Glamour-Dilemma

Salzburger Festspiele: Glamour-Dilemma

Debatte. Die Salzburger Festspiele gehen in eine ungewisse Zukunft

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Von Manuel Brug

Jetzt muss alles schnell gehen: Wer auch immer die Intendanz der Salzburger Festspiele im Herbst 2016 antreten will, um die fünf Saisonen 2017 bis 2021 zu bestreiten, sollte sich sehr bald bewerben. Denn schon am 2. September 2013 soll die Ausschreibungsfrist enden. Auch das Präsidentenamt muss neu ausgeschrieben werden, es wird ebenfalls – wie geplant – in zwei Jahren vakant.

So kämpft man im kleinen Festspieldorf weiterhin wacker gegen den Rest der Kunstwelt. Wir sind die Größten, die Besten, die Berühmtesten! Das war man in Salzburg immer schon. Doch inzwischen scheint es so, als glaube man wirklich fest daran, sich auch seinen Intendanten selbst basteln zu können. Was noch gar nicht so fest ausgemacht ist, wie es den Einheimischen in ihrem Alpen-, Fluss- und Kleinstadtpanorama vielleicht anmutet. Da ist der Wunschkandidat der Salzburger, Markus Hinterhäuser (Foto links), 54, Pianist, Kurator und Spezialist für zeitgenössische Musik, der Erfinder der „Zeitfluss“-Schiene, die das saturierte Edelfestival einst avantgardistisch tönte, bevor er selbst zum One-Season-Intendantentraum für den schönen Festspielsommer 2011 avancierte. Hinterhäuser schweigt zu all dem Lorbeervorschuss, zur fixen Idee, er – und nur er – müsse, könne und werde 2016 das Salzburger Festival übernehmen.
Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ), der jetzt besonders süßlich das Loblied auf Hinterhäuser singt und bereits das Ergebnis der ohne Findungskommission anstehenden Intendantenkür siegesgewiss verkünden zu können glaubt, schickte denselben Hinterhäuser nach dessen Einspringerjahr für den vorzeitig nach Deutschland zurückgeschickten Jürgen Flimm erst einmal zwecks Weiterbildung in die Ferne. Was dieser gerne tat, die Wiener Festwochen engagierten ihn postwendend. Dort freilich muss er, seine Programmpläne sind noch nicht verkündet, erst einmal beweisen, was er kann.

Disparates Kuratorium
In Wien hat Luc Bondy (Foto rechts) gerade erst seinen Intendantensessel geräumt. Eine seiner wichtigsten Festwochenpremieren wird Hinterhäuser in Koproduktion mit der Brüsseler Oper im Gluck-Jahr 2014 bestreiten: eine Aufführung von dessen populärstem Reformwerk „Orfeo ed Euridice“. Inszenieren wird der gegenwärtig sehr angesagte Multimediakünstler Romeo Castellucci, der sich mit einem „Parsifal“ in Brüssel auch als operntauglich erwiesen hat. In Wien spielt man freilich die Wiener Fassung für Kastraten mit dem Countertenorstar Bejun Mehta, die Belgier bekommen die französische Weiterbearbeitung für Tenor in der Berlioz-Version zu hören.
Hinterhäuser muss sich also, wenn er nicht davon ausgeht, dass er auch ohne Einreichung gebeten wird, weitgehend blank für die Festspiele bewerben. Er wird für Salzburg, sollte er gewählt werden und wenn er seinen Festwochenjob nicht selbst vor der Zeit hinwerfen will, bereits tätig sein müssen, während er in Wien noch arbeitet. Man kann sich das Gerangel international weit erfahrenerer Kandidaten vor der Festspielhaustür vorstellen. Die sollten alle schon vorab keine Chance haben? Und das sehr heterogen besetzte Kuratorium müsste schnell zu einer Entscheidung kommen. Denn am 29. September finden bekanntlich Nationalratswahlen statt, und danach könnten die Dinge in Salzburg schon wieder völlig anders aussehen. Kein Wunder, dass selbst Kulturministerin Claudia Schmidt, die sich bisher in der Causa Pereira öffentlich auffällig zurückgehalten hat, auf ein schnelles Verfahren drängt. Denn nach der Wahl wird sie möglicherweise nicht mehr im Amt sein – und damit auch nicht die von ihr ins Kuratorium entsandte Andrea Ecker. Der Vertreter des Finanzministeriums, Peter Radel, wird im Spätherbst wohl ebenfalls ausgetauscht.

Die abgewählte Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) wurde gerade erst durch ihren bisherigen Stellvertreter Wilfried Haslauer ersetzt, der bisher für die Tourismusförderung im Kuratorium saß und nun nur den Platz wechselt. Ob er freilich im neuen Amt auch an seinen alten Überzeugungen festhalten wird? Unter Insidern gilt freilich als gesichert, dass der Vertreter der Bundestheater, Georg Springer, von Markus Hinterhäusers Qualifikationen keineswegs überzeugt ist.

Somit präsentiert sich das Kuratorium als sehr disparat – wenn es sich nicht von der erfahrenen Noch- und wohl schon bald Wieder-Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler auf eine Linie einschwören lassen wird. Rabl-Stadler ist zwar verstimmt, dass man allen Ernstes von ihr verlangt hat, sich formal wiederzubewerben – für eine Rabl quasi ein Gang nach Opern-Canossa –, aber natürlich ist auch sie voll und ganz für Hinterhäuser. Denn dann hätte sie wieder ganz allein den Glamourhut auf, dürfte weiterhin präsidieren und repräsentieren.

Und darum geht es doch in Salzburg letztlich immer. Die Kunst war hier stets nur ein feiner, aber bisweilen doch sehr durchsichtiger Mantel für die Geschäfte der Gastronomen, Getreidegässler und Galeristen. Deshalb hätte hier einer wie Alexander Pereira eigentlich hochwillkommen sein müssen. Er trieb die Einnahmen wie die Ausgaben hoch, machte Wirbel, gern auch als Kulturkasperl. Aber dann wollte er nicht nur mitspielen, sondern vor allem allein glänzen. Und das ist bei dem sachlichen, der Schickeria eher fernen, auf die Sache konzentrierten Markus Hinterhäuser nicht zu befürchten. Oder eben: zu vermissen. Mögen die Bewerber kommen.

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Festspiele 2013: Die Höhepunkte

Ganz konsequent wirkt Sven-Eric Bechtolf in seiner Programmplanung nicht: Eigentlich hatte es sich der Schauspielchef zur fixen Aufgabe gemacht, jedes Jahr die Uraufführung eines zeitgenössischen Stücks zu präsentieren. Diese sucht man in seiner zweiten Saison allerdings vergeblich. Dafür finden sich zwei klassische Koproduktionen: Einmal mehr inszeniert Burg-Chef Matthias Hartmann in Salzburg, zeigt eine Art Preview seiner Wiener Herbstpremiere von Nestroys Zauberposse „Lumpazivagabundus“. Und Regisseur Michael Thalheimer hat sich Schillers Glaubenskampfdrama „Die Jungfrau von Orleans“ vorgenommen.

Shakespeares „Sommernachtstraum“ wird in einer musikalischen Version von Regisseur Henry Mason zu sehen sein. Dem Figurentheater ist Bechtolf erneut treu geblieben: Aurélien Bory liefert mit „Sans Objet“ eine Produktion, in der Roboter mit Menschen spielen. Musikalisch bleibt Intendant Alexander Pereira bei seinen aus Zürich bekannten Star-Modulen: Er lässt im Verdi-Jahr einen neuen „Don Carlos“ vom Stapel, diesmal mit Matti Salminen, Thomas Hampson, Anja Harteros und Jonas Kaufmann. Daneben wird viel Salzburg-Routine geboten: ein von Zubin Mehta dirigierter „Falstaff“ etwa und „Così fan tutte“ als Start eines neuerlichen Da-Ponte-Zyklus. Statt der nicht fertig gewordenen Oper von György Kurtág gibt es als einzige Neue-Musik-Großproduktion Harrison Birtwistles King-Arthur-Oper „Gawain“, inszeniert von Alvis Hermanis.

Spannend wird auch Stefan Herheims Auseinandersetzung mit Wagners „Meistersingern von Nürnberg“. Als Übernahmen von der Mozartwoche und den Pfingstfestspielen gibt man „Lucio Silla“ in einer manierierten Historismus-Inszenierung und Bellinis „Norma“„Jeanne d’Arc“ und Verdis „Giovanna d’Arco“ (mit Netrebko) zu hören sein werden. Für den 200-jährigen Richard Wagner dirigiert Philippe Jordan die Jugendsünde „Rienzi“, dem ebenso alten Verdi huldigt der alterslose Plácido Domingo als Bariton in „Nabucco“.