Privatinitiative: Kinder-Hilfe

Kindergartenplätze sind in Österreich recht rar

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Es begann mit einem Problem: Im Frühjahr 1998 entschied die Pfarre St. Karl im 4. Wiener Gemeindebezirk, ihren Kindergarten zu schließen. Die Einrichtung rechne sich nicht mehr, so die Begründung. Man müsse deshalb auch die beiden Betreuerinnen, Frau Edith und Frau Susanne, entlassen.

Für die Eltern, allesamt ambitioniert berufstätig, deren Kinder teils nur noch ein Jahr bis zum Eintritt in die Volksschule hatten, stand damit potenzielles Ungemach im Raum: neue Kindergartenplätze suchen und die Sprösslinge auf verschiedene Einrichtungen aufteilen, falls in der näheren Umgebung überhaupt ein freier Kindergartenplatz zu finden wäre.

Mit dieser Aussicht mochten sich die Eltern nicht abfinden und entschieden sich deshalb für einen unkonventionellen Schritt: Wenn die öffentliche Hand die Kinderbetreuung nicht mehr gewährleiste, so der Grundgedanke, werde man sich eben selbst darum kümmern. Während sonst in solchen Fällen zumeist Klagen über die unerwünschte Situation die einzige Reaktion bleiben, ergriffen die Eltern die Initiative – und beschlossen, einen Kindergarten zu gründen, wodurch auch gleich Jobs für die nunmehr arbeitslosen Betreuerinnen geschaffen werden sollten.

„Wir hatten anfangs keine Ahnung, wie die Sache anzugehen wäre“, sagt Gerhard Schaler, einer der damals betroffenen Väter. „Wir wussten nur, dass wir auf jeden Fall einen Verein gründen müssen.“ Innerhalb weniger Wochen wurde von zwölf Elternpaaren der gemeinnützige Verein Kindergartengruppe Kinder auf der Wieden als neuer Kindergartenbetreiber eingetragen, und im Oktober 1998 übernahm dieser die Aufgaben des früheren Pfarrkindergartens.

Zudem galt es, nahe gelegene und geeignete neue Räumlichkeiten aufzutreiben, gesetzliche Anforderungen zu erfüllen, Ansuchen für Fördergelder zu stellen und die entsprechenden Umbauten und Adaptierungen in die Wege zu leiten. Schon wenige Wochen später öffnete sich die Wohllebengasse 7 für zunächst 15 Kinder.

So einfach, wie die Angelegenheit klingt, war sie indes nicht. Denn die Vorschriften zur Gründung eines privaten Kindertagesheims – diese werden in Landesgesetzen geregelt, wobei in Wien die Magis-tratsabteilung (MA) 11 zuständig ist – sind im Sinne der Kinder äußerst umfangreich.

Zunächst muss der Träger eine natürliche oder juristische Person sein. Laut Gesetz sind weiters für eine Bewilligung „insbesondere das pädagogische Konzept, die erforderlichen Fachkräfte, die Berücksichtigung der Höchstzahl von Kindern in den einzelnen Gruppenformen, die Lage, die Größe, die Anzahl und die Ausstattung der Räume und der sanitären Anlagen“ unabdingbare Voraussetzungen. Ein Finanzplan und Anträge für eventuelle Förderungen sind ebenso notwendig wie Angaben über die fachliche Eignung des Personals und „Überprüfungsbefunde der Feuerungs-, Rauchfang- und Elektroanlagen“.

Expertenteam. Für die Gründungsmitglieder der „Kinder auf der Wieden“ waren diese Hürden dennoch einigermaßen leicht bewältigbar. Denn unter ihnen befanden sich eine Juristin, ein Steuerberater, zwei Architekten, ein Notar und eine Kindergärtnerin, welche über die behördlichen Auflagen „bis hin zur vorgeschriebenen WC-Höhe“ Bescheid wusste.

Auch die finanziellen Erfordernisse wurden von den verhältnismäßig wohlhabenden Eltern vorerst selbst abgedeckt. „Für diese Summen haben wir alle persönlich gehaftet“, sagt Schaler. „Aber die Akquisition der öffentlichen Unterstützung ging dann doch relativ reibungslos über die Bühne, obwohl die Mittel erst später eingegangen sind.“

„Wir sind für jede Art solcher Elterninitiativen aufgeschlossen“, erklärt Gabriela Höpper von der MA 11, „das sieht man auch am Anstieg unserer Kindergartenförderungen.“ Im Jahr 2002 änderte sich die finanzielle Lage allerdings abrupt: Bis dahin hatte der Kindergarten von einer Regelung des Arbeitsmarktservice (AMS) für die Beschäftigung älterer Dienstnehmer – in diesem Fall der Betreuerinnen – profitiert. Doch Anfang 2002 lief dieses Fördermodell aus, wodurch sich ein jährlicher Fehlbetrag von rund 23.000 Euro ergab.

„Wir standen damit vor der Frage, ob wir uns das alles noch leisten können“, sagt Bettina Authried, die heutige Kassierin des Vereins. „Denn ohne diese Förderungen war dieses Projekt eigentlich nicht finanzierbar, vorausgesetzt, man will nicht aus eigener Tasche zuschießen.“ Genau zu diesem Zeitpunkt boten die Wiener Kinderfreunde, einer der größten Kindergartenbetreiber Wiens, an, den Verein zu übernehmen. Im Raum stand gewissermaßen der erste Fall eines „Kindergarten-Takeovers“. Offenbar hatte sich die geglückte Etablierung der kleinen Privatinstitution in der Branche herumgesprochen.

Die Frage war nun: verkaufen oder neuerlich eine Initiative starten, um das Modell selbst weiterzuführen. Authried, die gerade ihre Steuerberatungsprüfung absolviert hatte und deren zweijährige Tochter bereits seit 2001 den Kindergarten auf der Wieden besuchte, sah sich vor folgender Situation: „Die Kinder woanders unterbringen, falls überhaupt ein Platz vorhanden wäre, und das ganze Projekt wäre abermals gescheitert. Ich wollte das alles nicht, deshalb bin ich als Kassier in den Verein eingestiegen.“

Andere Eltern sahen das ähnlich, und wieder formierte sich ein Team, um die Einrichtung weiter zu betreiben. Der Vereinsvorstand hat sich bis auf Gründungsmitglied Schaler im Zuge eines Rotationsverfahrens völlig erneuert.

Zweiter Anlauf. Auch die finanziellen Engpässe wurden bewältigt. Da die AMS-Regelung für die Beschäftigung älterer Dienstnehmer 2002 für den Kindergarten aufgehoben worden war, implementierte der Kindergartenverein ein Altersteilzeitmodell für die Betreuerinnen. Zudem unterstützt die Bezirksvertretung das Projekt mit 1000 Euro pro Jahr, die Stadt Wien schießt jährlich 19.600 Euro zu.

Parallel dazu begannen die Eltern, neue Kunden für ihren Kindergarten zu gewinnen. „Wir haben einfach in der Gegend Zettel aufgehängt“, sagt Authried. Mittlerweile ist aus dem Modellprojekt ein konventioneller, privat geführter Kindergarten geworden, der allen Interessenten offen steht. Zurzeit werden 24 Kids zu Preisen zwischen 174 und 280 Euro monatlich betreut – die Kosten richten sich nach Betreuungsdauer und Leistungsumfang.