Quasi Schnattergans - Brenner und kein Ende

Quasi Schnattergans: Der siebte Brenner- Krimi des Sprachkünstlers Wolf Haas

Der siebte Brenner-Krimi von Wolf Haas

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Lang schwieg dieser Maulheld, sechs Jahre war der Sprücheklopfer mausetot. In „Das ewige Leben“ (2003), dem angekündigten Schlussband von Wolf Haas’ anno 1996 initiierter Krimi-Hexalogie rund um den Privatdetektiv und Ex-Polizisten Simon Brenner, verabschiedete sich der sonst so mitteilsame Ich-Erzähler sämtlicher bis dahin erschienener Brenner-Bände infolge eines letalen Pistolenschusses mit monotonem Gestotter. Der Berichterstatter erschien gegen Ende des Romans erstmals in persona: „Das ewige Leben“ endete mit der über 400-fachen Wiederholung der Buchstabenfolge „ding“. Spätestens mit Erscheinen von „Der Brenner und der liebe Gott“, dem neuen, dieser Tage publizierten siebten Teil der Saga, scheint festzustehen: Das „ding“-Gestammel ad infinitum war von Wolf Haas, Österreichs Spitzenkraft des gehobenen literarischen Humors, als Alarm- und Rufzeichen zugleich intendiert.

Unter Brennerologen ist nun großes Rätselraten ausgebrochen: Wo lässt sich dieser jüngste Streich, laut Autor auch während der wochenlangen Lesereise zur Erzählspielerei „Das Wetter vor 15 Jahren“ (2006), Haas’ erstem Nicht-Krimi, entstanden, innerhalb der Brenner-Historie einordnen? Kann der Ich-Erzähler, der seit 13 Jahren und sechs Ermittlungen das so genannte „Haasisch“ („Seelenverwandtschaft Hilfsausdruck“ – „Quasi Schnattergans“) prägt, tatsächlich tot und gleichwohl mopsfidel sein? Weshalb hat sich Haas von dem bewährten Einstiegssatz – „Jetzt ist schon wieder was passiert“ – aller bisherigen Brenner-Romane verabschiedet? „Meine Großmutter hat immer zu mir gesagt, wenn du einmal stirbst, muss man das Maul extra erschlagen“, lässt Haas das nach wie vor grandiose Mundwerk des nur vermeintlich verstorbenen Sprach­organbesitzers im fulminanten Auftakt von „Der Brenner und der liebe Gott“ ­berichten.

In der neuen Folge ist auch sonst einiges anders – und dann wieder nicht. Brenner, auffällig oft „Herr Simon“ gerufen, arbeitet als Chauffeur eines vermögenden Baulöwen, dessen Tochter durch eine Unaufmerksamkeit des ehemaligen Ordnungshüters entführt wird. Was folgt, ist der gewohnt sichere Ritt am Rand des Abgrunds – alles wie gehabt, alles ziemlich fabelhaft: Haas fächert die Teile seines Plots dramaturgisch vorzüglich auf und fügt sie zum idealen Zeitpunkt wieder zusammen; er agiert als umsichtiger, gewitzter Erzähldompteur eines nah am Irrsinn angesiedelten Romanpersonals: In „Der Brenner und der liebe Gott“ wird gemetzelt und gemordet, wobei eine Sickergrube und eine Blutsudelei durch Kopfschuss im Mittelpunkt stehen. Eine nicht unerhebliche Rolle spielt auch ein in den Fäkaliensumpf getauchter Brenner, der dabei eine Begegnung der jenseitigen Art hat.

„Und ich muss auch sagen, bei näherer Betrachtung ist der normale Mensch eine Seltenheit“, so lautet das Fazit des Chronisten der Brenner-Heldensage. „Und falls man ihn einmal trifft, sollte man eher bei ihm nachfragen, wie und warum und wieso.“ Das Idiom des Ich-Erzählers, das Schroffheit und Schwafelei imitiert, wirkt im Vergleich zu den bisherigen Episoden noch ausgeklügelter arrangiert, unter der Oberfläche von Krimi-Suspense und Witz-Spektakel verbirgt sich eine inzwischen perfektionierte Feinmechanik des formal forcierten Erzählens.

Wolf Haas beherrscht das von ihm erfundene Gag-Krimi-Metier in seltener Souveränität, sein Brenner erweist sich seit knapp eineinhalb Jahrzehnten als Erfolgsmodell, das der Schriftsteller mit einigem Recht prolongiert. Eine Million Exemplare wurden vom gesammelten Brenner-Stoff bisher verkauft, „Der Brenner und der liebe Gott“ wurde noch vor Veröffentlichung für die Longlist des Deutschen Buchpreises nominiert. Brenner ist zurück. Die Hoffnung auf Nicht-Brennerisches aus der Schreibwerkstatt des Sprachkünstlers lebt.


Wolf Haas: Der Brenner und der liebe Gott.
Hoffmann und Campe, 224 S., EUR 19,50