Schlimme Wörter

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Fragte man schnell, in welchen Bereichen die Sprache das Wichtigste sei, bekäme man die Antwort: im Privatleben, in der Kunst, in der Politik. Nichts leichter, als dies zu widerlegen. Private Beziehungen gleiten wegen Temperaturverlust oder wunderbarer Vertrautheit bald ins Gestische und Nonverbale. In der bildenden Kunst, insbesondere der Malerei und Fotografie, hat das Besprechen vielen Werken ihre Würde geraubt. Und was die Politik betrifft, so warten wir noch auf eine grundsätzliche Untersuchung von Anton Pelinka, ob die Sprache der Politiker wirklich mehr zur Aufklärung als zur Verstörung beitrug.

Jener Bereich, in dem die Sprache tatsächlich eine elementare Rolle spielt, wird selten als sprachabhängig erkannt: die Wirtschaft. Die Welt der Manager und Unternehmer wird von Außenstehenden intuitiv eher als Schlachtfeld der Zahlen gesehen. In der Computersprache: eher als Excel-Tabelle denn als Word-Dokument. Die Schuld dafür liegt bei zehntausenden Lehrern, die nie mit der Wirtschaft in Berührung kamen, und ihren kongenialen Schulbüchern, die man aufschlägt und unverzüglich als inoperabel zuklappt. Grundschullehrer, die über die Erfindung der doppelten Buchhaltung durch den Mönch Luca Pacioli unterrichten, sehen die Ökonomie überhaupt als Konto und Gegenkonto.

Tatsächlich ist die Wirtschaft in ein ständiges Vollbad der Sprache getaucht. Firmenprozesse funktionieren nur mit permanenter mündlicher Kommunikation, Kontakte der Marktteilnehmer per Schriftsprache.

Logischerweise ändert sich die Sprache auch bei jedem Paradigmenwechsel. Die Sprache der Industriekönige des 18. Jahrhunderts unterschied sich markant von jener der bis dahin führenden Aristokraten. Auch die heute über 50-Jährigen erlebten einen Sprachwechsel rund um 1970. Damals wurden die militärischen Führungsstrukturen („anschaffen und gehorchen“) in die heutige Höflichkeit von Teamwork, Demokratie und schlankeren Hierarchiestufen entlassen. Das meines Erachtens schönste sprachliche Beispiel: Bis dahin schafften es die viferen Unternehmensvertreter (à la Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung), die Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer hochzuhalten, weil die naiveren Arbeitervertreter (Arbeiterkammer und Gewerkschaft) das Infame darin nicht erkannten. Sprachanalytisch ist nicht nachvollziehbar, warum jene, die ihre Arbeit geben, jemals Arbeitnehmer genannt wurden, und jene, die sie nehmen, Arbeitgeber. Ab 1970 kennen wir als würdigen Ersatz das Wort „Mitarbeiter“. Jeder moderne Unternehmer verwendet es seither. Absurderweise sind ältere Gewerkschafter noch immer verliebt in die alten Bezeichnungen, die ihre Schützlinge schänden.

Es waren die Unternehmer und deren Bewunderer (Ernest Dichter, Peter Drucker etc.), die mit neuen Wörtern wie Mitarbeiter, Motivation, Team, Mitsprache und Humanbilanz den Klassenkampf erfolgreich aufweichten.

Die Macht der Sprache verbesserte auch die Taten. Man bekämpfte gemeinsam die Ölkrisen, die Hoch-Inflation und erreichte streikfreie, sozialpartnerschaftliche Wachstumsschübe. Unglücklicherweise zeigte sich die Macht der Sprache bald auch andersrum. Im Börsenfieber der achtziger Jahre verführte das Wort „Shareholder Value“ zum schwachsinnig-kurzfristigen Quartalsdenken der Amerikaner und in Folge zu zahlreichen Bilanzfälschungsmanövern, mit denen Top-Executives ihren Arsch retten wollten, solang es ging. Noch absurder wurde es in der „New Economy“ der neunziger Jahre. Da verliebte man sich sogar in den perversen Begriff „Capital Burn Rate“. Damit bezeichnete man die Geschwindigkeit, mit der Start-up-Gründer das Kapital verjubelten, das ihnen von ratlosen Bankern aufgedrängt wurde.

Good News: Es gibt jetzt ein Buch, das die wichtigsten zeitgenössischen Wirtschaftswörter sachlich bewertet. Es heißt „Gefährliche Managementwörter“ – Untertitel: Und warum man sie vermeiden sollte.1) Wirtschaftsinteressierte oder gar Wirtschaftsführer, die es nicht lesen, sind Selbstverstümmler. Ich empfehle das Buch auch wegen seines Autors: Fredmund Malik, 60, ist ein hoch eleganter Frei-Geist, der mit beträchtlicher Verzögerung altert. Sein Jungbrunnen: Alpinismus. Ich diene ihm bei Österreich-Auftritten mit Vergnügen als Moderator. Malik ist Mitgründer und Verwaltungsratspräsident des renommierten Malik Managementzentrums St. Gallen. Abonnenten der profil-Schwesterzeitschrift „trend“ wissen seit vielen Jahren, wie anregend und verständlich Malik schreibt. Ich weiß darüber hinaus, wie boshaft dieser gebürtige Österreicher als Vortragender sein kann. Eines Abends, vor einem äußerst konservativen Publikum, glänzte Malik mit linken Gedanken, die keineswegs der Kern seines Werkes sind.

Er beleuchtet in seinem Buch beliebte Business-Vokabeln wie Wert, Coaching, Wachstum, Elite und Arbeitslust mit seinem erfahrenen Geist, angereichert durch einen leisen, vorarlbergischen Grant, der seine natürliche Autorität zusätzlich poliert. Maliks Stärke, grob zusammengefasst, lag immer darin, vor infantilem Überschwang zu bewahren. Schon mit seinen bisherigen Bestsellern, zuletzt „Die Neue Corporate Governance“ und „Führen Leisten Leben“, wollte er die Affen von den Bäumen holen.
Technische Daten für Interessenten: [email protected] und www.malik-mzsg.ch.