Hollywood ruft: Kerry for president!

Protestlauf

Rockstars und Hollywood Stars machen mobil

Drucken

Schriftgröße

Es hat eine Weile gedauert, doch anderthalb Jahre nach Beginn des Irak-Kriegs ist nun auch in der amerikanischen Popszene die Zeit der Diplomatie vorbei: „George W. Bush ist ein erbärmlich schlechter Präsident nach allen Maßstäben, die man nur anlegen kann, egal, ob man ein Republikaner oder ein Demokrat ist“, feuert der sonst auf mehrheitsfähige Beats und Gospel-Samples spezialisierte Plattenmillionär Moby eine freche Salve in Richtung seines Staatsoberhaupts: „Die Unfähigkeit und Arroganz dieser Administration ist beleidigend. Ich glaube, George W. Bush wird als der schlechteste Präsident der letzten hundert Jahre in die Geschichte eingehen.“
Ein historisches Verdienst allerdings, das Bush schon heute keiner mehr absprechen kann, übersieht Moby dabei. Dem umstrittenen US-Präsidenten ist es in einer einzigen turbulenten Amtsperiode gelungen, eine politisch passive Musikergeneration zu einer wahren Renaissance des Protests zu inspirieren. „Politische Apathie ist heute einfach keine Option mehr“, meint Moby.

Chiffrierter Titel. Gemeinsam mit den vom Rapper Chuck D angeführten HipHop-Veteranen Public Enemy hat er aus Anlass der kommenden Olympischen Spiele einen Song komponiert, der mit seiner
Botschaft kaum hinterm Berg hält, auch wenn der ursprüngliche Titel „Make Love Fuck War“ aus Anstandsgründen zu „MKLVFKWR“ chiffriert werden musste.
Moby und Chuck D waren immer schon für politische Stellungnahmen gut, aber mittlerweile hat die Künstlerkoalition gegen die Wiederwahl von George W. Bush auch prominente Verbündete aus dem Lager der bisher Vorsichtigen gefunden, allen voran „The Boss“ persönlich: In seiner Rolle als Konsensfigur der einfachen Leute hatte sich Rockstar Bruce Springsteen stets vor direkten Wahlempfehlungen gescheut. Seiner Entscheidung, gegen Bush Farbe zu bekennen, ging ein Gespräch zwischen Springsteens legendärem Zampano Jon Landau und Kelly Curtis, dem Manager der politisch artikulierten Alternative-Rock-Band Pearl Jam, voraus. Gemeinsam mit den pro-demokratischen Plattformen MoveOn.org und „America Coming Together“ entwickelten die beiden Impresarios die Idee einer landesweiten Konzerttournee, die im Monat vor der Präsidentenwahl am 2. November stattfinden wird.

Fürs Neue wählen. Unter dem unmissverständlichen Motto „Vote for Change“ werden neben Springsteen und Pearl Jam unter anderem Kaliber wie R.E.M., die in den USA äußerst populäre Dave Matthews Band und verdiente Rock-Staatsmänner und -frauen wie Bonnie Raitt, James Taylor und John Mellencamp singend, spielend und protestierend durch zwanzig amerikanische Städte ziehen. Auch die rein weiblich besetzte Country-Band Dixie Chicks wird an dieser musikalischen Wahlkampagne teilnehmen, die tief in die Stammterritorien der Republikaner im Süden und im Mittelwesten vordringen soll – eine mutige Entscheidung, hatten die Texanerinnen vergangenes Jahr doch Furore gemacht,
als eines der Bandmitglieder bekannte, sich zu schämen, aus dem gleichen Staat wie George W. Bush zu kommen. Nur eine öffentliche Entschuldigung konnte damals einen konzertierten Boykott der Dixie Chicks seitens der mehrheitlich konservativen Country-Szene abwenden.
Dieser Zwischenfall hatte genügt, um Anti-Kriegs- und Anti-Bush-Statements in der amerikanischen Musikszene eine Zeit lang fast völlig zum Verstummen zu bringen. Schließlich spielt Radiopräsenz für die US-Charts eine bedeutende Rolle, und das weit gehend über die Playlists der Radiostationen herrschende, von den Bush-Intimfreunden L. Lowry Mays und Tom Hicks geleitete Clear-Channel-Netzwerk versteht in solchen Dingen keinen Spaß. Erst kürzlich geriet ein Auftritt Linda Ronstadts in Las Vegas zum Eklat, nachdem sie dem dissidenten Dokumentarfilmer Michael Moore auf der Bühne einen Song gewidmet hatte.
Selbst eine mächtige Rock-Ikone wie Bruce Springsteen ist sich der Gefahren seiner Parteinahme bewusst: „Mit Sicherheit werden wir dafür eins über die Rübe kriegen“, vertraute der kritische Patriot vergangene Woche der „Los Angeles Times“ an. „Aber ich schreibe nun schon seit 25 Jahren über sehr grundlegende amerikanische Prinzipien. Und es gibt Momente, wo man sagen muss: Dies ist die Zeit, wo du deinen Platz auf dem Spielfeld einzunehmen hast, egal, wie die Würfel fallen mögen."