Business to Business: Der feine Unterschied

Produktvertrieb: Doppelleben

Wie Unternehmen Firmen- & Privatkunden bedienen

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Inhaber bodenständiger Wirtshäuser müssen durchaus damit rechnen, Besuch von einem „Stiegler“ zu bekommen. Dabei handelt es sich nicht etwa um Mitglieder eines Sparvereins oder gar um eine brancheninterne Bezeichnung für unartige Gäste. Stiegler werden die Niederlassungsleiter der Brauerei Stiegl genannt. Jedes Bundesland verfügt über einen eigenen solchen Vertreter, und seine Aufgabe ist es, die Gastronomie zu betreuen. „Wir schauen uns an, welche Betriebstypen zu uns passen“, erklärt Markus Oberhamberger, Marketingleiter von Stiegl. „Unsere Hauptzielgruppe ist das traditionelle Gasthaus oder Hotel.“

Der Stiegler ist Ansprechpartner vor Ort, legt Angebote und führt die Verkaufsverhandlungen: „Wir gehen ganz individuell auf die Betriebe ein und sehen zu, wo wir ihnen helfen können“, meint Oberhamberger. Auch spezielle Angebote werden ersonnen: Das kann ein eigens entwickeltes Menü sein, bei dem die Speisenfolge aufs Bier abgestimmt ist, oder die Veranstaltung eines rustikalen Frühschoppens, bei welchem dem Wirt alles zur Verfügung gestellt wird, was er für den gelungenen Anstich braucht – vom Ankündigungsplakat bis zum Holzfass. Auf Wunsch wird den Gastronomen auch ein eigenes Hausbier gebraut.

Rund die Hälfte der jährlichen Stiegl-Bierproduktion von mehr als 900.000 Hekto-litern wird mittels direkter Kontakte zu Geschäftskunden wie etwa Gastronomen abgesetzt – Business to Business (B2B), wie dieser Vertriebsweg von Produkten aller Art genannt wird. Um die andere Hälfte der erzeugten Biermenge an den Konsumenten zu bringen, bedarf es statt steter persönlicher Betreuung anderer Faktoren. „Man muss sich um das Listing im Handel kümmern“, nennt Oberhamberger ein Beispiel. „Aber aufgrund der Situation in Österreich hat man in dem Bereich eigentlich nur eine Hand voll Ansprechpartner, mit denen man ein Jahresgespräch führt und neue Produkte und Ideen präsentiert.“ Hinzu kommt vor allem kostspielige Fernsehwerbung, da die Massenkundschaft naturgemäß nicht von Stieglern betreut werden kann. „TV ist das Hauptmedium in unserer Kommunikation“, bestätigt Oberhamberger.

Doppelgleisig. Das Beispiel steht stellvertretend für jene beiden Zielmärkte, welche viele Hersteller von Konsumgütern anvisieren und bedienen müssen: zum einen den B2B-Bereich mit professionellen Geschäftspartnern, zum anderen das deutlich breitere und weniger gezielt erfassbare Segment Business to Consumer (B2C), also den Endverbraucher. Und es demons-triert außerdem, dass gleiche oder sehr ähnliche Produkte mit oft recht unterschiedlichen Strategien an den Abnehmer gebracht werden müssen – und dies betrifft vielfach nicht nur die technischen Mittel und personellen Ressourcen, sondern auch den Anspruch und die grundsätzliche Haltung potenzieller Kunden.

„Ein Geschäftskunde lässt sich nicht auf ein schnelles Abenteuer ein“, meint Hannes Ametsreiter, Marketingvorstand beim Mobilfunknetzbetreiber Mobilkom. Die Zyklen im Business-Bereich seien schlichtweg länger, und die Neukundengewinnung bedürfe entsprechend sorgsamer Vorbereitung. Bei Mobilkom etwa kümmern sich spezialisierte Mitarbeiter um die Teilnahme an Ausschreibungen und die Entwicklung der richtigen Angebote. „Es geht nicht darum, dem Kunden Zusatzleistungen reinzudrücken“, so Ametsreiter. „Man muss versuchen, dessen Geschäftsprozesse zu verstehen, und Lösungen erarbeiten, die seine Effizienz steigern.“

Mittelständische Unternehmen, die nicht auf derartige Profis zurückgreifen können, bedienen sich nicht selten sogar externer Lobbyisten oder PR-Agenten, welche die Entscheidungsträger großer Unternehmen kennen und die nötigen Kontakte herstellen.

Zielgruppenwerbung. „Die Direktansprache ist bei Geschäftskunden enorm wichtig“, unterstreicht Ametsreiter diese Komponente. Allerdings: Nicht immer würden sich die Bereiche B2B und B2C eindeutig trennen lassen. Unter anderem aufgrund der Verschmelzung von Freizeit- und Berufswelt würden auch die Grenzen zwischen den Zielgruppen in manchen Aspekten zusehends verschwimmen. „Denken Sie an ein Produkt wie den Blackberry“, so Amtesreiter. „Er wird zu 70 Prozent im Business-Bereich genutzt, aber Privatkunden verwenden ihn ebenfalls. Deshalb wird er auch im Fernsehen und in Tageszeitungen beworben.“

Zumeist werden für Business-Kunden aber spezielle Werbeinstrumente eingesetzt. So wird ein nicht unbeträchtlicher Teil der immer größeren B2B-Etats für Anzeigen in Fachmedien aufgewendet. Während Elektronikkonzerne wie Sony und Nokia auf jene Wirtschafts- und Computermagazine setzen, die sich vorwiegend an Entscheidungsträger richten, platzieren Unternehmen wie Stiegl und der Fruchtverarbeiter Darbo ihre Inserate in zielgruppenaffinen Medien der Gastronomie und des Lebensmitteleinzelhandels. Auch die Werbebotschaften unterscheiden sich von jenen in Publikumszeitschriften. So will die Salzburger Brauerei mit dem Sujet eines Strichcodes in Stiegenform dem Handel steigende Umsätze dank ihres Produkts suggerieren. Der Endkonsument sieht dagegen in den an ihn gerichteten Inseraten klassische Produktbilder. Darbo wiederum teilt den Gastronomen mit, dass die Gäste „ganz wild“ auf Preiselbeeren seien. Die Werbeaktivitäten müssen aber auch im B2B-Bereich immer im Gleichklang mit der Markenpolitik stehen.

Kundenbindung. So ergeben sich in Bezug auf die Werbelinien für die beiden Geschäftsbereiche Wechselwirkungen: „Die Bewerbung in den Massenmedien wirkt sich imagefördernd auf den B2B-Bereich aus, weil die Entscheidungsträger in diesen Zweigen die Werbebotschaften ebenfalls empfangen“, sagt Darbo-Vorstand Klaus Darbo. „Eine bekannte, mit positivem Image ausgestattete Marke ist auch im Business-Segment ein absoluter Wett-bewerbsvorteil.“

Freilich geht es nicht nur darum, Kunden in beiden Segmenten zu gewinnen, sondern vor allem, sie auch längerfristig zu binden. Schließlich gehen Fachleute davon aus, dass die Akquisition eines neuen Kunden bis zu zehnmal mehr kostet als die erfolgreiche Pflege einer bereits be-stehenden Kundenbeziehung – und Letzteres soll etwa durch regelmäßige Information bewerkstelligt werden. „In unseren News-letters bieten wir neben einem gehörigen Maß an Produktinformationen auch Ser-vice an“, erläutert Alexander Oswald, Marketingleiter von Nokia Österreich, „etwa wo der nächste Nokia-Partner zu finden ist oder wie man selbstständig den E-Mail-Account am Mobiltelefon konfiguriert.“

Steigender Beliebtheit erfreuen sich Kundenmagazine, die einen immer wichtigeren Teil im Marketingmix einnehmen. Vor allem wenn es um erklärungsbedürftige Produkte oder Dienstleistungen geht, gilt die Annahme, dass Inhalte durch so genannte „Corporate-Publishing-Medien“ besser transportiert werden können als durch konventionelle Anzeigen.

Eine sehr rege Verlagstätigkeit auf diesem Feld entwickelt etwa General Motors. Neben dem Privatkundenmagazin „Blitzlicht“, das viermal jährlich über Neuigkeiten informiert, gibt der Konzern auch speziell auf Firmenkunden ausgerichtete Zeitschriften heraus. „Für den Dialog mit den so genannten Flottenbetreibern, für Taxiunternehmen und Fahrschulen haben wir eigene Magazine“, berichtet Markus Lüppens, Marketingdirektor von General Motors Austria.

Getrennte Sparten. Verschieden sind naturgemäß auch die Vertriebsschienen – bei Darbo beispielsweise aus dem Lebensmittelhandel einerseits und den Gastronomie- und Industrieabnehmern andererseits bestehend, wobei der Gastrogroßhandel in diesem Fall die Zustellung an die Gastronomie übernimmt. Die Industrieprodukte wiederum werden vor allem an Großbäckereien und Molkereibetriebe verkauft – etwa Marmelade für Faschingskrapfen und Fruchtmischungen für Joghurts.

Auch bei Automobilherstellern wie Opel gibt es den vom Privatkunden- getrennten so genannten Fleetkundenvertrieb, dessen Mitarbeiter speziell für die Bedürfnisse und Prioritäten der Kunden geschult sein sollen. „Man kann mit einem Großkunden eben nicht genauso umgehen und reden wie mit einem Privatkunden auf Händler-ebene“, so Opel-Manager Lüppens.

Freilich zeigen Studien wie eine aktuelle Erhebung des Beratungsunternehmens Infoteam, dass zwischen Anspruch und Praxis mitunter erhebliche Lücken klaffen – und dass jene, die für Akquisition und Kundenbindung zuständig sind, keineswegs immer den richtigen Ton treffen (siehe Kasten Seite 50).

Maßgeschneidert. Mitunter weichen allerdings auch die Produkte selbst je nach Zielmarkt ein wenig voneinander ab. So bemüht sich Sony Austria seit zwei Jahren, aufgrund von Umsatzeinbußen verstärkt im Business-Bereich Fuß zu fassen. „In einen Bereich einzusteigen, der bislang anderen Herstellern vorbehalten war, ist nicht ganz einfach“, berichtet Andreas Schober, Produktmanager des Elektronikkonzerns. Inzwischen wurden die Notebooks der Vaio-Linie verstärkt auf die Bedürfnisse von Firmenkunden zugeschnitten. Sie unterscheiden sich von den Consumer-Notebooks in verschiedenen Leis-tungsparametern, sind mit dem Betriebssystem Windows XP Professional ausgestattet und werden größtenteils über den Fachhandel vertrieben. Mittlerweile werden 30 bis 40 Prozent des Notebook-Umsatzes mit Geschäftskunden generiert. „Wir präsentieren auf Fachmessen aber auch unsere Consumer-Notebooks, weil der Fachhändler versucht, beides zu verkaufen“, so Schober. „Bestimmte Marken haben sich gefestigt, wir müssen den Leuten zeigen, was wir können.“

Darbo wiederum hat spezielle Konfitüren für Bäckereien kreiert, die auch ausgekühlt noch gelierfähig sind. Und Opel bietet für Großkunden die Modelle Astra, Zafira, Signum und Vectra als eigene Business-Modelle mit besonderen Extras – etwa Basisausstattung für Mobiltelefone mit Bluetooth-Schnittstelle und Navigationssystem. Außerdem hat die Opel-Mannschaft Konzeptlösungen für die unterschiedlichsten Berufszweige im Programm. So lässt sich ein Fahrzeug beispielsweise auf die speziellen Bedürfnisse eines Dachdeckers umbauen.

Aber manchmal kommt es auch anders, als man denkt, wie das Beispiel des Nokia-Handys 5140i zeigt. Ursprünglich für den Outdoor-Sportbereich entwickelt und gestaltet, erfreut sich dieses Modell inzwischen ob seiner Robustheit bei Außendienstmitarbeitern vieler Unternehmen großer Beliebtheit. „Oft ist es schwierig zu sagen, mit welchem Gerät man sich an Unternehmen richtet“, weiß Nokia-Manager Oswald.

Der Privatkonsument jedenfalls kann nur zur Kenntnis nehmen, dass Geschäftskunden eine intensivere Betreuung und pfleglichere Behandlung erfahren. „Die ganz großen Unternehmen werden eben am intensivsten persönlich betreut, aber wir versuchen auch bei kleineren Geschäftskunden einen guten Kontakt aufzubauen“, so Mobilkom-Manager Ametsreiter. „Großabnehmer erwarten und fordern einen anderen Service als Privatkunden, die sich bei Problemen an einen Händler wenden“, bestätigt Sony-Manager Schober.

Von Christina Hiptmayr