Eine Frage der Optik

Schwarz-Blau: Eine Frage der Optik

Schwarz-Blau. Herbert Lackner über das bemerkenswerte Erbe der Regierung Schüssel

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Von der DDR machten sich die Westzeitungen ein klares Bild: graue Funktionärsmäuse, die sich in Pracht-Datschen breitmachten, engstirnige Spießer, wie sie auch diesseits der Mauer sonder Zahl anzutreffen waren. Als der Eiserne Vorhang gefallen war, stellte man überrascht fest, dass alles ganz anders war: Die Bonzensiedlung in Wandlitz war nicht üppiger ausgestaltet als eine burgenländische Jugendherberge, dafür hatten die faden Ostler Desperados der Baader-Meinhof-Gang Unterschlupf geboten.

So kann man sich irren.

Irren kann man auch hierzulande:
Als Wolfgang Schüssel und Jörg Haider im Februar 2000 ihre Regierung besiegelten, befürchteten viele Kritiker einen autoritären Rechtsruck, verschärft durch NS-Verniedlichung und Antimoderne. Tatsächlich wurde in der Zeit der Regierung Schüssel mit konsequenter Restitution von Nazi-Raubgut und Zwangsarbeiterentschädigung begonnen. Und unmoderner als die jetzige Regierung war die damalige auch nicht.

Dafür trat ein, was man in einem Kabinett am wenigsten erwartet hätte, in dem ein Großunternehmer, eine Schlossbesitzerin, ein Autohaus-Sprössling, eine Landadeligen-Gattin und zwei Rechtsanwälte saßen: eine Serie von schwer verdächtigen Vorgängen, deren Aufzählung stets mit dem Hinweis auf die Unschuldsvermutung versehen werden muss.

Dass sich nun neben dem Finanz- und dem Innenminister auch Schüssels Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat dringend zu erklären hat, ist bestürzend: Während sie um einige Millionen eher sinnlose Grippeschutzmasken anschaffen ließ, bezog ihr Göttergatte, der Graf, unauffällig einige hunderttausend Euro vom Lieferantenkonzern. Für "Studien“ zur "Erschließung des südosteuropäischen Marktes“, wie es aus der Lübecker Firmenzentrale im Nordwesten Deutschlands vergangene Woche hieß.

Das ist fast schon wieder lustig (aber: Unschuldsvermutung).

Das alles sei ja eine "schlechte Optik“, aber mehr sei da nicht dahinter, wird in solchen Fällen stets leicht entrüstet argumentiert.

Es war etwa eine "schlechte Optik“, dass Walter Meischberger, der beste Freund des Finanzministers, listig eine Kapitalgruppe beriet, der der Minister gerade 60.000 Wohnungen verkaufte. Dass derselbe Minister später mit einigen hunderttausend Euro im Koffer die schweizerisch-österreichische Grenze überschritt und jetzt partout nicht seine Kontodaten aus Liechtenstein nach Wien verbracht haben will, komplettiert das optisch ungünstige Bild.

Eine besonders schlechte Optik machte der ehemalige Innenminister Ernst Strasser, als er sich vor geheimer Kamera in einem schummrigen Lokal tollpatschig von Undercover-Reportern einer britischen Zeitung kaufen ließ - in der Meinung, einen fetten Kunden an der Angel zu haben.

Optisch ungünstig auch die Zahlungen der Telekom an die früheren Telekom-Minister Hubert Gorbach (265.000 Euro) und Mathias Reichhold (72.000 Euro) nach deren Ausscheiden aus der Regierung: Sie sahen wie ein kleines Dankeschön aus (Unschuldsvermutung!).

Ein Bitteschön deponierten zwei Glücksspielkonzerne. Novomatic etwa überwies 465.000 Euro an eine Firma der Herren Meischberger, Grasser und Hochegger. Dass Grassers Ministerbüro dem Nationalrat 2006 eine dem Auftraggeber sehr sympathische Gesetzesnovelle vorlegte, ist optisch unschön.

Der Konkurrent Casinos Austria versuchte sein Glück auf der Kehrseite von Schüssels Koalition, beim damaligen BZÖ-Spitzenkandidaten Peter Westenthaler, dessen Sekretär - erraten! - eine "Studie“ verfasste. Neun Seiten zum Schnäppchenpreis von 300.000 Euro. Eh schön, fürs BZÖ.

Aber rein optisch ist das alles unterm Hund.

Wolfgang Schüssel verdient angesichts solchen Personals nicht den Sonderpreis für Menschenkenntnis. Dass er KHG noch unlängst in einem ungarischen Rechtskonservativen-Blatt verteidigte ("Ich bin überzeugt, dass mein Finanzminister seine Stellung überhaupt nicht missbraucht hat“), weist überdies auf eine gewisse Verstocktheit hin.

Schüssel hat vom Treiben in und um seine Regierung mit großer Wahrscheinlichkeit nichts gewusst. Vertrauten, die erzählen, er sei in Wahrheit tief enttäuscht, ist durchaus zu glauben.

Einige Monate nach dem Platzen der Buwog-Affäre sagte der Ex-Kanzler in einem profil-Interview: "Ich habe allen in unserer Regierung immer gesagt: Wenn ich einen erwische, der eine Linke macht, dann spielt’s Granada.“ Davor scheinen sich viele in seiner Gefolgschaft nicht wirklich gefürchtet zu haben. Und das ist für ihn vielleicht der schlimmste Schlag.