04_hammerl_42

Reife Leistung

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Eine Frau kriegt einen Preis und bedankt sich. Zuerst bedankt sie sich bei denen, die den Preis gestiftet haben. Gut. Dann bedankt sie sich bei der Jury, die ihr den Preis zugesprochen hat. Okay.

Eine Frau kriegt einen Preis, den verdankt sie ihren preiswürdigen Leistungen, auf die sie stolz sein könnte, aber die Frau ist bescheiden.
Sie bedankt sich weiter.

Jetzt bedankt sie sich bei ihrem Mann. Das kennen wir von all den Männern, die sich bei ihren Frauen bedanken, zum Beispiel dafür, dass die Frauen ihnen die preisgekrönte Arbeit sauber in den Computer getippt und all die Zeit über nie verlangt haben, der Mann möge seine bedeutenden Tätigkeiten unterbrechen, um den Mistkübel runterzutragen.

Die bedeutende Frau bedankt sich aber bei ihrem Mann nicht fürs Tippen und nicht fürs Mistkübelruntertragen, sondern für sein Verständnis, seine Unterstützung (seelisch) und seine Ermutigung, ohne die sie ihre herausragende Leistung nie und nimmer hätte erbringen können.

Wir hören ergriffen zu und gewinnen den Eindruck, dass die herausragende Leistung in erster Linie ein Produkt seines Wohlwollens ist, hätte er eine andere Person ermutigt, hätte die wahrscheinlich genauso toll gespurt. Ein Glück für die Frau, dass ihr Mann sich entschlossen hat, unter all den infrage kommenden Personen ausgerechnet sie durch Ermutigung zu fördern.

Die Frau bedankt sich inzwischen bei ihren Kindern, auch sie enorm geduldig und verständnisvoll und somit Teilhaber an ihrer Auszeichnung.

Ist ja wahr. Die Kinder hätten sie schließlich genauso gut an den Kühlschrank ketten und darauf bestehen können, dass gefälligst sie selbst die von ihr vorbereiteten Mahlzeiten serviert statt des Au-pair-Mädchens.

Wir versinken ein bisschen in erschöpftes Dösen. Die Frau hat sicher noch eine lange Liste von Personen herunterzubeten, denen sie dankbar ist oder vielmehr Dank schuldet, wie sie es ausdrücken würde: Papa und Mama, die an sie geglaubt haben (statt ihr zu sagen, dass sie sich ihre Einser in Physik und Chemie und Biologie an den Hut stecken soll?), Lehrer und Lehrerinnen, die ihr Interesse an der Wissenschaft geweckt haben (statt es abzutöten, wie es ihre Aufgabe gewesen wäre?), ihrem Förderer an der Universität, der nicht der Meinung war, dass Frauen lieber Erdäpfel schälen sollen, als teilchenphysikalisch zu forschen ... Und so weiter.

Ja, schon klar, ohne Förderung läuft wenig, ein unterstützendes Elternhaus, gute LehrerInnen, anständige Vorgesetzte, ein kooperativer Partner und unkomplizierte Kinder sind ein Glück und erleichtern das Leben und tun der Arbeit und dem Vorankommen gut.

Und selbstverständlich wäre es befremdend, wenn die Frau stolzgeschwellt aufs Podium geklettert wäre und sinngemäß gesagt hätte: Find ich höchste Zeit, dass ich diesen Preis endlich kriege, schließlich bin ich wirklich gut, und ihr könnt euch alle verstecken neben mir.

So natürlich nicht. Aber warum diese Bescheidenheit und nichts als Bescheidenheit? Warum macht sich die Frau so klein? Warum will sie uns suggerieren, im Grunde seien ihre herausragenden Leistungen auf dem Mist ihrer Kinder gewachsen (deren intellektuelle Ausstattung, nebenbei bemerkt, zeigt, wie kompliziert Vererbung ist) sowie auf dem ihres Mannes, der nichts weiter getan hat, als sie nicht zu bremsen?

Ja, gut, es gibt auch Männer, die sagen in solchen Fällen, ohne ihre liebe Frau und ihr aufopferndes Bemühen, sie abzuschirmen gegen die Anfechtungen des Telefons, und ihre Bereitschaft, einsame Abende hinzunehmen, hätten sie nie und nimmer zustande gebracht, was sie zustande gebracht haben – aber irgendwie klingt da meistens ein Augenzwinkern durch, und auch die Zuhörer sind sich in der Regel einig: Er ist nett zu ihr, aber wir wissen, was von ihrem angeblichen Beitrag zu halten ist.

Im Fall der sich bedankenden Preisträgerin drängt sich der Verdacht auf, dass die ZuhörerInnen keineswegs relativieren, sind doch viele durchaus der Meinung, dass es ganz schön egoistisch war von ihr, sich auf herausragende Leistungen zu konzentrieren, statt die Neugestaltung des häuslichen Wohnzimmers in Angriff zu nehmen.

Eine Frau kriegt einen Preis und schließt ihre Danksagungen jetzt mit einem wichtigen Hinweis. Sie ist stolz darauf, sagt sie, diesen Preis nicht als Frau, sondern als Wissenschafterin in Empfang nehmen zu dürfen, weil das beweist, dass Tüchtigkeit sich durchsetzt, unabhängig vom Geschlecht, und dass wahre Leistung gewürdigt wird auch ohne Quote und dass Frauen alles erreichen können, wenn sie nur wollen.

Wir rappeln uns auf aus unserer Ermattung und gratulieren der Preisträgerin und freuen uns mit ihr. Schön, dass sie es so weit gebracht hat, indem sie wusste, was sie wollte, nämlich die richtigen Eltern und die richtigen Lehrer und vor allem den richtigen Mann und die richtigen Kinder, um einen richtigen Preis zu kriegen ...

Moment! Braucht es nun Rahmenbedingungen zum Vorwärtskommen oder nicht? Falls ja: warum Männer und Kinder, aber keine Quote?

Die Preisträgerin ist nicht in Grübellaune, sie ist, sagt sie, glücklich, eine Frau zu sein.

Da sind wir glücklich, dass sie glücklich ist, denn sie wird ihre Glückshormone brauchen, wenn sie erfährt, dass sie auf dem Dreiervorschlag für den Lehrstuhl, um den sie sich beworben hat, nicht draufsteht.

Aber das hat Zeit. Jetzt: Schampus her!