Interview:

"Sage nicht reflexartig Nein"

"Sage nicht reflexartig Nein"

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profil: Hand aufs Herz, halten Sie sich immer an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit?
Gorbach: Mehr oder weniger. Aber es kommt mitunter schon vor, dass die Temponadel geringfügig mehr zeigt als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Insgesamt sind mein Chauffeur und ich in der Regel vorbildlich unterwegs. Ich arbeite ja auch im Auto, und da ist es meist egal, wenn man 15 Minuten später ankommt.
profil: Warum finden Sie dann den 160- km/h-Vorschlag des steirischen ÖVPKlubobmanns Drexler "interessant"?
Gorbach: Ich bin ein diskussionsfreudiger Politiker, der nicht gleich reflexartig Nein sagt, wenn ein Vorschlag vielleicht einmal aus einer anderen Ecke kommt. Reden sollte man über alles. Aber ich will als Verkehrsminister die Sicherheit auf Österreichs Straßen erhöhen und bis 2010 die Anzahl der Verkehrstoten von 956 im vergangenen Jahr auf die Hälfte reduzieren. Daher kann die Debatte um Tempo 160 bei mir nur unter einem Grundsatz geführt werden: Die Sicherheit darf nicht verringert werden.
profil: Umweltschützer warnen vor höherem Schadstoffausstoß und Lärm.
Gorbach: Es kann natürlich nicht sein, dass wir in Gebieten wie etwa Tirol, wo es ohnehin schon große Schadstoffbelastungen gibt, diese durch eine Anhebung des Tempolimits noch weiter erhöhen. Auch beim Lärmschutz wird man aufpassen müssen. Eine generelle Anhebung des Tempolimits wird es also sicher nicht geben. Voraussetzung ist, dass bis 2008 das Verkehrsbeeinflussungssystem vom Bodensee bis zum Neusiedlersee in Betrieb ist. Ohne eine einzelne weitere Baumaß- nahme können die Autobahnen dann bis zu zehn Prozent mehr Verkehr aufnehmen. In der Regel durch eine Senkung der Geschwindigkeit. Bei guten Bedingungen, trockener Fahrbahn, drei Spuren, gutem Belag und außerhalb der Ballungsräume könnte man dann streckenweise auch Tempo 150 zulassen.
profil: Nach einer Statistik liegt Österreich bei der Unfallzahl pro 1000 Einwohner an der ersten Stelle. Sind die Österreicher schlechte Autofahrer?
Gorbach: Ich denke nicht. Bei diesen Statistiken sind ja auch die vielen Urlauber aus dem Ausland dabei. Die meisten Unfälle passieren bei uns in der Reisezeit, in den Ferien im Sommer und Winter.
profil: Es wird oft darüber geklagt, dass Raser zu dicht auffahren.
Gorbach: Ja, da werden wir die Abstandsmessungen verstärken, wie gerade in Oberösterreich. Die Hälfte der Unfälle auf Autobahnen sind Auffahrunfälle. Leider wird auch die Rechtsfahrordnung nur mangelhaft eingehalten.
profil: In Wien wird die erste "Section Control" eingeführt, wo das Durchschnittstempo auf einer längeren Strecke gemessen wird. Soll es solche Kontrollen auch auf mehrspurigen Autobahnen geben, wo die meisten schneller als mit 130 km/h unterwegs sind?
Gorbach: Nein, ich bin gegen solches Abkassieren. Die Autofahrer sollen nicht die Melkkühe der Nation sein. Es geht um die Sicherheit. Deshalb kündigen wir solche Kontrollen auch durch Schilder an. Strafen sind immer nur letztes Mittel.
profil: In der Schweiz und in Finnland gibt es bereits einkommensabhängige Strafen. Können Sie sich das auch in Österreich vorstellen?
Gorbach: Wegen des Gleichheitsgrundsatzes sage ich: lieber nicht. Ich weiß schon, es ist für Fahrer mancher Automarken leichter, eine Strafe zu bezahlen. Aber ich will nicht von vornherein jeden bestrafen, weil er viel verdient.
profil: Wann kommt der Punkteführerschein?
Gorbach: Wo er eingeführt wurde, ist die Zahl der schweren Unfälle zurückgegangen. Aber ich will das deutsche Modell nicht eins zu eins übernehmen, weil ich nicht eine riesige Bürokratie aufbauen möchte. Aber es gibt Möglichkeiten, besondere Risikogruppen zu erfassen. Wer wiederholt Regeln fahrlässig bricht, wird seinen Führerschein eben für längere Perioden abgeben müssen.