Gabiland ist abgebrannt

Salzburger Finanzdebakel: Gabiland ist abgebrannt

Salzburg. Gabi Burgstallers Zeit könnte bald zu Ende sein

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Das Talent zum charismatischen Volkstribunen kann selbst am Weg aufs WC bewiesen werden. 7. März 2004, die Stunden des größten Triumphes von Gabi Burgstaller, die SPÖ feiert im Salzburger Lokal „Republic“ ausgelassen ihren Wahlsieg. Ein aus Wien angereister Parteistratege beobachtet, wie zuerst Parteichef Alfred Gusenbauer ein Bedürfnis plagt: Gusenbauer stellt sich wie selbstverständlich an die Spitze der Schlange, ignoriert die Klofrau und auch alle anderen. Kurz nach ihm kommt Burgstaller, stellt sich hinten an, plaudert aufgekratzt mit jedem, drückt der Klofrau einen größeren Schein in die Hand. Kommentar des Parteistrategen: „Jetzt weiß ich, warum die Gabi so deutlich gewonnen hat.“

Fliegende Herzen
Burgstaller schaffte, was wenigen Politikern gelingt: Ihr flogen die Herzen zu. So kumpelhaft, natürlich, nahbar, dynamisch und resch wie die Salzburger Landeshauptfrau konnte kaum jemand auftreten – und das noch dazu völlig unverkrampft. Nur einer Ausnahmeerscheinung wie ihr konnte das Kunststück gelingen, die ÖVP 2004 nach 59 Jahren vom Landeshauptmannsessel zu stoßen. Ein sattes Drittel der damaligen SPÖ-Wähler nannte die Person Burgstaller 2004 als „ausschlaggebenden Grund“ für ihre Wahlentscheidung. Mit dem Slogan „Meine. Deine. Unsere Landeshauptfrau“ verteidigte Burgstaller bei der Wahl 2009 Platz eins, wenn auch mit Schrammen. Davor schaffte es die SPÖ nur ein einziges Mal, 1969, unter dem Arbeiterkammermann Karl Steinocher, überhaupt auf Tuchfühlung mit der ÖVP zu kommen: Steinocher fehlten damals zum Wahlsieg bloß 600 Stimmen. Davor und danach war Platz eins fix für die ÖVP reserviert.

Jetzt ist die Salzburger SPÖ wieder auf dem Vor-Burgstaller-Status angekommen: dem einer Baustelle. Burgstaller ist durch den Finanzskandal beschädigt, ihr Ziehsohn David Brenner Geschichte, Heinz Schaden, Bürgermeister der Stadt Salzburg, schießt noch kräftiger quer als sonst und hat alle potenziellen Nachfolger wegintrigiert. Dahinter ist weit und breit niemand zu sehen. Kein Wunder: Die SPÖ-Salzburg war stets auf Zuwanderer angewiesen. Burgstaller kam aus Oberösterreich, ihr einstiger „Mister Arbeit“ Erwin Buchinger detto, ihr Vorgänger Gerhard Buchleitner aus Kärnten, die verblichene Hoffnung Josef Reschen aus der Steiermark. Reschen, Bürgermeister der Stadt Salzburg, stolperte wie SPÖ-Obmann Wolfgang Radlegger in den neunziger Jahren über den Wohnbauskandal WEB – in dem sich die junge Arbeiterkammer-Juristin Burgstaller als Aufdeckerin profilierte. Zu der Zeit taumelte die SPÖ von einer Wahlniederlage in die nächste, suchte Sündenböcke und brachte es mit der „Demokratie ’92“ sogar zu einer Parteiabspaltung.

Kaum Industrie und Arbeiter
Selbst eine geeinte Sozialdemokratie hatte es in Salzburg nie leicht. Industrie und Arbeiterschaft sind kaum vorhanden, der Anteil der Industrie an der Wirtschaftsleistung in einem der reichsten Bundesländer liegt bei kümmerlichen 15 Prozent. Außerhalb von Eisenbahnerorten wie Bischofshofen oder Schwarzach existiert die SPÖ nur in kleinen roten Inseln wie der Pinzgauer Gemeinde Lend, wo seit 1898 ein Aluminiumwerk steht, dessen Betriebsratsvorsitzende seit Jahrzehnten auf dem Bürgermeistersessel landen. Das Bundesland mag Burgstaller-rot sein, auf Lokalebene stellt die SPÖ kümmerliche 643 von 2110 Gemeinderäten.
Neben der ausgeprägt konservativ-katholischen Tradition im Erzbistum war Salzburg stets ein Hort des Deutschnationalismus, in der Stadt Salzburg getragen von großdeutschen Bürgern, die schon 1927 einen der ihren zum Bürgermeister wählten. In unzugänglichen Gebirgsregionen wie dem Lungau war der Deutschnationalismus die Denkwelt der traditionell protestantischen Bauern. In der Lungauer Gemeinde Thomatal votierten 2010 nicht weniger als 37 Prozent für die stramm rechte FPÖ-Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz.

Das Bundesland war stets eine blaue Hochburg, bei der Nationalratswahl 1999 wurde die FPÖ mit 29,4 Prozent sogar stärkste Partei. Bei allen Nationalratswahlen seit dem Jahr 1949 erreichten die Freiheitlichen (und ihre Vorgängerin VdU) in Salzburg stets doppelt so starke Ergebnisse wie im Bundesschnitt.

Normalzustand nach Ausnahmejahren?
Gleichzeitig ist die Stadt Salzburg eine Wiege der Grünen, die hier schon 1982 als „Bürgerliste“ satte 18 Prozent erzielten und mit Stadtrat Johannes Voggenhuber vor allem für die Erhaltung der Altstadt kämpften.
Für die SPÖ blieb neben diesen politischen Strömungen kaum Platz. Ihre Wahlsiege errang sie nicht als Partei, sondern als „Gabiland“: Wenn Burgstaller nicht kandidiert, punktet die SPÖ nicht – bei allen Nationalrats- oder EU-Wahlen seit Burgstallers Kür zur Landeshauptfrau landeten die Sozialdemokraten auf hinteren Rängen.

Dieses Schicksal könnte der Salzburger SPÖ nun auch bei der vorgezogenen Landtagswahl im Frühjahr 2013 drohen, Gabiland ist abgebrannt. Damit wäre nach den roten Ausnahmejahren wieder der langjährige Normalzustand hergestellt.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin