Präsidentschaft

Präsidentschaft: Was gibt’s da zu lächeln?

Was gibt’s da zu lächeln?

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Jeder verstand das feuchte Glänzen in den Augen der Außenministerin, als sie vergangenen Donnerstag im Kreise ihrer höchsten Parteifreunde stand, die sie eben zu ihrer Prima erhoben hatten. Vor 18 Jahren – Heinz Fischer war da schon Minister – hatte sie noch mit Möbelstoffen gehandelt. Vor acht Jahren erst war sie Politikerin geworden. Im Nationalrat hatte Fischer die Neue vom Präsidentensessel aus begrüßt.

Jetzt soll Benita Ferrero-Waldner dieses politische Urgestein weich klopfen – mit den Waffen „Herzlichkeit, Charme und diplomatischer Kompetenz“, wie ÖVP-Wahlkampfchef Reinhold Lopatka schwärmt. Die Hofburg winkt als Lohn. Wie sie das höchste Amt der Republik anlegen würde, ist vorerst aber noch reichlich unklar. „Ich persönlich bin ein Mensch, und ich möchte ein Mensch in der Hofburg sein“, blieb die Kandidatin dort, wo es ihr am wohlsten ist: tief im Unverbindlichen.

Auch am Abend, bei einem Kanzleieröffnungsfest des ehemaligen ÖVP-Generalsekretärs Michael Graff, hielt die Kandidatin den einmal angeschlagenen Ton durch: „Ich möchte ein Mensch bleiben“, verriet sie dem angerückten Team des Wiener Lokalsenders „Radio Arabella“.

Mensch wird die 55-jährige Salzburgerin sicher bleiben, ob sie Präsidentin wird, ist jedoch fraglich:

Laut einer vergangene Woche durchgeführten profil/ISMA-Umfrage würden sich derzeit 50 Prozent der Österreicher für Heinz Fischer entscheiden. Benita Ferrero Waldner liegt bei 29 Prozent. Zwölf Prozent können sich für keinen der beiden erwärmen. Ebenfalls vergangene Woche erhob das OGM-Institut für die Austria Presse Agentur den Vertrauensindex der Kandidaten (Saldo aus „Vertraue dem Kandidaten“ bzw. „Vertraue dem Kandidaten nicht“). Hier lag Fischer mit 43 zu 31 Prozent vorn.

Freilich: Die Kampagnenmaschine des Sozialdemokraten schnurrt bereits seit zwei Wochen, die Ferrero-Leute gehen erst jetzt ans Werk. Die lächelnde Ministerin könnte sich als veritable Wahlkämpferin erweisen. Exvizekanzlerin Susanne Riess-Passer hat Ferrero-Waldners diesbezügliche Fähigkeiten bei einer öffentlichen Regierungs-Show in Salzburg beobachtet: „Sie kann sehr offen auf die Menschen zugehen und mit ihnen reden – obwohl ihr das viele nicht zutrauen.“

Posen und Possen. Die Dentistentochter aus Oberndorf – auf Benita wurde sie nach einer Patientin von Papa Waldner getauft – wirkt in Kampagnen keineswegs scheu. Im Nationalratswahlkampf 1995 etwa warf sie sich gemeinsam mit anderen ÖVP-Damen ins Dirndl und mimte auf einem Tiroler Bergbauernhof ein paar Stunden lang die Sennerin. Die Härten agrarischer Lebensart führten bei der damaligen Staatssekretärin zu politischen Erkenntnissen: „Am wichtigsten wär’ wohl eine Betriebshilfe, oder wie das heißt“, vertraute sie mitgereisten Reportern an.

Anfang Jänner dieses Jahres kreuzte die Außenministerin zur allgemeinen Überraschung im Zielraum des Lienzer Damenslaloms auf, um vor laufenden TV-Kameras die verblüffte Siegerin Nicole Hosp abzubusseln. Dabei habe es sich wohl um einen kleinen Gefallen von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel gehandelt, Mitglied in Ferreros Promi-Komitee, vermutet der Sportsprecher der Grünen, Dieter Brosz. „Werden Sie zu weiteren Rennen eingeladen? Werden Sie die SiegerInnen wieder küssen?“, begehrt Brosz in einer kecken Parlaments-Anfrage nun Auskunft.

In dieser Welt der Gesten, Zeichen und Formen ist Benita Ferrero-Waldner zu Hause. Das Amt der Vizeprotokollchefin im Außenministerium war Anfang der neunziger Jahre ihre erste höhere Funktion gewesen, die Leitung des Protokolls bei UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali ihre erste internationale Weihe.

Protokollfragen blieben ihr auch als Politikerin wichtig. Als die Staatssekretärin 1997 verspätet zur Eröffnung der Bregenzer Festspiele aufkreuzte und keinen Platz in der ersten Reihe fand, forderte sie harsch die Aufstellung eines Klappsessels. „Ich bin eine Gerechtigkeitsfanatikerin“, erklärte sie danach einem Reporter. „Meine Kollegen saßen vorn und ich nicht.“

Auch bei den Vorbereitungen der EU-Präsidentschaft 1998 legte sie größten Wert auf Formen. „Stil und Gediegenheit“ wolle sie zum Motto des österreichischen EU-Halbjahrs machen, meinte sie und verlangte von Wiens Bürgermeister Michael Häupl, er möge während der Gipfeltreffen auf jeder Durchzugsstraße eine Diplomatenspur einrichten. Häupl winkte ab.

Dass Frau Ferrero (Ministeriums-Spitzname: „Fiffi“) sich auf Repräsentation verstehe, räumen selbst die Roten ein. SPÖ-Außenpolitik-Sprecher Peter Schieder: „Im protokollarischen Bereich hat sie ihre Kompetenz bewiesen. Wenn es um heikle Dinge geht, neigt sie aber zu Fehlern.“ Ihr gehe es „vor allem darum, ein Amt schön zu verwalten“, meint ein innerministerieller Ferrero-Skeptiker. Das passe perfekt, heißt es aus der Kampagnenzentrale im ÖVP-Hauptquartier: Umfragen würden ohnehin belegen, dass den Österreichern der Repräsentationscharakter des Präsidentenamtes am wichtigsten sei.

Krach mit Klestils. Beobachter des diplomatischen Treibens rund um den Wiener Ballhausplatz sehen einen Protokollstreit sogar als einen der auslösenden Faktoren ihrer jetzigen Kandidatur. Im Mai 2000 – BFW war gerade drei Monate Ministerin – begleitete sie das Ehepaar Klestil beim Staatsbesuch in die Ukraine. Ferrero-Waldner verlangte barsch, beim abendlichen Diner an den Sechsertisch gesetzt zu werden, an dem die Klestils und die ukrainische Staatsspitze sitzen sollten. Vergeblich: Die Ministerin durfte nur an den Tisch ihres ukrainischen Amtskollegen, während ihre untergebene Beamtin Margot Klestil-Löffler am Präsidententisch dinierte.

Nie wieder begleitete die Ministerin danach den Bundespräsidenten ins Ausland.

In den folgenden Monaten der Sanktionen mauserte sich Ferrero-Waldner, eisern lächelnd, allerdings zur beliebtesten Politikerin des Landes und wurde von Wolfgang Schüssel als mögliche Klestil-Nachfolgerin ins Auge gefasst. Die Bewährung in Sanktionszeiten wird wohl auch die Kennmelodie der Ferrero-Kampagne sein.

Hat Benita Ferrero-Waldner die Qualifikation, die das hohe Amt erfordert? Ihre Bilanz als Außenministerin ist jedenfalls umstritten. „Sie ist für mich keine Politikerin im eigentlichen Sinn, sondern eine Verwalterin“, meint etwa die FPÖ-Europa-Abgeordnete Daniela Raschhofer: „Es fehlt ihr eigenständiges Denken und Eigeninitiative.“ Ein Befund, den viele Außenamtsmitarbeiter teilen. Ihre Abteilungsleiter etwa müssen ihr für jeden Termin genaue „Sprechzettel“ anfertigen. „Wir waren schon etwas verwundert, dass wir diese Mappen immer aufs Neue anlegen mussten“, erinnert sich ein hoher Beamter. „Irgendwann – so dachten wir – sollte sie es doch kapiert haben.“

Selbst dann kann noch ein Malheur passieren: Bei einem ihrer ersten Brüssel-Auftritte als Staatssekretärin las sie versehentlich vor den Journalisten den streng vertraulichen Vermerk vom Blatt ab, dass die EU Kontakte mit der albanischen Extremistengruppe UCK pflege.

Solche Ausrutscher überlagern durchaus anerkannte Leistungen der Außenministerin, etwa in der Zeit des OSZE-Vorsitzes, im Kampf gegen Landminen und Kinderarbeit und in Initiativen gegen den internationalen Frauenhandel.

Durchsetzungskraft bewies sie 1999, als sie ein Veto gegen die Ernennung des deutschen SPD-Politikers Bodo Hombach zum neuen Balkan-Koordinator einlegte. Sie gab erst nach, als der Österreicher Wolfgang Petritsch (SPÖ) Bosnien-Beauftragter wurde. Ihr gewaltiges Pensum – sie absolviert pro Jahr bis zu hundert Auslandsreisen – ringt selbst Kritikern Bewunderung ab. Weniger lobend äußern diese sich über die Ergebnisse: Viel mehr als ein Foto des stets mitreisenden Hof-Lichtbildners schaue oft nicht heraus.

Nachgerade legendär ist der Wankelmut der Ministerin in zentralen Fragen der Außenpolitik. So erklärte sie etwa noch als Staatssekretärin im März 1997 beim traditionellen Diplomaten-Skiausflug die Neutralität einfach für „obsolet“. In der „Presse“ schob sie die Ansicht nach, eine Volksabstimmung zur Abschaffung der Neutralität sei nicht erforderlich.

Schleuderkurs. In ihrem 2002 erschienenen Buch „Kurs halten in einer veränderten Welt“ hieß es noch: „Ich selbst bin bekannt dafür, dass ich seit Jahren für Österreichs Vollbeitritt in die NATO eintrete“ – dies allerdings erst nach einer Volksabstimmung. Vergangenen Donnerstag gab es in einem „Kurier“-Interview eine neuerliche Wende: „Ich stehe nicht mehr auf dem Standpunkt, dass wir NATO-Mitglied werden müssen.“ Wolle jemand die Neutralität abschaffen, „würde ich auf eine Volksabstimmung bestehen“.

Damit wird die Ministerin freilich nicht ihrer ebenfalls in ihrem Buch zitierten Maxime gerecht: „Ein Diplomat muss lernen, im richtigen Augenblick das Passende zu sagen, auf eine Weise, dass es auch über den Augenblick hinaus Bestand hat“, hieß es da.

Auch in anderen Fragen wurden Positionen oft nur kurz gehalten. Journalisten, welche die Ministerin im November 2001 auf einer Reise nach Zentralasien begleitet hatten, erinnern sich an ihre am Vorabend des Afghanistan-Feldzugs der USA geäußerte Ansicht, während des Fastenmonats Ramadan dürfe nicht bombardiert werden. Tags darauf ereilte die Delegation die Nachricht, Kanzler Schüssel habe ein solches Bombardement nicht ausgeschlossen, worauf auch die Außenministerin ihre Meinung flugs revidierte. Tags darauf war sie wieder gegen Bomben im Ramadan.

Nicht untypisch ist die vergangene Woche entbrannte Debatte über das neue Abgeordneten-Statut, das den EU-Mandataren deutliche Gehaltszuwächse bringen würde. Im Außenministerium war bis Dienstag vergangener Woche anfragenden Journalisten stets versichert worden, Österreich werde dem Statut im Rat zustimmen. In der Mittwoch-Ausgabe der „Kronen Zeitung“ ließ sich Benita Ferrero-Waldner plötzlich als heldenhafte Anti-Privilegien-Kämpferin zitieren: „Das kann so nicht beschlossen werden!“ Als dann am Donnerstag die EU-Botschafter in Brüssel über das Statut befanden, kam das einzige klare Nein aus Deutschland. Österreichs Vertreter wollten sich nicht festlegen, sondern neue Zahlen über die Bezüge abwarten.

Die grüne Außenpolitik-Sprecherin Ulrike Lunacek: „Der von ihr so gerne propagierte Weg der Mitte ist in Wahrheit ein Weg der Ziellosigkeit.“

Manchmal wird Benita Ferrero-Waldner auch Unrecht getan. So war ihr während des Ringens um die Freilassung der Sahara-Geiseln von deutscher Seite vorgeworfen worden, sie plaudere Einzelheiten der Verhandlungen aus und gefährde das Leben der Geiseln. Tatsächlich hatte die Außenministerin ihre Vorgangsweise eng mit ihrem Amtskollegen Joschka Fischer abgestimmt gehabt.

Ob solche Detailfragen der Außenpolitik im Wahlkampf überhaupt eine Rolle spielen werden, ist unklar. Fest steht jedenfalls, welches die schärfste Waffe Benita Ferrero-Waldners bleiben wird – nachzulesen in ihrem Buch: „Wer zuletzt lächelt, hat sich durchgesetzt.“