Regenbogenhaftung

Homosexualität. Die Kernfamilie boomt - bei Schwulen und Lesben

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Ganz schön bunt hier. Und laut. Matthias muss jetzt nämlich dringend etwas vorführen: „Bagga.“ Breites Grinsen, lautes Krähen. Und hier, bitteschön, ein weiteres Prachtexemplar: „Bagga.“ Das maßstabsgetreue Plastikfahrzeug wird in ein formschönes Plastikparkhaus eingeparkt, bevor es eine steile Plastikrampe hinunterrattert. Wieder Krähen. Nach der Mama. Weil die aber gerade in der Küche steht, um Kaffee zu kochen, probiert es Matthias mit der Mimi, die eigentlich Mami heißt, aber das bringt er noch nicht so gut heraus. Matthias ist gerade zweieinhalb und ein bisschen ungeduldig, es geht schließlich um Autos. „Er ist ein derartiger Klischee-Bub, das ist schon verblüffend“, sagt Matthias’ Mama Miriam, und Matthias’ Mimi Clara nickt: „Mit Traktoren kennen wir uns inzwischen besser aus, als wir uns je hätten träumen lassen.“

Miriam und Clara sind seit vier Jahren ein Paar. (Ihren vollen Namen wollen sie aus Sorge um ihr berufliches Umfeld nicht in profil lesen.) Matthias ist das leibliche Kind von Miriam und einem unbekannten Samenspender aus Dänemark. Clara hat außerdem eine Tochter aus einer früheren Beziehung. Zusammen sind sie eine geradezu modellhafte Regenbogenfamilie – modellhaft im Sinne von: zwischen den Stühlen. Nichts unterscheidet sie von den anderen Familien in ihrem Wohnhaus am Wiener Südrand, mit denen sie sich Garten, Trampolin und Kindergarten teilen, zumindest nichts, was man auf den ersten Blick erkennen würde. Trotzdem fehlt da etwas: Sicherheit. Und es liegt nicht an den handelnden Personen. Als leibliche Mutter ist Miriam juristisch die alleinige Obsorgeberechtigte für Matthias, Clara vor dem Gesetz eine Fremde. Gemeinsame Obsorge? Ausgeschlossen. Adoption? Verboten. „Matthias hat kein Recht auf mich, ich keines auf ihn“, sagt Clara, und Matthias sagt: „Bagga.“

Am Tag nach der Traktorenlehrstunde bei Matthias und seinen beiden Müttern verschickt die Austria Presse Agentur um Punkt 12.04 Uhr eine Eilmeldung: „Österreichische Adoptionsregelung diskriminiert lesbisches Paar.“ Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat entschieden, dass das österreichische Verbot von Stiefkindadoptionen für gleichgeschlechtliche Paare dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Noch am selben Tag kündigt Justizministerin ­Beatrix Karl (ÖVP) an, dem EGMR-Spruch bereits im Frühjahr mit einer Novelle Rechnung zu tragen. Nachsatz: Die reguläre Adoption bleibe selbstverständlich unangetastet, also heterosexuellen Paaren und Alleinstehenden vorbehalten. Warum große Sprünge machen, wenn es ein kleiner Schritt genauso tut? Den ideologischen Hintergrund erläuterte Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer ein paar Tage später via „Standard“-Interview: „Unser Idealbild ist die Familie und bleibt die Familie mit Mutter, Vater und Kindern. Ich warne eindringlich vor Gleichstellung. Denn da wird das Grundbild abgewertet, das man anzustreben hat.“

„Alle Sicherungen rausgehauen"
„Als ich dieses Interview gelesen habe, hat es mir alle Sicherungen herausgehauen.“ Lisa Rücker, Grüne Stadträtin in Graz, eine der wenigen offen homosexuellen Politikerinnen des Landes und selbst Mutter zweier Töchter, versucht, es trotzdem locker zu nehmen. Das gelingt nicht ganz: „Wie es eine derartige Ignoranz den Kindern gegenüber geben kann, ist mir unerklärlich. Da wird argumentiert, als gäbe es diese Kinder nicht. Aber: Es gibt sie. 70 Prozent aller lesbischen Beziehungen in Österreich haben Kinder. Das kann ich doch nicht ignorieren! Zum Glück denkt die Bevölkerung mehrheitlich wesentlich fortschrittlicher als Teile der politischen Klasse. Meine ältere Tochter hat in der Schule zum Beispiel weit mehr blöde Sprüche abbekommen, weil ich Verkehrsstadträtin war als wegen der Tatsache, dass ich mit einer Frau zusammenlebe.“ Die seriöse Meinungsforschung stützt Rückers subjektiven Eindruck. In einer profil-Umfrage vom 23. Februar sprachen sich 57 Prozent der Österreicher für ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare aus, nur 35 Prozent dagegen.

Politisch wird trotzdem munter weitergebremst. Selbst wenn nun – auf Druck des EGMR – die Stiefkindadoption auch in Österreich eingeführt wird und Clara damit auch amtlich Matthias’ Mami werden darf, bewegt sich der Gesetzgeber allenfalls mit Minimundusschritten. Apropos: Als einem lesbischen Paar mit ­Kindern im vergangenen Juni das Familienticket zur Klagenfurter Modellbau-Attraktion verweigert wurde und deren Geschäftsführer Hannes Guggenberger das mit amtlichen Familiendefinitionen rechtfertigte, empörte er damit zwar die halbe Nation, bewegte sich aber ganz im Rahmen der heimischen Rechtsmeinung – mit dem Unterschied, dass Guggenberger kurz darauf einlenkte: „Ich bedaure diesen Vorfall zutiefst, es war ein Unfall, ein Missstand. Shit happens.“
Und zwar gleichermaßen recht- wie regelmäßig. Im europäischen Vergleich erweist sich Österreich als notorisches Schlusslicht in Sachen Homosexuellen-Gleichstellung. Vor allem die Familiengründung bleibt für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich ein Hindernisparcours. Im Partnerschaftsgesetz wird explizit ausgeschlossen, dass eingetragene Partner Kinder adoptieren (was dazu führt, dass viele gleich­geschlechtliche Paare vor einer Verpartnerung zurückschrecken). Gleichzeitig wurde im Fortpflanzungsmedizingesetz ­festgeschrieben, dass eine künstliche Befruchtung „nur in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft von Personen verschiedenen Geschlechts“ zulässig sei. Strafandrohung, auch für Beihilfe: bis zu 36.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 14 Tagen.

Verbaute Wege, geöffnete Hintertüren
Pflegeelternschaften wiederum sind zwar rechtlich keineswegs ausgeschlossen, werden aber länderspezifisch unterschiedlich gehandhabt, was dazu führt, dass Wien explizit um homosexuelle Pflegeeltern wirbt und Niederösterreich in einem beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fall sogar einer Kinderkrankenschwester und ­einer Jugendsozialpädagogin die Pflegeelternschaft verweigerte. Auf der zuständigen Bezirkshauptmannschaft beschied man den Frauen, sich doch besser als Alleinstehende zu bewerben oder alternativ ihren Hauptwohnsitz nach Wien zu verlegen.

Die Wege zum Kind sind weitgehend verbaut, Hintertüren werden geöffnet. Sie führen zu Adoptionsanträgen angeblich Alleinstehender, entwürdigenden Do-it-yourself-Befruchtungsversuchen mit der notorischen „Bechermethode“ oder – die nötigen Barmittel vorausgesetzt – zu Samenbanken in liberaleren europäischen Ländern wie Deutschland, Tschechien oder Dänemark. „Die Atmosphäre ist dort sehr angenehm“, berichtet eine lesbische Frau aus Wien, die anonym bleiben möchte, über ihre Erfahrungen in der Nordic Cryobank in Kopenhagen. „Man wird für die Prozedur in eine Art Wohnung geführt, bekommt eine Entspannungsmassage. Alles sehr clean. Wir haben uns für einen offenen Spender entschieden, von dem uns nur ein Code-Name bekannt ist. Wenn unsere Tochter einmal volljährig ist, hat sie die Möglichkeit, ihren biologischen Vater persönlich kennen zu lernen. Wir, als ihre Eltern, haben aber keinen Zugang zu ihm.“

Rechtlicher Graubereich
Genau das kommt für Jules Brückler und Tanja Sanchez nicht in Frage. Die beiden Wienerinnen engagieren sich in der „Kinderwunsch“-Gruppe des Vereins Famos (Familien Andersrum Österreich) und planen gerade ihren persönlichen Weg zur Andersrum-Familie. Sanchez: „Der Samenspender soll kein bloßer Lieferant sein. Wenn wir uns für diesen Weg entscheiden, soll er auch am Leben des Kindes teilhaben. Wie das Kind diese Person sehen würde – als Vater, Freund oder Bekannten –, wollen wir ihm selbst überlassen.“

Nach derzeitigem Gesetzesstand führt dieser Weg für Brückler und Sanchez in den rechtlichen Graubereich. Künstliche Befruchtung bleibt für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich verboten. Aber auch in dieser Frage könnte sich bald etwas bewegen: Der Verfassungsgerichtshof behandelt im Moment einen Antrag des OGH, die künstliche Befruchtung auch lesbischen Paaren und alleinstehenden Frauen zu erlauben – nicht zuletzt im Hinblick auf einschlägige Entscheidungen des EGMR, der das Recht, „ein Kind zu bekommen und sich zur Erfüllung des Kinderwunsches die Errungenschaften der Fortpflanzungsmedizin zunutze zu machen“, zu den geschützten Rechten laut Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) zählt.

Die Bioethikkommission des Bundeskanzlers riet dem VfGH im Vorjahr zu einer Entscheidung im Sinne des OGH-Antrags, da „im Einklang mit dem Stand der Forschung (anzunehmen ist), dass für die Entwicklung eines Kindes nicht bedeutend ist, ob es bei einem Elternteil, in einer gleichgeschlechtlichen oder in einer verschiedengeschlechtlichen Partnerschaft aufwächst“.

Die Juristin Stephanie Merckens, Lebensschutzbeauftragte der Erzdiözese Wien und Mitglied der Bioethikkommission, wollte sich dem Votum ihrer Kollegen nicht anschließen. „Das Fortpflanzungsmedizingesetz hat eine therapeutische Grundlage. Menschen, die eine körperliche Fehlfunktion haben, sollen dabei unterstützt werden, ein Kind zu bekommen. Wenn ich das für Homosexuelle zulasse, verlassen wir den therapeutischen Ansatz und gehen in Richtung wunscherfüllende Medizin. Und dann kommt über kurz oder lang auch die Leihmutterschaft.“ Auch die Entscheidung des EGMR zur Stiefkindadoption hält Merckens für falsch. „Ich möchte niemandem verbieten, sich um Kinder zu kümmern, und ich möchte niemandem die Kompetenz dazu abstreiten. Aber es gefällt mir nicht, dass damit immer eine ideologische Frage verbunden wird, nämlich das Nivellieren der Geschlechtsunterschiede. Was wir hier erleben, ist wohl eine Reaktion auf Verletzungen, die in der Vergangenheit passiert sind und die nun überkompensiert werden.“ Sprich: Die jahrhundertelange Diskriminierung von Homosexuellen werde heute auf dem Umweg über die Familienpolitik gerächt. Für das Kindeswohl dagegen sei es zweifellos das Allerbeste, wenn Vater und Mutter ihre traditionelle Rolle ausübten. „Daran gibt es keinen Zweifel.“

Unbegründete Befürchtungen
Gibt es sehr wohl. Genauer: Es gibt ­keinen Zweifel daran, dass es für die kindliche Entwicklung unerheblich ist, welches Geschlecht die nächsten Bezugspersonen haben. Zahllose Studien zu dem Thema wurden bereits publiziert, zuletzt Anfang März eine Untersuchung der University of Cambridge. Die Autoren fanden keine Hinweise darauf, dass die Entwicklung der Kinder von der sexuellen Ausrichtung ihrer Eltern beeinflusst wird. Susan Golombok, die Direktorin des Centre for Family Research in Cambridge, erklärte dem Londoner „Independent“ gegenüber: „Befürchtungen, dass Kinder mit schwulen Vätern negative Auswirkungen erleiden, sind unbegründet.“ Eine Studie des deutschen Staatsinstituts für Familienforschung kam 2009 zu einem ähnlichen Schluss: „Insgesamt unterscheiden sich Kinder und Jugendliche aus gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften nur wenig – und wenn, dann eher in positiver Weise.“ Das italienische Höchstgericht in Rom urteilte Anfang Jänner zugunsten der gemeinsamen Obsorge gleichgeschlechtlicher Paare, weil die Ansicht, dass homosexuelle Eltern dem Kindeswohl abträglich seien, „nicht auf wissenschaftlichen Gewissheiten“, sondern auf reinem Vorurteil basiere. Die Wiener Familientherapeuten (in Ausbildung unter Supervision) Vanja Rusnov und Markus Daimel, die in ihrem Institut regelmäßig mit Regenbogenfamilien arbeiten, erklären das so: „Kinder suchen sich ihre Rollenmodelle auf unterschiedlichste Art. Dafür können Eltern gut sein, Lehrer, Gleichaltrige oder Justin Bieber. Und sozialer Druck von außen spielt in dem Zusammenhang eine ähnliche Rolle wie Hänseleien ganz allgemein. Die gehören dazu. Wenn es nicht die zwei Väter wären, wäre es die komische Brille oder die große Nase. Wichtig ist, dass in der Familie darüber offen gesprochen wird.“

Die Argumente der Verfechter eines traditionellen Familienbilds sind verständlich, werden aber durch die Tatsachen widerlegt. Einerseits: Ja, die Institution Familie wankt. Die Wiener Rechtsanwältin Doris Einwallner sieht im EGMR-Urteil auch Anlass, „die Frage nach der Elternschaft endlich neu zu beurteilen. Biologische Elternschaft kann ersetzt werden. Für heterosexuelle Paare ist das ja bereits gesetzlich verankert: Bei einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung mittels Samen eines Dritten wird der Ehemann oder Lebensgefährte als Vater anerkannt, obwohl er es biologisch nicht ist. Und nun sagt der EGMR: Auch zwei Frauen können gemeinsam Eltern sein.“ Und was für welche.

Hier folgt das Andererseits. Die Recherche unter Regenbogenfamilien stärkt einen Eindruck, den Fachleute bestätigen: In den wenigsten Hetero-Beziehungen wird Familie so traditionell gelebt wie unter gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kind. Den Befürchtungen der Kernfamilienverfechter fehlt, wenn es um die zentralen Werte des Familienbegriffs geht, der Boden. Die Grazer Grüne Lisa Rücker formuliert es so: „Eigentlich sind Regenbogenfamilien ja zum überwiegenden Teil ÖVP zum Quadrat.“ Das kann auch irritieren. Die feministische Literaturwissenschafterin Barbara Vinken zeigte sich gegenüber der Berliner „taz“ geradezu entrüstet: „Mir ist diese Sehnsucht nach der Ehe, der Kampf für das Recht auf Heirat, für die sich im Moment nur noch die Homosexuellen zu interessieren scheinen, unerklärlich. Ich verstehe dieses Begehren nach Mimikry an die heile Kleinfamilie, Vater, Mutter, Kind, nicht.“ Aber auch das nicht minder traditionelle Modell Großfamilie wird in diesem Kontext wieder akut. Die Therapeuten Vanja Rusnov und Markus Daimel beobachten: „Interessanterweise tendieren homosexuelle Paare oft zu einem großfamiliären Modell, in dem Großeltern, Onkel und Tanten, aber auch Freunde intensiv eingebunden werden.“

Auch für den kleinen Modellautofan Matthias spielt sein Großvater eine wichtige Rolle. Und die Taufpaten, männliche wie weibliche. Und der Exmann seiner nicht leiblichen Mutter Clara, leiblicher Vater seiner Halbschwester. Mama und Mimi sowieso. Alle sind sie Teil seiner Familie, und dass sich das für Außenstehende manchmal ein bisschen komplizierter anhört als Vater, Mutter, Kind, scheint ihn nur wenig zu beeindrucken. Eigentlich egal. Hauptsache: „Bagga.“

„Es ist ein Weg der sehr kleinen Schritte“
Sissi Kettl und Barbara Schlachter-Delgado, Sohn Theo

„Viele Länder, sogar katholisch geprägte südamerikanische, sind weit liberaler als Österreich“, seufzt die Radiojournalistin Barbara Schlachter-Delgado: „Es ist ein Weg der sehr kleinen Schritte.“ Den größten Schritt setzten Schlachter und ihre Lebensgefährtin, die Architektin Sissi Kettl, vor mehr als vier Jahren. Damals kam Theo – gezeugt per privater Samenspende – zur Welt. Zwei Jahre später gründeten Schlachter, Kettl und andere lesbische Mütter den Verein Famos (Familien Andersrum Österreich): „Damit die Kinder Kontakt zu anderen Kindern aus Familien mit zwei Müttern haben. Damals wurde der Familienwunsch von gleichgeschlechtlichen Paaren in der Öffentlichkeit und in der Politik noch viel zu wenig thematisiert. Das Thema ist erst in letzter Zeit groß geworden.“ Auch der kleine Theo interessiert sich schon für diese Fragen. „Er hat uns natürlich schon gefragt, warum er keinen Papa hat. Wir haben ihm dann mittels eines eigens dafür gestalteten Buchs erklärt, dass er eben zwei Mamas hat und es einen sehr lieben Mann gab, der seinen Samen dafür hergegeben hat, dass wir ihn bekommen durften.“ Theos Kommentar dazu? „Er hat uns gefragt, ob der Mann jetzt keinen Samen mehr hat.“

„Solange Schwule lustig und schrill sind, funktioniert die Toleranz“
Werner Röck und Daniel Drexler

Seit fünf Jahren sind Werner Röck und Daniel Drexler ein Paar. Den eigenen Kinderwunsch hat der angehende Sozialarbeiter Röck auch in seiner Bakkalaureats-Arbeit an der Fachhochschule Wien thematisiert. Ihr Titel: „Schwule Väter“. Die Kurzfassung: „Es ist für schwule Männer im Gegensatz zu lesbischen Frauen viel schwerer, sich zu ihrem Kinderwunsch zu bekennen, da zum einen die Mutterrolle automatisch den Frauen zugeschrieben wird und es zum anderen für Männer schon einmal biologisch unmöglich ist, ein Kind auszutragen.“ Röck selbst muss immer wieder erleben, wie sein Wunsch nach einer eigenen Kleinfamilie auf Befremden stößt. „Österreich gibt sich nach außen hin sehr offen und liberal gegenüber Homosexualität, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Life Ball. Solange Schwule lustig und schrill sind und auf Partys tanzen, funktioniert diese Toleranz ganz gut. Aber sobald es um Dinge wie Familienplanung geht, stößt man auf Unverständnis“, erklärt Röck, der selbst eine Pflegeelternschaft in Betracht zieht. Er muss nicht der leibliche Vater seiner Kinder sein. Viel eher würde er sich wünschen, dass „zukünftig die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern bei solchen Pflegschaftsverfahren gut und unproblematisch über die Bühne läuft.“

„Das österreichische Familiengesetz ist von ­vorgestern“
Leo E. Walkner

Von seiner Umwelt fühlt sich der homosexuelle Familientherapeut Leo Walkner nicht diskriminiert, sehr wohl aber von der Politik. „Es ist schockierend, welche Äußerungen sich gewisse Politiker – vor allem von der ÖVP – leisten. Das österreichische Familiengesetz ist von vorgestern und zeigt, dass die Gesellschaft noch nicht so weit ist. Der Sprung ins 21. Jahrhundert ist noch nicht geglückt“, ärgert sich der aus Graz stammende Walkner. Seit neun Jahren lebt er in einer Beziehung, seit drei Jahren wird der Kinderwunsch intensiv verhandelt. Einerseits käme eine Pflegeelternschaft infrage, andererseits suchen Walkner und sein Partner ein lesbisches Pärchen mit Kinderwunsch, mit dem sie gemeinsam leibliche Kinder zeugen und aufziehen wollen. „Da bewegt man sich rechtlich in einem Graubereich. Ich hoffe aber, dass zumindest bei der Stiefkindadoption endlich ein Schritt nach vorn gelingt. Es kann ja nicht sein, dass Kinder aus gleichgeschlechtlichen Beziehungen diskriminiert werden“, so Walkner. Auch eine Leihmutterschaft wurde angedacht, jedoch wieder verworfen, da dies in Österreich zu kompliziert erscheint. „Wir kennen Pärchen, die durch eine Leihmutterschaft Väter werden konnten. Jedoch ist das gesetzlich in Österreich nicht möglich, sie mussten dazu ins Ausland fahren. Es war ein sehr langwieriger und komplizierter Prozess“, erzählt der Familientherapeut.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.