Elfriede Hammerl

Recht auf Rente

Recht auf Rente

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1. Versorgung, die erste: Nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte wollen Schwule und Lesben aus einem künftigen Lebenspartnerschaftsgesetz ableiten dürfen. Am derzeitigen Entwurf kritisieren sie einen Mangel an Letzteren, zum Beispiel, dass er keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente vorsieht. Die Kritik ist berechtigt. Solange die heterosexuelle Ehe die Absicherung durch eine Witwen- oder Witwerpension inkludiert, ist es ungerecht, sie dem schwulen Witwer respektive der lesbischen Witwe zu verweigern. Allerdings finde ich die Hinterbliebenenrente an sich fragwürdig. Der Rentenanspruch nach dem Tod des Partners oder der Partnerin basiert auf der Idee der patriarchalen Versorgungsehe. Einer verdient den Lebensunterhalt, die andere bleibt daheim und kümmert sich um Haushalt und Kinder. Fällt der Ernährer aus, springt die Rentenversicherung ein. Das heißt, die Solidargemeinschaft der Ernährenden ernährt die Witwen mit.

Mittlerweile gibt es aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit zwar auch eine Pension für den Witwer, aber wegen der sattsam bekannten Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen sichert sie selten dessen Unterhalt, während die Hinterbliebenenrente für Frauen oft von existenzieller Wichtigkeit ist. Der traditionellen Rollenaufteilung wird auf diese Art weiterhin Rechnung getragen; die Hinterbliebenenpension fängt (wenigstens teilweise) auf, was Frauen an Eigenvorsorge vernachlässigt haben, meistens, um sich der Familie zu widmen, manchmal, um – tatsächlich oder angeblich – ganz für einen anspruchsvollen Ehemann da zu sein.

In der Praxis bedeutet das freilich auch: Die nicht Ernährten und nicht Versorgten werden zur Kassa gebeten, um die Weiterversorgung der Ernährten zu gewährleisten. Der unverheirateten Angestellten wird genommen, damit der Witwe gegeben werden kann. Fair?
Nein, es geht nicht darum, eine große Zahl älterer Frauen, die ohne ihre Witwenrente verhungern müssten, ins Elend zu stürzen.
Aber langfristig sollten wir doch wegkommen vom Prinzip der zu versorgenden Hinterbliebenen und in Richtung Eigenverantwortung denken: keine Hinterbliebenenpension, dafür Rahmenbedingungen, die es allen Menschen, sofern sie gesund und leistungsfähig sind, ermöglichen, ausreichend eigene Pensionsansprüche zu erwerben.
Sollte ein anspruchsvoller Ehemann trotzdem auf einer ganztags verfügbaren Frau bestehen oder eine anspruchsvolle Ehefrau auf ganz viel Tagesfreizeit oder eine gut verdienende Ehefrau auf einem Hausmann oder der Ehemann einer gut verdienenden Frau auf einem Hausmann-Dasein, dann sind solche Arrangements privat abzusichern.
Solidarität ist wichtig, wertvoll und nützlich, aber es gilt zu überlegen, wer sie von wem einfordern darf. Rentenansprüche aus der Betreuung von Kindern, Alten oder Kranken sind okay. Aber Rentenansprüche aus dem Umsorgen fitter und fideler Erwachsener sind, seien wir ehrlich, zumindest sonderbar, weshalb die bloße Eheschließung als Kriterium für solche Ansprüche dürftig ist.

2. Versorgung, die zweite: Eine schwer kranke Frau wird von ihrem Ehemann aufopfernd gepflegt. Eine fortschreitende Lähmung hat dazu geführt, dass sie ohne ihn vollkommen hilflos wäre, sie kann nicht einmal einen Bissen selbstständig zum Mund führen. Sie zu betreuen und zu pflegen, ihre Körperfunktionen in Gang zu halten, den vollständigen Abbau ihrer Muskeln zu verhindern und sie nicht verzweifeln zu lassen ist eine Aufgabe, die ihn rund um die Uhr auf Trab hält. Irgendwann konnte er seinen Beruf nicht mehr ausüben, seine Firma kündigte ihn, und von da an ernährte ihn das Einkommen seiner Frau – Minimalpension plus Ausgleichszulage plus Pflegegeld – mit.
So weit, so mühsam.

Aber jetzt kommt’s erst richtig dick: Bisweilen muss seine Frau ins Spital, und für die Dauer ihres Spitalsaufenthalts gibt’s kein Pflegegeld! Die Fixkosten bleiben gleich, nur das ohnehin bescheidene Einkommen reduziert sich – jede Krankenhausbehandlung eine finan­zielle Zitterpartie. Wie lange wird sie im Spital bleiben müssen? Wie lange wird das bisschen Ersparte zur Überbrü­ckung reichen? Soll er sich in der Zwischenzeit einen Job suchen? Was für einen? Für wie lange? (Vermutlich fände er ohnehin keinen, ganz abgesehen von der Zumutung, dass er sich, weil er seiner Frau das Pflegeheim und der Sozialversicherung Pflegeheimkosten erspart, zwischendurch auch noch als Aushilfsarbeiter verdingen soll.) Seit Kurzem kriegt er eine eigene kleine Altersrente. Das beruhigt, einerseits. Andererseits ist das Leben dadurch teurer geworden: Die Kranke bezahlt jetzt Rundfunk- und Rezeptgebühren (sie braucht ziemlich viele Medikamente), und die Wohnbeihilfe wurde gestrichen.

3. Versorgung, die dritte: Eine bekannte Spitzenköchin (ihren Namen verschweige ich taktvoll) verriet kürzlich einer Tageszeitung das Lieblingsdessert ihres Sohnes Ditmar: Panna Cotta.
Früher, sagt die Mama, hat sie sie ihm zubereitet. Doch jetzt sei er 23, „und die Aufgabe hat seine Freundin Christina übernommen“.
Da sind wir aber erleichtert. Ditmars Zukunft gesichert, dessertmäßig. Man mag sich gar nicht vorstellen, was wäre, wenn Christina die Annahme der Panna-Cotta-Stafette verweigert und nach einer anderen Aufgabe gesucht hätte.