Purpurne Seilschaften

Purpurne Seilschaften vor der Papst-Wahl

Vatikan. Vor der Papst-Wahl bringen sich Opus Dei, Ordensgemeinschaften und die Kurie in Stellung

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Von Thomas Migge

Das vatikanische Großspektakel ist für Montag, den 11. März, anberaumt: Gekleidet in festliche Messgewänder, werden 116 Kardinäle – ursprünglich waren 117 vorgesehen, einer wird gesundheitlich verhindert sein – in die Sixtinische Kapelle einziehen und dabei den Choral „Veni creator spiritus“ („Komm Schöpfer Geist“) anstimmen. Es ist der Beginn des Konklave, der Wahl eines neuen „Heiligen Vaters“.

Die Kirchenmänner lassen sich bei der Suche nach einem Nachfolger von Benedikt XVI. freilich weniger von göttlichen Eingebungen als vielmehr von knallharten machtpolitischen Interessen leiten. Sofort nach ihrer Ankunft in Rom treffen sich die Kardinäle in Wohnungen oder in so einschlägigen Restaurants wie dem „l’Eau Vive“, das von Missionsschwestern in der Via Monterone betrieben wird. Dort sitzen sie zusammen und beraten die unterschiedlichen Strategien während des Konklaves: Es geht dabei vor allem darum, den Einfluss unerwünschter Kandidaten zu schwächen und den eigenen Favoriten bei anderen Kardinälen anzupreisen. profil gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Pressure-Groups unter den Kardinälen.

1) Opus Dei
Obwohl im Konklave offiziell nur mit einem einzigen Kardinal vertreten, nämlich mit dem Peruaner Juan L. ­Cipriani Thorne, wird die katholische Prälatur auch dieses Mal wieder eine wichtige Rolle spielen. Sie verfügt über viel Geld, Macht und beste Beziehungen nach Spanien, Italien und Lateinamerika. Die in Spanien entstandene Laienorganisation wird sich für einen erzkatholischen Kandidaten im Stile Joseph Ratzingers einsetzen. Thorne selbst wird als „papabile“ gehandelt: Der Erzbischof von Lima ist ein gewandter Diplomat und hat viele Freunde in der römischen Kurie.

2) Die Ordens­gemeinschaften
Unter den wahlberechtigten Kardinälen finden sich vier Salesianer (die Italiener Angelo Amato, Tarcisio Bertone und Raffaele Farina sowie Oscar A. Rodriguez Maradiaga aus Honduras), drei Franziskaner (Carlos Amigo Val­leji, Claudio Hummes und der Süd­afrikaner Wilfried Fox Napier), zwei Jesuiten (der Argentinier Jorge M. Bergoglio und der Indonesier Julius R. Darmaatmadjia) sowie zwei Dominikaner (Dominik Duba und der Wiener Christoph Schönborn). Die Franziskaner werden wahrscheinlich den eher moderaten Kandidaten Gianfranco Ravasi unterstützen, den vatikanischen Kulturminister. Die Dominikaner, ein Teil des Opus Dei und andere Konservative favorisieren hingegen Christoph Schönborn als möglichen Nachfolger für Benedikt XVI.

3) Die römische Kurie
Unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. wuchs ihre Macht innerhalb der Kirche. Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone ist die am heftigsten kritisierte Figur der Kurie. Als „Papa 2“ beschimpfen ihn seine innerkurialen Gegner. Bertone – er gilt nicht als „papabile“ – und seine Freunde unterstützen ausschließlich erzkonservative Kandidaten. Die Kurie selbst ist aber in zwei innere Flügel geteilt: die Süd- und die Norditaliener. Seit unter „Papa Benedetto“ der Neapolitaner Crescenzio Sepe aufgrund undurchsichtiger Machenschaften aus der mächtigen Missionskongregation „Propaganda Fide“ als Erzbischof nach Neapel versetzt wurde, ist die süditalienische Fraktion gegenüber der norditalienischen ins Hintertreffen geraten. Die Norditaliener sympathisieren mit dem Mailänder Erzbischof Angelo Scola und dem Genuesen Angelo Bagnasco, Präsident der italienischen Bischofskonferenz.

4) Katholische ­Organisationen
Die weltweit verbreitete, streng katholische Schönstatt-Bewegung hatte in Benedikt XVI. einen verlässlichen Freund. Kardinal Francisco Javier Errazuriz Ossa, Erzbischof von Santiago de Chile, ist ein Mann dieser Bewegung. Italiens mächtige Laienbewegung „Comunione e Liberazione“, die in den vergangenen Wochen durch die korrupten Machenschaften einiger ihrer politischen Mitglieder für zahlreiche Negativschlagzeilen gesorgt hat, schickt Mailands Erzbischof Angelo Scola ins Rennen, der auch ein Mann Ratzingers ist.

5) Der zurückgetretene Papst
Die Lobby rund um den abgetretenen Joseph Ratzinger ist nicht zu unterschätzen. Auch wenn der Bayer während des Konklaves zurückgezogen in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo leben wird, ist es eher unwahrscheinlich, dass er bei der Wahl seines Nachfolgers nicht mitmischt. „Immerhin handelt es sich ja um die Meinung eines ehemaligen Papstes. Und auf die werden die Kardinäle im Konklave sicherlich ganz besonders hören“, sagt ein Prälat aus dem vatikanischen Staatssekretariat. Ratzingers Favorit ist dem Vernehmen nach der Erzbischof von Mailand, Angelo Scola.

6) Die schwulen ­Kardinäle
Im vergangenen Oktober erhielt Benedikt XVI. den jüngsten Bericht der vatikaninternen Vatileaks-Kommission. Darin war von einer Lobby innerhalb des Kirchenstaats die Rede, deren Mitglieder homosexuell seien. Italiens ­Vatikanexperten sprechen schon seit Langem von einer schwulen Seilschaft im Vatikan, der auch Erzbischöfe und Kardinäle angehören. Ein heikles Thema, zu dem es bis heute nur Andeutungen und Hinweise gibt. Als Lobby im Männerstaat Vatikan könnte die bisher unbekannte Pressure-Group der homosexuellen Kirchenmänner einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Konklave haben.