Risiko Management bei Kommunalkredit

Risiko Management bei Kommunalkredit: Gutachten belastet Ministerin Schmied

Gutachten belastet Ministerin Schmied

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Der Begriff „Gemeindefinanzierung“ lässt sich ganz offensichtlich sehr weitläufig auslegen. Die gestrauchelte österreichische Bank Kommunalkredit Austria AG verstand darunter jedenfalls nicht nur günstige Darlehen an österreichische Gemeinden. Kommunen gibt es schließlich auch in den USA – und die öffentliche Hand ist in gewisser Weise auch das Militär: Und so findet sich in den Büchern der Bank ein Produkt mit dem klingenden Namen „Fort Knox Military Housing“. Dieser strukturierte Kredit bezieht sich auf den US-Militärstützpunkt im fernen Kentucky, der unter anderem einen besonders wertvollen Goldschatz im Hochsicherheitsgebäude beschützt: Hinter meterdicken Wänden aus Beton und Granit mit eingelassenem Stahl liegen im United States Bullion Depository Fort Knox tief unter der Erde große Teile der Goldreserven des amerikanischen Staats, derzeit sind es mehr als 4500 Tonnen pures Gold. Fort Knox Military Housing ist eines jener Papiere, mit denen die Kommunalkredit ihre Rendite in den Boomjahren zu erhöhen hoffte – und die letztlich ihren Sturz besiegelt haben. Wertpapiere dieser Art haben die Bank so tief in den Strudel der Finanzkrise gezogen, dass sie im Herbst des vergangenen Jahrs vom Staat aufgefangen werden musste.

profil liegt nun exklusiv der Entwurf eines Gutachtens der international tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte vor. Deren Prüfer haben im Auftrag des neuen Managements um Alois Steinbichler die Bücher der Bank monatelang auf den Kopf gestellt, um endlich Licht in den Beinahekollaps der Kommunalkredit zu bringen. Die Gutachter stellen dem ­früheren Vorstand ein vernichtendes Zeugnis aus. Von „unzureichendem“ Risikomanagement ist ebenso die Rede wie von „niedrigem Professionalisierungsgrad“ und unterschätzten Risiken – und obendrein soll der Aufsichtsrat nicht korrekt informiert worden sein. Detailreich wird geschildert, wie sich das Kerngeschäft der Kommunalkredit im Lauf der Jahre weg von den ­öffentlichen Finanzierungen hin zu spekulativen Wertpapierveranlagungen entwickelt hat. Politisch brisant: Ein Großteil der Vorwürfe bezieht sich auch auf die Zeit, als die derzeitige SPÖ-Bildungsministerin Claudia Schmied im Vorstand der Kommunalkredit Beschlüsse mit unterzeichnet hat.

Zeitbomben. Mit ein Auslöser für die Arbeit der Gutachter dürfte der vom früheren Vorstandschef Reinhard Platzer angestrengte arbeitsgerichtliche Prozess sein, der demnächst über die Bühne gehen soll. Platzer musste Ende 2008 unter Verzicht auf alle Ansprüche von einem Tag auf den anderen seinen Hut nehmen, kurz darauf traten die vormaligen Hauptaktionäre Volksbanken (50,78 Prozent) und die belgisch-französische Dexia (49 Prozent) ihre Anteile für je einen symbolischen Euro an den österreichischen Staat ab. Seither trägt etwaige Verluste in letzter Konsequenz der Steuerzahler. 1,2 Milliarden Euro an Haftungen hat das Finanzministerium bereits gestattet, weitere 5,5 Milliarden Euro wurden als Garantien für Anleihe-Emissionen zugesagt, 250 Millionen Euro werden der Kommunalkredit nach der Restrukturierung als Eigenkapitalhilfe zugestanden.

Den größten Teil des umstrittenen Wertpapier-Portfolios machen so genannte Credit Default Swaps (CDS), eine Art Kreditversicherung, aus. Ende 2008 war ihr Volumen bereits auf über zwölf Milliarden Euro angewachsen (siehe Grafik) – und machte ein gutes Drittel der gesamten Bilanzsumme von 37,4 Milliarden Euro aus. Einen Teil davon buchte die Kommunalkredit aus steuerlichen Gründen über die zypriotische Tochter Kommunalkredit International Bank (KIB), die noch im laufenden Jahr liquidiert werden soll.

Die Finanzkrise machte die Papiere zu Zeitbomben: Die Prämien stiegen laufend an, die Kommunalkredit musste Geld nachschießen, das sie nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman auf den illiquiden Märkten nicht mehr aufstellen konnte. Platzer hat sich bisher immer damit gerechtfertigt, dass ein Großteil des CDS-Portfolios aus Kreditgarantien für Staaten oder Bundesländer bestanden habe, die von den Ratingagenturen mit guten Noten bewertet worden seien. Deloitte hält dem nun entgegen, dass man eingedenk der geänderten Marktsituation „nicht mehr ohne Weiteres von risikolosen Geschäften sprechen“ könne. Die Gutachter verweisen dabei unter anderem auf ungarische und irische Papiere. Von Risikoabsicherung ist hier nicht die Rede: Die Bank habe das Geschäft mit den CDS „als zusätzliche Ertragsmöglichkeit“ betrachtet.

Eine weitere Klasse von Wertpapieren wird in dem Dokument kritisiert: strukturierte Kredite, so genannte Asset Backed ­Securities (ABS), die Ende 2008 knapp fünf Prozent der Kommunalkredit-Bilanzsumme ausmachten. Da sich mit diesen Finanzprodukten Kredite so lange verschachtelt und tranchiert weiterverkaufen lassen, bis niemand mehr weiß, wo die Risiken liegen, gelten sie als eine der zentralen Ursachen der Vertrauenskrise der Banken. Dass der ABS-Markt seit der Lehman-Pleite ausgetrocknet ist, wäre schon problematisch genug. Die Kommunalkredit hätte jedoch obendrein noch in „exotische Nischenprodukte“ investiert, für die auch in einem normalen Marktumfeld der Markt eingeschränkt sei. Solche Papiere beziehen sich stets auf einen zugrunde liegenden Wert – ein so genanntes Underlying. Bei den von der Kommunalkredit getätigten Veranlagungen handelt es sich nicht nur um amerikanische Studentenkredite, sondern auch um Investitionen ins griechische Glücksspiel – und eben in militärische Einrichtungen wie Fort Knox Military Housing. Dass diese Papiere ­fragwürdig sind, will der frühere Vorstandschef Reinhard Platzer nicht gelten lassen: „Sowohl Produkte im Bereich der ,student loans‘ als auch im ,military housing‘ sind vom Staat besichert. Da ist die Ausfallswahrscheinlichkeit enorm gering.“

Aggressive Expansion. Sowohl das CDS- als auch das deutlich kleinere ABS-Portfolio der Bank wurde in den Jahren 2005 und 2006 besonders aggressiv ausgebaut (siehe Grafik). In einer Zeit also, in der Bildungsministerin Claudia Schmied sowohl im Vorstand der Kommunalkredit als auch im Aufsichtsrat der zypriotischen Tochter KIB saß.
Mit der Entschuldigung, dass sie bereits seit zwei Jahren in der Bank kein Mandat mehr habe, verweigert sie profil bis heute jede Stellungnahme – trotz des Hinweises, dass sich das Gutachten auf eine Zeit bezieht, in der sie sehr wohl tätig gewesen ist. Dass sie von den Vorgängen nichts wusste, ist schwer vorstellbar. „Der Vorstand hat, genauso wie der Aufsichtsrat und dessen Ausschüsse, immer einstimmig beschlossen“, sagt denn auch Reinhard Platzer. Er verteidigt jedoch die Beschlussfassung an sich: „Es war keine verantwortungslose Entscheidung, in das Wertpapiergeschäft mit CDS und ABS einzusteigen“, rechtfertigt Platzer die Vorgangsweise. „Die Papiere waren hervorragend geratet.“

Dass es sich bei den Investments um weitgehend risikolose Papiere von hervorragender Qualität handelt, davon ging auch der Aufsichtsrat aus. Möglicherweise konnte er auch gar nichts anderes annehmen: „Die Aufsichtsratsprotokolle zeigen, dass über die Größe, Art und Struktur und vor allem über die Risiken (z. B. Markt- und Liquiditätsrisiken) des CDS-Portfolios nicht ausreichend an den Aufsichtsrat berichtet wurde“, heißt es im Dokument. Dadurch sei dem Aufsichtsrat eine „realistische Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und der Risiken des CDS-Portfolios nicht möglich“ gewesen.

Ganz ähnlich sieht es bei den ABS-Papieren aus. Auch hier weist Deloitte darauf hin, dass die damit verbundenen Risiken in den Aufsichtsratssitzungen unerwähnt blieben. Die lückenhafte Berichterstattung sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass Marktverluste aus diesen Investments nicht ausgewiesen werden sollten, heißt es im Bericht ergänzend. Als sich 2008 aber Verluste ankündigten und das CDS-Portfolio dessen ungeachtet sogar noch aufgestockt wurde, hätte der Aufsichtsrat laut Deloitte aber in jedem Fall unterrichtet werden müssen. Platzer wehrt sich gegen diese Anschuldigungen: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Der Aufsichtsrat und die zuständigen ­Ausschüsse waren stets vollinhaltlich in­formiert“, so der frühere Vorstandsvorsitzende.

Unprofessionalität. Mangelnde Transparenz fanden die Prüfer auch noch an weiteren Stellen in der Bank. Eine angemessene Unterteilung des Portfolios nach Größe und Risiko sei intern angesprochen und abgewiesen worden: „Transparenz der Portfoliozusammensetzung bzgl. Assetklassen nicht gewünscht“ – zitiert Deloitte aus einem Protokoll. Das Dossier qualifiziert die technische Ausstattung im Risikomanagement überhaupt als „unzureichend“. Das Portfoliomanagement weise einen „niedrigen Professionalisierungsgrad“ auf. Dadurch sei es der Bank nicht möglich gewesen, rechtzeitig auf Marktbewegungen zu reagieren. Das Gutachten geht sogar so weit, diese mangelnde Professionalität als „wesentlichen Grund“ für die Liquiditätsengpässe Ende 2008 anzusehen. Platzer hingegen beurteilt den Professionalisierungsgrad der Kommunalkredit als einen der höchsten in der ­Volksbanken-Gruppe. Manche Systeme seien ­deswegen sogar von der Kommunalkredit in andere Konzernteile übernommen ­worden.

Sein Nachfolger Alois Steinbichler ist derweilen mit der Restrukturierung der Bank beschäftigt. Die giftigen Papiere will er in einer „Sondergesellschaft“ auslagern. Als Schutzwall dienen ihm dabei nicht Stahl, Granit und Beton – sondern staatliche Garantien in der Höhe von 5,5 Milliarden Euro. Möglicherweise wird die Sondergesellschaft nicht so lange Bestand haben wie Fort Knox. Aber bis die ­Papiere von alleine auslaufen, muss Steinbichler einiges an Beharrungsvermögen aufbringen: Die „Fort Knox Military Housing“-Papiere laufen erst 2052 aus.