Salzburger Festspiele: Markus Hinterhäusers Praktikum
Es war von vornherein ein dubioses Konstrukt: Warum sollte der Vertrag des neuen Chefs der Wiener Festwochen strikt auf drei Jahre begrenzt sein? Reicht das überhaupt aus, um eine markante Handschrift zu entwerfen? Als der Pianist Markus Hinterhäuser 2011 als Nachfolger Luc Bondys präsentiert wurde, fragte man sich, ob sein Vertrag nicht schon genau darauf zugeschnitten war, rechtzeitig für die vakant werdenden Salzburger Festspiele zur Verfügung zu stehen - was immerhin lautstark von Salzburgs Politik gewünscht wurde. Die Festwochen als Praktikum: nur ein Überbrückungsjob für einen, der eigentlich an die Salzach gehört?
Wenig überraschend wurde Markus Hinterhäuser am Mittwoch vergangener Woche tatsächlich als neuer Intendant der Festspiele berufen, die er ab 2017 leiten wird. Natürlich wäre zu thematisieren, ob sich die Festspiele das Geld für ein externes Personalberatungsbüro, das eigens dafür engagiert worden war, eine Vorauswahl aus den Einreichungen zu treffen, nicht hätte sparen können, wenn am Ende ohnehin der Favorit das Rennen machte. Abgesehen davon, dass das Ergebnis den unangenehmen Geruch von Packelei hat, spricht fachlich wenig dagegen, wenn Hinterhäuser die Salzburger Festspiele, die sich schon seit Jahren in einer Dauerkrise befinden, nun übernehmen wird. Er kennt die intriganten Strukturen, hatte er doch die innovative Konzert-Schiene "Zeitfluss" gegründet und das Festival 2011, aufgrund des vorzeitigen Abgangs Jürgen Flimms, interimistisch geleitet.
Hinterhäuser gilt als Mann des Konsenses.
Der stets freundliche Musikexperte und Kulturmanager, der sich gern im Hintergrund hält, steht in hartem Kontrast zu polternden Intendanten wie Flimm oder Pereira. Auch das mag ein recht österreichischer Grund gewesen sein, sich für ihn zu entscheiden: Hinterhäuser wird es sich in Salzburg mutmaßlich mit niemandem verscherzen, ihm traut man zu, dass er länger im Sattel bleibt als seine hitzigen Vorgänger, die wenig übrighatten für die festgefahrenen Strukturen des angegrauten Nobelfestivals, das sich immer noch für den Nabel der Welt hält. Trotzdem traut man Hinterhäuser zu, künstlerisch kompromisslos zu programmieren. Er steht für einen durchaus radikalen Kunstgeschmack, den er hoffentlich auf seine sanfte Art auch wird durchsetzen können.
Bleibt die zentrale Frage: Was wird aus den Wiener Festwochen? Wiens internationales Festival ist zumindest in Sachen Theater schon längst innovativer und zeitgemäßer programmiert als die oft wie erstarrt wirkenden Festspiele. Und die Festwochen sind einfach zu bedeutend, um als Zweitjob geführt zu werden. Es wäre naiv zu glauben, Hinterhäuser werde die Salzburger Festspiele, deren Intendanz er stets als seinen Traumjob bezeichnet hatte, nicht zeitgleich mit den Festwochen konzipieren. Gerade im Bereich der Oper sind jahrelange Vorlaufzeiten selbstverständlich. In den vergangenen Wochen wurde Mr. Hintergrund folgerichtig häufiger beim Netzwerken in Salzburg gesehen als in seinem neuen Wiener Festwochenbüro. Es ist eine seltsame Konstruktion: Jemand tritt einen Job an und hat den nächsten schon in der Tasche. Sollte das nicht sinnvollerweise anders herum funktionieren? Man beweist sich in einem Bereich, um anschließend eine neue Aufgabe angeboten zu bekommen?
Das Prinzip Bondy
Im Dezember wird Hinterhäuser mit seinem Team das erste eigene Festwochen-Programm präsentieren. Aber schon jetzt stellt sich eine seltsame Déjà-vu-Situation ein. Es wirkt ein wenig so, als wäre das Prinzip Bondy verlängert worden: Der Chef ist mit seinem Kopf anderswo, während die Knochenarbeit von der Schauspielchefin (von der gerade in Unfrieden geschiedenen Stefanie Carp zur nunmehr antretenden Frie Leysen) gemacht wird. Sicher werden die Festwochen von Hinterhäusers Musikwissen profitieren. Für das Herzstück des Festivals, das umfangreiche Schauspielprogramm, fehlt ihm zumindest bisher jegliche Erfahrung. Als Programmkurator ist er Novize. Da drängt sich die Frage auf: Hätte man die weitaus erfahrenere Performance-Expertin Frie Leysen nicht gleich als alleinige Leiterin bestellen können? Sie hätte jedenfalls länger Zeit als bloß drei Jahre.
Bisschen provinziell
Österreich ist offenbar sehr klein: Für seine beiden wichtigsten Festivals findet sich nur ein Mann. Ein bisschen provinziell erscheint das schon. Ebenfalls wenig überraschend in der Salzburger Jobfindungsagenda: Helga Rabl-Stadler wird bis 2017 Festspiel-Präsidentin bleiben. Wie man hört, interessiert sich Festwochen-Präsident Rudolf Scholten schon seit Längerem für ihren Job. Das wäre dann ein sehr typisches Posten-Karussell: Hinterhäuser bringt Scholten nach Salzburg. Und der Kreis von den Festwochen zu den Festspielen würde sich erneut schließen.