“. Das Muttersöhnchen oder der Rüpel sitzt vielleicht neben ihnen und sieht zu. Aber Carrie und Co lassen sich nicht nieder. Sie machen weiter, denn sexuelle Revolution und Frauenbewegung bedeuten, dass Frauen das Recht haben, Entscheidungen zu treffen.

Es sind weiße, gebildete Frauen, die ökonomisch unabhängig sind: Sie müssen nicht mehr heiraten, um sich und ihre Kinder zu ernähren. Sie können sich befreien – und sie tun es auch.

Die Serie schlägt das Ideal einer Liebesheirat als Happy End vor – und untergräbt es im selben Moment. Zum Beispiel Treys und Charlottes Ehe: Während die anderen Frauen es wie Kaninchen treiben, bekommt Charlotte überhaupt keinen Sex. Trey kann nicht mit ihr – sehr wohl aber mit seinen Pornoheften.

„Sex and the City“ ist auch darum so erfolgreich, weil es das erste kulturelle Dokument ist, das Frauenthemen in epischer Breite abhandelt. Sie mögen lachen – aber es ist wahr. In welchem Roman, welcher TV-Serie folgt die Geschichte den Anliegen von Frauen? In der Ilias sind es Kriege und Schlachten, die den Ablauf bestimmen. In der Odyssee sind es die Heldentaten von Seefahrern. In einem Frauenepos sind Sex und Intimität, Mode und Ehe die entscheidenden Faktoren. Doch auch die größten Schriftstellerinnen waren nie so narzisstisch frauenzentriert wie die Autoren von „Sex and the City“.

In einer Folge fällt der bedeutungsschwangere Satz: „Am nächsten Tag gingen Samantha und ich ins Valley, um Fendi-Handtaschen zu besorgen. Wir hatten das Fake-Fendi-Paradies gefunden.“ Sie können ruhig weiterlachen, aber dieser Satz ist, auf seine Weise, ebenso wichtig wie Virginia Woolfs berühmter Blick auf die weibliche Freundschaft: „Chloe hatte Olivia gern.“ Denn Frauen messen, insgeheim, die Zeit, ihre Ziele und Errungenschaften in Mode, Körpern, Kindern, Sex und Beziehungen. „Sex and the City“ hat die Kühnheit, die inneren Sorgen von Frauen so zu behandeln, als ob sie tatsächlich wichtig wären.

Und dann ist da noch der Sex. Weil ich die Serie im Fernsehen verpasst habe, beging ich den Fehler, die Videos in meinem Schlafzimmer anzusehen, während Gloria, unsere lateinamerikanische Putzfrau, gerade dort zugange war. Plauderszenen wechselten in rascher Folge mit lustvollem Stöhnen, ich errötete und versuchte hektisch, den Ton runterzudrehen.

„Necesito escribir algo sobre esta programa“, bemühte ich nervös mein Highschool-Spanisch, als Samantha gerade energisch rangenommen wurde ... („Nur zu Forschungszwecken!“ – die ewige Rechtfertigung des Pornokonsumenten). „Si, si.“ Gloria nickte skeptisch, eine Augenbraue hochgezogen, während sie fortfuhr, die Leintücher zusammenzulegen.

Tatsache ist, allen meinen Beteuerungen zum Trotz: Ich sah eine Art von Pornografie. „Sex and the City“ ist auch deshalb revolutionär, weil es klar macht, wie obszön Frauen wirklich sind. Es zeigt, zum ersten Mal, eine genuin weibliche sexuelle Kultur, die nicht durch Männer vermittelt ist, nicht durch Ehe, Männerpornos oder Männerregeln. In dieser Kultur ist Essen ein Teil von Sex („Er hat Muscheln für mich gebraten ... und nach dem Essen ist es sogar noch heißer hergegangen“). Und genauso das Reden über Sex, die Vorfreude auf Sex und die postkoitale Diskussion über Sex.

Sich für Sex anziehen ist Sex, die Kleider zu kaufen, die man ausziehen wird, ist Sex, und sich für Sex herrichten ist Sex.

Es gibt diese berühmte Episode, in der Carrie eine modische Intimrasur gewachst bekommt. Die sinnliche Belohnung für die Prozedur wird so verführerisch geschildert („Mein Wachs brachte mich dazu, ihn zu küssen“), dass eine Woche später ganz New York verrückt danach war. Es geht sogar das Gerücht von den Top-Enthaarungsspezialistinnen der Stadt, einem lateinamerikanischen Schwesternpaar, die ein Dankesschreiben von Gwyneth Paltrow bekommen hätten: „Danke, dass Sie mein Leben verändert haben!“

Befreie die Vulva, und niemand kann für die unabsehbaren Konsequenzen verantwortlich gemacht werden. Oder, wie Carrie es formuliert: „Warum sein Licht unter den Scheffel stellen?“

Die sexuelle Vorbildwirkung der Serie ist dermaßen groß, dass mir einmal, als ich mich zu Forschungszwecken (ehrlich!) über „Good Vibrations“ erkundigte, den Sexspielzeug-Katalog für Frauen, erklärt wurde, dass der berühmte Hitachi-Magic-Wand-Vibrator ausverkauft sei, weil er in der Serie zum Einsatz gekommen wäre.

Virginia Woolf hat gefragt, was Frauen machen würden, wenn sie genug Geld und ein eigenes Zimmer hätten. „Sex and the City“ hat die Antwort: Sie würden f*****, ziemlich oft. Und nicht bloß mit den „richtigen“ Männern. Und danach würden sie darüber reden und reden und reden.

Und ich sage es hier und jetzt: Diese Einsicht der Produzenten ist so wahr wie nur irgendetwas. Genau das ist es, was Frauen einer bestimmten Klasse und Generation wirklich tun, hinter verschlossenen Türen, wenn sie die Zeit haben, das Selbstvertrauen und die Gelegenheit.

Gut, aber was ist mit der Frau, die all diese Wahrheiten über ihr Geschlecht verbreitet hat? Als ich zum ersten Mal über Candace Bushnells Leben gehört habe – dass sie „in den saftigen Weiden Connecticuts“ aufgewachsen sei, dass ihr Vater Raketeningenieur war und ihre Ahnen mit der „Mayflower“ gekommen seien –, da schlug mein Blödsinn-Detektor aus wie wild. Jeder Parkplatz in Connecticut ist eine saftige Weide. Raketeningenieur? Der einzige Ort, an dem Raketeningenieure an Raketen arbeiten, ist bei der NASA in Florida. Und die Nachfahren der „Mayflower“-Pioniere findet man heute in Billigvororten und Trailer Parks.

Dabei hatte ich vollstes Verständnis: Alle großen Chronisten der amerikanischen Elite waren Kunstfiguren gewesen. Aber ich wollte, dass sie wirklich Teil ihrer eigenen Geschichte ist.

So fragte ich sie, als sie gerade ihren Shrimp abnagte, nach dem „Raketeningenieur“. Ihr Vater, erklärte sie mir, wäre forschender Ingenieur bei Pratt & Whitney gewesen, die in Connecticut Flugzeug- und Raumschiffmotoren erzeugen. „Er hat sogar ein Patent auf die Treibstoffzellen, die in der ersten Apollo-Rakete verwendet worden sind.“

„Und Ihre Mutter?“
„Meine Mutter war Geschäftsfrau. Sie hat ihr eigenes Reisebüro eröffnet.“

Bushnell erzählte, wie sie in Glastonbury, Connecticut, aufgewachsen, zur lokalen Highschool und – eineinhalb Jahre lang – zur Universität gegangen sei.

„Solide Mittelschicht“, stellte ich fest. Aber Bushnell ließ meine Einschätzung nicht gelten. „Wir haben Pferde gehabt und ein altes Haus.

Es war eine respektable Stadt. Jeder war Mitglied beim Country Club.“ Auch Mittelschicht-Menschen, meinte sie, können ein Gehobene-Mittelschicht-Leben führen.

Geschenkt. Aber für mich persönlich steckt mehr Aufregung und Leistung im schneidigen Aufstieg des Mittelschicht-Mädchens, das nicht auf einem Gutshof geboren ist, das keinen College-Abschluss hat und das die ersten Jahre in New York als Kellnerin gejobbt hat.

„Ich weiß sehr wohl, wie es ist, vor dem Geldautomat zu stehen und zu beten, dass noch 20 Dollar auf dem Konto sind – weil du sonst gar nichts abheben kannst“, sagte sie.

Für mich ist diese Geschichte – sich für einen Traum abzurackern, ohne einen Silberlöffel im Mund – die wirklich beeindruckende Biografie der Candace Bushnell.

Gerade in New York eingetroffen, ging sie zunächst zur Schauspielschule und wohnte mit drei jungen Schauspielerinnen zusammen. Diese Phase ihres Lebens speist einen Großteil ihres Schaffens und bildet auch den Grundstock für die Kolumnen, aus denen „Sex and the City“ entstanden ist.

Mittlerweile hat sie einen Roman geschrieben, „Raufschlafen“, in dem die Frauen zynischer sind als die Optimistinnen aus „Sex and the City“. Die Ehe ist darin nur ein beliebig manipulierbarer Rastplatz für die Hauptfigur, Janey Wilcox, die sich später als ehemalige Prostituierte erweist.

Ich erklärte Bushnell, dass ich die Angst nicht ganz verstand, mit der ihre weiblichen Charaktere nach einer glücklichen Ehe strebten. Ich meine, ist das nicht fürchterlich reaktionär?

„Ich glaube nicht, dass sich die Welt so wahnsinnig verändert hat“, erwiderte sie. „Drehen Sie doch einmal den Fernseher auf – all diese Casting- und Reality-Shows –, es ist doch noch immer eine Welt, in der sich Frauen benachteiligt fühlen müssen.“

Ich protestierte: „Meine Freundinnen würden niemals für Geld mit einem Mann schlafen oder ihn gar wegen des Geldes heiraten. Leben wir vielleicht in verschiedenen Welten?“

„Ich höre einer Menge Frauen zu“, erwiderte sie. „Haben Sie noch nie eine Frau gehört, die gesagt hat: ‚Wenn er dich nicht heiraten will, dann werd doch einfach schwanger‘?“

Persönlich habe ich noch nie gehört, dass eine Frau diesen Satz im Ernst gesagt hätte. Vielleicht kann ich deshalb mehr mit der „Sex and the City“-Welt anfangen, der Welt von selbstbewussten, berufstätigen Frauen, als mit den Goldgräberinnen in ihrem Roman.

Bushnell selbst hat sich inzwischen aus dem Singleleben verabschiedet; sie hat kürzlich geheiratet. Ihr Ehemann, Charles Askegard, ist erster Tänzer beim New York City Ballet. „Wir haben uns bei einer Gala des New York City Ballet getroffen“, verriet sie mir mädchenhaft. „Ich bin an einem anderen Tisch gesessen, wir haben zu sprechen begonnen, und ich dachte: Dieser Typ ist so nett und so lustig. Wir haben schon früh gemerkt, dass es etwas Besonderes war. Das spürt man. Wir reden einfach über alles“, seufzte sie glücklich.

Und jetzt ist Schluss mit „Sex and the City“. Warum? In der britischen Presse wurde wild darüber spekuliert, dass die Schauspielerinnen „zu alt“ geworden seien, um sympathisch und sexy zu wirken. Bushnells Antwort: „Das ist eine ziemlich britische Sichtweise. So etwas habe ich noch nie gehört.“ Natürlich sind die Frauen nicht zu alt geworden: „Es ist nie zu spät. Das ist der Punkt. Wir in Amerika glauben daran. In England tun sie das anscheinend nicht.“

Der Grund für das Ende der Serie sei vielmehr gewesen, „dass es sechs großartige Jahre lang gelaufen ist und die Schauspielerinnen unglaublich hart dafür gearbeitet haben“.

„Was ist eigentlich mit den Frauen passiert, auf denen die Charaktere beruhen?“, fragte ich.

„Nur oberflächlich nachempfunden“, korrigierte sie mich. „Ein paar sind verheiratet. Ein paar haben ihre Karriereziele erreicht – und sind glücklich dabei. Die eisernen Junggesellen sind noch immer eiserne Junggesellen und sehen jeden Tag schlechter aus. Ich glaube, es wird immer mehr Frauen geben, die niemals heiraten. Und wissen Sie was? Sie werden nicht unglücklich sein.“

Der gewaltige Topas an ihrem Finger funkelte in der Spätnachmittagssonne, als die Schöpferin von „Sex and the City“ und eines kleinen weiblichen Imperiums bemerkte: „In seinen Vierzigern akzeptiert man sich und sein Leben viel leichter. Man ist fähig, das Glück in sich selbst zu finden.“

„Und was wäre ein Happy End für die Frauen aus ‚Sex and the City‘?“, fragte ich sie und meinte zwischen den Zeilen eigentlich: „Wird eine der Frauen heiraten?“

„Ein Happy End“, meinte Candace Bushnell mit Nachdruck, „wäre es, wenn sie glücklich sind.“

Copyright: „The Sunday Times“