'Return to Sender': Faymann war lange über die Sparzwänge bei der Post informiert
Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein sozialdemokratischer Politiker mit Kanzlerambition von einer konservativen Tageszeitung wie Die Presse mit Huldigungen überschüttet wird. Faymann als Retter der Postämter titelte das Blatt Mittwoch vergangener Woche und montierte das Konterfei des amtierenden Infrastrukturministers vor rot-weiß-roter Flagge in eine stilisierte Sonderbriefmarke. Am Tag zuvor war Faymann dem Management der Österreichischen Post AG in die sprichwörtliche Parade gefahren. Mittels einer öffentlichkeitswirksam angekündigten Verordnung will Faymann erreichen, dass bis vorerst Mitte 2009 kein Postamt im Land geschlossen wird.
Faymann reagierte damit auf kürzlich durch Indiskretionen an die Öffentlichkeit gelangte Sparpläne des börsennotierten Post-Konzerns 51 Prozent hält die Verstaatlichtenholding ÖIAG, 49 Prozent entfallen auf private und institutionelle Anleger. Spätestens ab 2011 muss Österreich auf Druck der EU auch seinen Briefmarkt öffnen, bei Paketsendungen ist dies bereits Realität. Das amtierende Post-Management unter Generaldirektor Anton Wais steht damit vor einem Problem: Im Gegensatz zu privaten Anbietern hat die Post einen gesetzlich verankerten Versorgungsauftrag und muss auch unrentable Regionen bedienen. Gerne wird das Beispiel der Vorarlberger Seitentäler strapaziert. Ein klarer Wettbewerbsnachteil also. Bis 2015 sollten daher 8800 Postbeamte ins Ausgedinge geschickt und hunderte Postfilialen geschlossen werden. Allein: Das Auffliegen der geheimen Sparpläne sorgt für ein mittelschweres innenpolitisches Erdbeben. Die Postgewerkschaft droht mit Streiks, die Landeshauptleute fordern ultimativ Versorgungssicherheit, der Post-Vorstand und ÖIAG-Eigentümervertreter Peter Michaelis sind zum Abschuss freigegeben. Werner Faymann meinte vergangene Woche sogar wörtlich: Bevor jetzt rund 9000 Mitarbeiter abgebaut werden, sollte lieber das Management gehen. Man könnte den Eindruck gewinnen, der Bundeskanzler in spe habe erst vergangene Woche von den Sparplänen der Post erfahren.
Von wegen. profil liegen hochsensible Unterlagen aus dem Innersten der Post vor. Sie belegen, dass Faymann nicht nur frühzeitig über die Pläne des Vorstands orientiert war er hat erst vor wenigen Wochen höchstpersönlich zwei Dutzend Postämter zur Schließung 2009 freigegeben. Unter dem Titel Veränderungen Filialstruktur Ballungsräume 2009 war dem zuständigen Infrastrukturminister bereits im Oktober ein Vorhabensbericht des Post-Generalsekretariats zur Genehmigung vorgelegt worden. Darin heißt es unter anderem: Evaluierungen haben ergeben, dass an einzelnen Standorten in Ballungsräumen die kostendeckende Führung einiger Filialen dauerhaft ausgeschlossen ist. Diese Standorte entsprechen aufgrund ihrer Struktur nicht mehr den heutigen Kundenbedürfnissen und sind daher auch nicht kostendeckend zu führen. Aus diesem Grund wird die Österreichische Post AG ab dem ersten Quartal 2009 einzelne Filialen in gut erreichbare und kundenfreundliche Postfilialen in kleinräumiger Entfernung integrieren.
Mehr noch: In dem Dossier werden bereits die ersten 24 Standorte genannt, die ab Februar 2009 geschlossen werden sollten: jeweils fünf Filialen in Oberösterreich, Tirol und der Steiermark, jeweils drei in Wien und Salzburg, zwei in Niederösterreich, eine in Vorarlberg. Faymann segnete die Sparpläne noch im Oktober ab. Aus seinem Büro heißt es dazu: Über einzelne Postämter, die eingespart oder zusammengelegt werden sollten, wurde die im Ministerium angesiedelte Postbehörde schriftlich informiert, diese Unterlage liegt auch dem Verkehrsminister vor. Mit anderen Worten: Noch im Oktober war der Minister mit der Schließung von Filialen einverstanden, im November lässt er diese mittels Verordnung verbieten ein ziemlich gewagter Spagat.
Minister ahnungslos. Faymann ließ profil auf Anfrage ausrichten, dass im Oktober von drastischen Einsparungsmaßnahmen keine Rede gewesen sei; der Minister habe davon vielmehr erst aus den Medien erfahren. Auch das erstaunt. Tatsächlich waren die bevorstehenden Herausforderungen zumindest seit Februar kein Geheimnis mehr. Am 31. Jänner hatte das Europäische Parlament unter der Chiffre 97/67/EG die Richtlinie für einen freien europäischen Binnenmarkt für Postdienstleistungen beschlossen, die in Österreich ab dem 1. Jänner 2011 in Kraft tritt. Gerade einmal sechs Wochen nach der EU-Entscheidung erhielt Faymann erstmals Besuch vom Post-Management. So viel ist unstrittig: Am 14. März hatte der Post-Vorstand einen Termin bei Werner Faymann. Über den Inhalt der Unterredung gehen die Wahrnehmungen allerdings diametral auseinander. Der Post-Vorstand hat mit Minister Faymann im Frühjahr 2008 ein Gespräch zur 2011 bevorstehenden Post-Liberalisierung geführt, sagt eine Faymann-Sprecherin, betont jedoch gleichzeitig: Der Abbau von 9000 Mitarbeitern war aber ebenso wenig ein Thema wie die Schließung von bis zu 1000 Filialen. ÖIAG-Vorstand Peter Michaelis lässt das nicht unwidersprochen: Als die EU die Liberalisierung des Postmarkts beschlossen hat, habe ich den Post-Vorstand umgehend aufgefordert, ein strategisches Konzept zu erarbeiten. Dieses Konzept ist Minister Faymann Mitte März vorgestellt worden. Es ist Faymann bei dem Termin vom Post-Vorstand übrigens auch mitgeteilt worden, dass es nicht ohne Personalabbau gehen wird. Faymann war also informiert.
Was auch immer Werner Faymann Mitte März gehört oder eben nicht gehört haben will: Es ist schwer zu glauben, dass er erst vorvergangene Woche von den tatsächlichen Einsparungserfordernissen erfahren haben soll. Schließlich tagte parallel zu den Strategiemeetings der Post auch eine Arbeitsgruppe innerhalb der ÖIAG. Ständig mit dabei: Vertreter des Bundeskanzleramts, von Post und Telekom Austria sowie hochrangige Beamte mehrerer Ministerien. Der Zweck der intensiv geführten Arbeitsgespräche war die Gründung einer so genannten Beamtenagentur im Umfeld der ÖIAG.
Die Grundzüge wurden der Regierung am 29. August in Form eines umfangreichen Dossiers übergeben. Die Expertise liegt profil in Auszügen vor: Es wird vorgeschlagen, bei der ÖIAG eine Personalagentur für Beamte anzusiedeln, die den ca. 3000 von der Österreichischen Post und ca. 2100 von der Telekom Austria zugewiesenen Beamten die Möglichkeit zur weiteren Qualifizierung und zur möglichst dauerhaften Vermittlung in ein anderes öffentliches oder privates Arbeitsumfeld gewährleistet (siehe Faksimile). Peter Michaelis bestätigt die Authentizität des Dokuments, will den Inhalt aber mit Hinweis auf die Verschwiegenheitspflicht nicht kommentieren.
Lösung vertagt. Spätestens im Sommer also muss Faymann klar gewesen sein, dass die Post mittelfristig alleine mit 3000 überzähligen Beamten kalkuliert. Der geplante Abbau von 8800 Mitarbeitern bis zum Jahr 2015 setzt sich laut Michaelis nämlich folgendermaßen zusammen: 40 Prozent oder 3500 Bedienstete gehen dem Unternehmen auf natürlichem Weg vorwiegend durch Pensionsantritte verloren. Diese Stellen sollen nicht nachbesetzt werden. Für weitere 30 Prozent (oder 2600 Mitarbeiter) sollen Sozialpläne greifen. Bleiben eben jene 2700 Beschäftigten, die in der Beamtenagentur aufgefangen und nach Möglichkeit umgeschult werden sollten.
Fügt man die Bausteine zusammen, ergibt das folgendes Bild: Im Februar verlässt eine lange diskutierte Post-Richtlinie das EU-Parlament; im März spricht der Post-Vorstand beim Infrastrukturminister vor; im August präsentiert die ÖIAG ein Konzept für die Auslagerung von Post- und Telekombeamten in eine eigene Agentur; im Oktober billigt Faymann die Schließung von zunächst 24 Postfilialen. Im November schließlich erfährt der nächste Bundeskanzler aus der Zeitung, dass die Post radikal sparen muss, und erlässt eine Notverordnung gegen jedwede Filialschließung. Aber auch diese soll nur bis Mitte des kommenden Jahres gelten. Obendrein ist die Rechtsgrundlage, auf der die Verordnung basiert, reichlich wackelig.
Mitte 2009 wird das verschleppte Problem wieder akut. Die Liberalisierung des Postmarkts kann Faymann nicht per Dekret aufhalten. Langsam erschließt sich der tiefere Sinn von Faymanns Wahlkampfslogan: Ich verspreche nichts, was ich nicht halten kann.
Von Michael Nikbakhsh und Josef Redl