Rentenplanung

Rentenplanung: Zurück zur Klassik

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Wenn selbst Fachleute vor der Komplexität der Materie kapitulieren, müssen sich Durchschnittsbürger für Wissenslücken nicht schämen. "Ich kenn mich da noch nicht im Detail aus, da müssen Sie die Experten bei uns im Haus fragen", meinte beispielsweise kürzlich der Generaldirektor eines Versicherungsunternehmens, als er am Rande einer Pressekonferenz auf die neue, geförderte Zukunftsvorsorge angesprochen wurde.

Kaum ein Thema im Bereich der finanziellen Vorsorge wurde in den vergangenen Wochen heftiger debattiert als die zahlreichen Varianten, die Anlegern derzeit offen stehen, für eine private Zusatzpension anzusparen. Und immer wieder wurden dabei Neuerungen oder Änderungen bestehender Regelungen bekannt, die wohl auch zur Verunsicherung der Konsumenten beitragen - etwa die jüngst amtlicherseits verordnete Senkung des Garantiezinssatzes für Lebensversicherungen oder die durchgesickerte Absicht, den staatlichen Zuschuss für Bausparen und die so genannte prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge ab kommendem Jahr um einen halben Prozentpunkt zu reduzieren.

Ein Gutteil der Österreicher scheint mittlerweile jedenfalls davon überzeugt zu sein, dass die staatliche Pension allein in vielen Fällen nicht ausreichen wird, um einen finanziell einigermaßen sorgenfreien Ruhestand zu gewährleisten. Eine vom Meinungsforschungsinstitut Gallup im Mai im Auftrag der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien durchgeführte Umfrage zeigte unter anderem, dass 54 Prozent der 40- bis 60- Jährigen glauben, dass die aktuelle Pensionsreform nicht in der Lage sein wird, das staatliche Rentensystem für den Zeitraum der nächsten zehn Jahre zu sanieren. 65 Prozent zweifeln daran, dass es in 20 Jahren noch Bestand haben wird.

Hitliste. Das Meinungsforschungsinstitut Fessel-GfK erhebt vierteljährlich ein Stimmungsbarometer der Spar- und Anlageformen: Traditionell rangiert das Bausparen mit großem Abstand an erster Stelle der Beliebtheitsskala. Derzeit halten 57 Prozent der Österreicher Bausparverträge für "besonders interessant". Bei Lebensversicherungen trifft dies auf 35 Prozent der Befragten (die jeweils mehrere Anlageformen nennen konnten) zu, für 30 Prozent ist der Kauf von Immobilien überlegenswert. 29 Prozent schwören trotz niedriger Zinsen immer noch auf das klassische Sparbuch. Erstmals erhoben wurde die Beliebtheit der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge, die auf Anhieb von 20 Prozent der Befragten als "besonders interessant " eingestuft wurde und damit bereits gleichauf mit Investmentfonds (20 Prozent) und vor Aktien (zehn Prozent) sowie Gold (acht Prozent) rangiert.

Die Marktentwicklung des ersten Halbjahrs 2003 bestätigt tendenziell die Umfrageergebnisse. So haben bei Wüstenrot heuer bisher 10.000 Kunden die prämienbegünstigte Vorsorge abgeschlossen - und doppelt so viele eine klassische Lebensversicherung. Die Kunden der Wiener Städtischen Versicherung unterzeichneten während der ersten sechs Monate des laufenden Jahres rund 22.000 Verträge für die staatlich geförderte Zukunftsvorsorge. Für das zweite Halbjahr erwartet Städtische- Generaldirektor Günter Geyer noch eine Verstärkung dieses Trends. Deutliche Zuwächse von 18,9 Prozent konnte die Wiener Städtische jedoch auch im klassischen Lebensversicherungsgeschäft sowie bei Verträgen mit Einmalerlag (plus 12,6 Prozent) verzeichnen.

In der öffentlichen Wahrnehmung sind beide Lebensversicherungsvarianten - Einmalzahlung beziehungsweise laufende Prämienleistung - allerdings aufgrund der zurzeit intensiven Thematisierung der staatlich geförderten Prämienpensionen ein wenig in den Hintergrund getreten, obwohl viele der üblichen Lebensversicherungsprodukte in vielerlei Hinsicht weiterhin beträchtliche Vorteile haben. Dabei gibt es grundsätzlich drei Kategorien derartiger Versicherungen, die der Altersversorgung dienen können:

Bei Rentenversicherungen wird am Vertragsende eine angesparte Versicherungssumme, die durch Gewinnbeteiligungen maximiert sein sollte, in Form von regelmä ßigen Rentenzahlungen ausgeschüttet. Dabei kann sowohl eine lebenslange als auch eine befristete Auszahlung vereinbart werden. Als Ablebensversicherung ist die Rentenversicherung jedoch nur bedingt geeignet, weil für den Fall des Ablebens vor dem Rentenzahlungsbeginn meist nur die Rückerstattung der eingezahlten Beiträge mit einer relativ geringen Verzinsung vorgesehen ist. Zu beachten ist weiters ein Passus, der vielen Versicherten vermutlich gar nicht geläufig ist: Die lebenslange Rente kann zwar auch durch eine einmalige Kapitalablöse ersetzt werden, ist dann allerdings nicht mehr steuerfrei - abgesetzte Beträge müssen zu 30 Prozent rückerstattet werden. Bei Kapitalversicherungen wird die Versicherungsleistung in Form einer vereinbarten Summe zuzüglich prognostizierter Gewinnbeteiligung ausgezahlt. Diese Form ist für jene Menschen gedacht, die in einem gewissen Alter über einen ansehnlichen Betrag verfügen wollen. Die Kapitalversicherung ist somit im Wesentlichen ein Sparmodell, bei dem allerdings im Falle des Ablebens des Versicherungsnehmers die gesamte Versicherungssumme an die vorgesehenen Begünstigten ausbezahlt wird. Die fondsgebundene Lebensversicherung ist ebenfalls eine Er- und Ablebensversicherung. Ein Unterschied zu anderen Formen liegt in der tendenziell risikoreicheren Veranlagung, die allerdings auch einen erheblich größeren Gewinn erbringen kann. Aufgeteilt wird die Versicherungsprämie in eine Risikoprämie für den Er- und Ablebensteil sowie einen Sparanteil, der selbst bestimmt wird. Die spezifische Zusammensetzung und Ausgestaltung der zur Auswahl stehenden Fonds bestimmen Risikogehalt und Gewinnpotenzial. Viele Versicherer bieten während der Laufzeit die Möglichkeit zum kostenlosen Wechsel zwischen den unterschiedlichen Fonds. Dadurch kann ein Anleger die persönliche Investmentstrategie während der Vertragsdauer adaptieren und beispielsweise in jüngeren Jahren etwas mehr Risiko eingehen und, je näher der Pensionsantritt rückt, zunehmend auf Sicherheit setzen.

Zinssenkung. In den vergangenen Wochen sorgte vor allem ein Punkt im Zusammenhang mit derartigen Versicherungen für Diskussionsstoff - die ab Anfang kommenden Jahres sinkende Garantieverzinsung, verbunden mit der Frage, ob es aus diesem Grund ratsam sein könnte, heuer noch schnell eine solche Versicherung abzuschließen.

Dieser so genannte "Höchstzins" wird von der Finanzmarktaufsicht festgesetzt und darf nicht überschritten werden - unterschritten hingegen sehr wohl. Mit dieser Rahmenfestlegung soll verhindert werden, dass den Kunden allzu optimistische Zusagen gemacht werden. Ab 2004 beträgt der höchstzulässige Rechnungszins schließ- lich 2,75 Prozent, derzeit liegt er noch bei 3,25 Prozent.

Bezüglich der Sinnhaftigkeit der nunmehrigen Senkung dieses Zinssatzes besteht in der Branche Uneinigkeit. Vom Versicherungskonzern Uniqa etwa wird betont, dass die "Absenkung eine Reaktion auf die Entwicklung der Kapitalmärkte ist, um die Sicherheit und Stabilität der Versicherungswirtschaft im Sinne des Kunden zu stärken". Die Höhe richte sich nach dem Ergebnis eines Rechenmodells auf Basis der Kapitalmarktzinsen und sei daher akzeptabel. Andere Experten teilen diese Meinung nicht: "Aus unserer Sicht wäre es durchaus angebracht gewesen, mit der Senkung noch zumindest ein Jahr zuzuwarten", meint Paul Huss von der Sparkassen Versicherung AG.

Allerdings gilt der gesenkte Höchstzins ausschließlich für neue, ab Anfang 2004 abgeschlossene Verträge. Wer hingegen bereits eine entsprechende Polizze besitzt, genießt ebenso wie all jene Österreicher, die heuer noch unterschreiben, weiterhin die gegenwärtig gültigen Konditionen. Bei den Versicherungsunternehmen stellt man sich daher auf deutlich zunehmende Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte ein. "Wir rechnen damit, dass gegen Jahresende die Abschlussquote dramatisch steigen wird, weil viele Kunde noch die alten Konditionen garantiert erhalten wollen", glaubt ein namhafter Versicherungsexperte.

Gewinnprognosen. Ob ab kommendem Jahr die Attraktivität dieser Vorsorgeprodukte tatsächlich geschmälert wird, ist jedoch ungewiss. So steigt bei einigen Versicherungsunternehmen der in Aussicht gestellte Gewinnanteil - quasi als Ausgleich zum verminderten Garantiezins. Für die Gesamtrendite des vom Versicherungsnehmer über die Vertragslaufzeit angesparten Kapitals ist die Höhe der Gewinnbeteiligung von erheblich mehr Relevanz als der Garantiezinssatz - schließlich handelt es sich bei diesen Gewinnprognosen der Assekuranzen bloß um unverbindliche Rechenexempel. Viele Versicherer haben angesichts der aktuellen Situation der Kapitalmärkte jüngst Kürzungen der Gewinnbeteiligungen verlautbart. Andere wiederum bleiben bei ihren bisherigen Gewinnprognosen und bauen auf eine langfristig positive Entwicklung der Kapitalmärkte. Paul Huss rät jedenfalls zu Pragmatismus: "Maßgeblich ist die Gesamtverzinsung, also garantierter Zins plus Gewinnbeteiligung. Und diese muss 2004 nicht unbedingt sinken."

Als grundsätzlich abgesichert gilt jedenfalls das einbezahlte Kapital selbst. Die Unantastbarkeit dieser Mittel ist praktisch garantiert, weil die österreichische Finanzmarktaufsicht den Versicherungsunternehmen strenge Auflagen in Bezug auf die finanzielle Gebarung vorgibt. "Auch der Umgang mit stillen Reserven und stillen Lasten ist in Österreich genau geregelt, sodass ein Problem wie in Deutschland in Österreich aus unserer Sicht nicht auftreten könnte", nimmt Ernst Schmid, Vorstandsdirektor der Generali Versicherung, Bezug auf den schlagzeilenträchtigen Fall der in massive Kalamitäten geratenen Mannheimer Versicherung. Doch selbst deren Kunden bekommen ihre Ansprüche aus einer Auffanggesellschaft abgegolten.

Österreichs Assekuranzen werden hingegen nicht müde zu betonen, dass es hierzulande aufgrund von traditionell konservativen Anlagestrategien erst gar nicht so weit kommen könne. S-Versicherungs- Manager Huss: "Der Aktienanteil an den Kapitalanlagen inklusive der in Fonds enthaltenen Aktien wurde von der österreichischen Versicherungswirtschaft von rund elf Prozent 2001 auf acht Prozent Ende 2002 reduziert." Deutsche Versicherer hatten dagegen bis zu 40 Prozent Aktienanteil in ihren Portfolios. "Jahrelang haben uns manche wegen unserer konservativen Veranlagung milde belächelt", urteilt Wüstenrot-Generaldirektor Helmut Geier, "jetzt beneiden sie uns um unsere seriösen Anlagen."

Weniger eindeutig fallen Antworten auf die Frage aus, für welche der in Österreich offerierten Kategorien von Vorsorgeprodukten sich die Kunden am ehesten entscheiden sollen - für eine der traditionellen Lebens- oder Rentenversicherungen oder für eines der neuen staatlichen Modelle. Mehr oder weniger unisono sind die Unternehmen zumindest noch davon überzeugt, dass die klassischen Versicherungen weiterhin wesentliche Bestandteile der privaten Vorsorge bleiben, während die staatlich geförderte Zukunftsvorsorge eher ein ergänzendes Element darstellt - schon allein deshalb, weil man mit dieser Variante an einige Grenzen stößt.

So beträgt die Mindestveranlagung zehn Jahre, und die Auszahlung muss als monatliche Pension erfolgen. Neben der üblichen Garantie des eingezahlten Kapitals bietet die neue staatliche Zukunftsvorsorge im Regelfall steuerfreie Erträge sowie die staatliche Prämie von heuer noch 9,5 Prozent der eingezahlten Jahresprämie. Ab kommendem Jahr sinkt diese um einen halben Prozentpunkt.

Innerhalb der zehnjährigen Laufzeit ist grundsätzlich kein Zugriff auf das Kapital möglich. Und wer sich am Ende für eine einmalige Kapitalabfindung entscheiden sollte, muss 50 Prozent der staatlichen Prämie rückerstatten. Darüber hinaus werden die Erträge mit 25 Prozent nachversteuert. "Die Prämie bei der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge gilt zudem nur für einen Betrag von maximal 1851 Euro jährlich", betont Generali-Vorstand Schmid. Für zusätzlich angespartes Kapital werden keine Prämien gutgeschrieben.

Modell mit Lücken. Zudem weist die neue Vorsorgevariante Lücken in der Hinterbliebenenversorgung auf: So sind Rentenzahlungen nur an Kinder bis zum 27. Lebensjahr, Eheleute und Partner von Lebensgemeinschaften möglich. Auch die Berufsunfähigkeit bleibt bei der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge ausgeklammert. Bei der guten alten Er- und Ablebensversicherung, auch in Form mit Rentenauszahlung, sei insgesamt bedeutend mehr Flexibilität gegeben, betonen Experten.

Zudem ist die neue geförderte Vorsorge für Menschen jenseits des 50. Lebensjahres tendenziell weniger interessant, denn die Prämie gibt es nur bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter. Einige Experten zweifeln auch an besonders attraktiven Erträgen. "Renditedenken ist da gar nicht richtig am Platz", meinte kürzlich etwa Walter Wagner, Chef der Volksbanken- Kapitalanlage. Derlei Einschätzungen gründen nicht zuletzt auf der Tatsache, dass die Veranlagung des einbezahlten Kundenkapitals zu 60 Prozent in europäischen Anleihen und zu 40 Prozent in österreichischen Aktien erfolgen muss und die Investitionsoptionen dementsprechend eingeschränkt sind.

Die meisten Versicherungen raten daher, nicht zuletzt wohl aus eigenem geschäftlichem Interesse, zu einer Kombination mehrerer Vorsorgevarianten. Zugleich lohnt es sich freilich auch, die Anlagestrategie des jeweiligen Versicherungsunternehmens genau zu hinterfragen. Denn nach dem Anlageerfolg richtet sich auch die Gewinnbeteiligung - und die ist der entscheidende Faktor für einen finanziell sorgenfreien Lebensabend.