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Schmerzblatt

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Man kann nun wirklich nicht behaupten, das Jahr null-vier habe unspektakulär begonnen. In sämtlichen Kerndisziplinen wurde erstklassige Unterhaltung geboten: Justizminister Dieter Böhmdorfer etwa regte an, die heimische Gerichtsbarkeit teilweise nach Rumänien auszulagern, notfalls auch Gefängnisse vor Ort zu finanzieren. Eine bestechende Idee, die nur noch konsequent zu Ende gedacht werden muss: Man inhaftiert Tagediebe schon in Rumänien vorsorglich für jene Delikte, die sie auf österreichischem Boden mit Sicherheit zu begehen planen.

Salzburgs Landeshauptmann Franz Schausberger wiederum eröffnete den Landtagswahlkampf mit der Ankündigung seines Rückzugs zur Halbzeit der kommenden Legislaturperiode. Eine offensive Lame-duck-Strategie nach dem Motto „Wählt mich, denn ich mag nicht mehr!“ – das hat, in dieser Unerschrockenheit, bislang nicht einmal Jörg Haider geschafft.

Die AUA dagegen schaffte das atemberaubende Marketing-Kunststück, den Quasi-Crash einer Fokker 70 vor München elegant zur Heldensaga zu loopen. Dass zwei von insgesamt zwei Triebwerken gleichzeitig den Geist aufgeben – mein Gott, das kommt bei den besten Mobilien vor!

Außenministerin Benita Ferrero-Waldner schließlich konnte es gar nicht erwarten, von der ÖVP offiziell als Hofburg-Kandidatin nominiert zu werden. Sie ließ ein überparteiliches Personenkomitee aufbieten, das zwischen ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel und Kammersänger Kurt Rydl alles vereint, was in gewissen Kreisen Rang und Namen hat. Im Sinne der Karrierelogik klarer Verhältnisse hatte Ferrero-Waldner kurz vor Weihnachten auch noch den kirchlichen Segen für ihre zweite Ehe eingeholt.

Im Hause Fendrich dagegen hängt der Segen länger schon so heillos schief, dass nicht einmal päpstliche Interventionen noch etwas auszurichten vermöchten. Natürlich wären die Ehe- und Scheidungsdramen von Rainhard und Andrea Fendrich nach zivilisierten Maßstäben deren Privatangelegenheit – hätten die beiden nicht in einem letzten Akt paradoxer Übereinstimmung beschlossen, sie zu einer eminent öffentlichen, ja zu Österreichs causa prima zu machen. Und natürlich lässt die Öffentlichkeit sich nicht zweimal bitten, gebannt den ganzen Unrat zu begutachten, der sich im Lauf der Jahre offenbar unter den Bettdecken der Fendrichs angesammelt hat. Praktisch im Tagestakt werden neue wüste Pikanterien gestreut, von „Bild“ über „News“ bis zu „Chmelar live“. Und keiner schürt das Strohfeuer der Indiskretionen verbissener als Rainhard „Herzblatt“ Fendrich selbst, der fassungslos etwa die Schmach schildert, in seinem Schrank auf fremder Herren Unterhosen zu stoßen.

Die Abgründe, die sich hier auftun, erscheinen allerdings weniger faszinierend als die geradezu schmerzhafte Bereitwilligkeit des, nach eigenem Bekunden, multipel gehörnten Austropoppers, sich coram publico immer wieder in diese Abgründe zu stürzen wie ein Lemming auf Autopilot. Was treibt einen erfolgreichen, in Österreich beispiellos populären Entertainer dazu, seine ganze Selbstachtung preiszugeben und auf dem Altar der Publizität alles zu opfern, was man, einigermaßen altmodisch, unter dem Begriff Stolz subsumieren könnte? Ist es Narzissmus, Verbitterung, Naivität, Dummheit? Oder schlicht Kalkül? Schließlich verspricht Fendrich für Ostern (das Fest der Wiederauferstehung!) seine neue CD „Fernweh“.

Wahrscheinlich weiß er es selber nicht so genau. Wissen müsste gerade er als Öffentlichkeitsprofi allerdings, dass die medialen Mechanismen, deren er sich nun so hemmungslos bedient, um sein wundes Ego zu bandagieren, dieselben Mechanismen sind, an denen sein allem Anschein nach so labiles Ego am Ende nur zerbrechen kann.

Irgendwann, ziemlich bald vielleicht schon, wird Fendrich wieder so weit bei Sinnen sein, dass er über sein von ihm selbst gefertigtes mediales Zerrbild erschrickt – und er wird nicht zögern, die „Medien“ für ihre menschenverachtende Sensationsgeilheit zu geißeln und sein Grundrecht auf Privatsphäre einzufordern. In zahllosen Exklusivinterviews wahrscheinlich, zur Veröffentlichung seiner Best-of-CD „Abendrot“.

Das nächste Opfer steht auch schon fest: Arabella Kiesbauer, frisch verliebt, schleppt ihr neues Herzblatt zwar nicht gleich in die Kirche, aber dafür zum exklusiven Foto-Shooting vor den heimelig flackernden Kamin – wenige Wochen nachdem sie in Interviews ausführlich dargelegt hat, warum sie keine Interviews zur Trennung von ihrem langjährigen Lebensabschnittsgefährten zu geben gedenke. Wir sind jedenfalls schon sehr gespannt, welche Geheimnisse ihr Wäscheschrank birgt.

Die markanteste Charaktereigenschaft der österreichischen Prominenz ist wohl ihr fataler Hang zur Tragikomik. Möglicherweise ist dieser Hang sogar die unabdingbare Voraussetzung für wahre Prominenz. Den Gipfel der Popularität erreicht demnach, wer nicht davor zurückschreckt, sich im Ernstfall rückhaltlos der Lächerlichkeit preiszugeben. Wer jedoch bereit ist, diesen Preis zu zahlen, hat es sich auch redlich verdient, in Österreich prominent zu sein. In die Privatsphäre kann man sich danach immer noch zurückziehen – wenn niemand mehr die Kraft hat, über einen zu lachen.