Ist da jemand?

Schöpfung ohne Gott

Schöpfung. Das Universum braucht keinen Gott, sagt Star-Physiker Stephen Hawking

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Im Rollstuhl wirkt sein Körper zusammengefaltet. Vom Kopf über die Hände bis zu den Beinen ist alles schief, sogar Augen und Mund. Stephen Hawking leidet seit Studententagen an der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), einer degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems, die nach und nach zur völligen Lähmung führt. Vermutlich handelt es sich um eine chronisch juvenile ALS, die durch einen extrem langen Krankheitsverlauf charakterisiert ist. Seit mehr als 40 Jahren ist Hawking an den Rollstuhl gefesselt, durch einen Luftröhrenschnitt verlor er 1985 die Fähigkeit zu sprechen. Seither nutzt er für die verbale Kommunikation einen Sprachcomputer, den er anfangs durch Bewegungen seines rechten Wangenmuskels bediente. Mittlerweile werden die Bewegungen der Pupillen zur Steuerung genutzt.

Rezensenten seiner zahlreichen populärwissenschaftlichen Bücher spekulieren, die Kombination aus einem schwerstbehinderten Körper und einem genialen Geist mache einen Teil seiner Faszination aus. Den anderen Teil bildet aber zweifellos der Gegenstand, den der Astrophysiker Hawking immer wieder für ein breiteres Publikum sprachlich brillant aufbereitet – Fragen, welche die Menschheit seit Beginn der Zivilisation beschäftigen: Warum gibt es uns? Warum gibt es die Welt? Wie ist das Universum entstanden? In seinem neuesten, zusammen mit Leonard Mlodinow verfassten Buch „Der große Entwurf. Eine neue Erklärung des Universums“ schreibt Hawking, unser Universum sei nicht das einzige, sondern „eines unter einer Vielzahl von Universen, die aus dem Nichts geschaffen wurden. Ihre Schöpfung ist nicht auf die Intervention eines übernatürlichen Wesens oder Gottes angewiesen.“

So eine Aussage als atheistisch zu qualifizieren, geht an der Sache vorbei. Denn Wissenschaft ist etwas grundlegend anderes als Religion. Da geht es nicht ums Glauben, sondern um eine möglichst freie und unbeeinflusste Suche nach Erkenntnis. Weil sich Religion und Kirche in der Vergangenheit auf fatale Weise in die Arbeit der Wissenschafter eingemischt haben – was gebildete und aufgeklärte Kirchenvertreter wie Gregor Henckel-Donnersmarck, Abt des Zisterzienserstifts Heiligenkreuz im Wienerwald, heute als bedauerlichen Fehler bezeichnen –, reagieren Wissenschafter äußerst empfindlich auf jeden Versuch, Wissenschaft und Religion zu verquicken. In diesem Licht muss man auch Hawkings Aussage sehen, dass die Entstehung des Universums keines Schöpfers bedürfe.

Hawking, Mitglied der Päpstlichen Akademie, der noch vor zwei Jahrzehnten von „möglichen Hinweisen auf einen Plan Gottes“ sprach, ist deshalb noch kein Atheist, allenfalls ein Agnostiker. In ­einer Mitte November vom „Time Magazine“ gemeinsam mit dem TV-Nachrichtensender CNN veranstalteten Publikumsaktion beantwortete er zehn Fragen, darunter diese: Wenn Gott nicht existiert, warum erlangte das Konzept seiner Existenz nahezu Universalität? Hawking: „Ich behaupte nicht, dass Gott nicht existiert. Gott ist der Name, mit dem die Leute den Grund bezeichnen, warum wir hier sind. Aber ich denke, dass der Grund eher die Gesetze der Physik sind als jemand, mit dem man eine persönliche Beziehung haben kann. Ein unpersönlicher Gott.“ Aber Hawking will gar keine Fragen nach einem Gott – anders als der 2005 verstorbene österreichische Biologe und praktizierende Katholik Rupert Riedl, der einst einen Artikel über den Urknall und die biologische Evolution mit dem Satz beendete: „Man wird ja fragen dürfen, wer die Gesetze gemacht hat.“

Glühender Atheist.
Ganz anders argumentiert der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins in seinem neuen Buch „Die Schöpfungslüge“, das vier Wochen nach Hawkings „Der große Entwurf“ auf den Markt kam. Auf mehr als 500 Seiten beweist er darin Punkt für Punkt, warum Darwins Evolutionstheorie keine Theorie, sondern eine Tatsache ist. „Richard Dawkins ist ein beeindruckender Denker. Er widerlegt die Argumente seiner Gegner mit der Präzision eines Staranwalts“, urteilt die Londoner „Times“. Aber anders als Hawking ist der ebenfalls weltbekannte Dawkins ein glühender Atheist, der aufgrund einer „langen Kriminalgeschichte der Religionen“ zu dem Schluss kommt, dass wir ohne Religionen besser dran wären. Als deklarierter Humanist, der ethisches und moralisches Verhalten aus vernünftigen Überlegungen generiert wissen will, hält er die Verbindung von Ethik und Religion für einen Irrtum. „Unsere moralischen Werte können wir gar nicht aus der Bibel beziehen, denn der Gott der Bibel ist eine eifersüchtige, jähzornige, kindermörderische Figur.“ Und: „Wenn Sie Ihre moralischen Werte aus der Bibel bezögen, würden Sie Ehebrecherinnen steinigen.“

Weil Dawkins seinen Kreuzzug gegen die Religion mit missionarischem Eifer führt, wirft ihm der Wiener Physiker Walter Thirring vor, diese Form des Atheismus sei wieder eine Art Religion, die Dawkins zu bekämpfen vorgebe. Thirring, Doyen der österreichischen Physik, beschäftigt sich sowohl als Naturwissenschafter wie als praktizierender Protestant und Mitglied der Päpstlichen Akademie mit der Frage, wie das Universum und das irdische Leben entstanden sind. Auch wenn der Zugang des Naturwissenschafters prinzipiell atheistisch sein müsse, so dürfe er sich außerhalb seiner Arbeit durchaus die Frage stellen, ob hinter der Feinabstimmung der Naturkonstanten, die das irdische Leben erst ermögliche, nicht doch ein intelligenter Entwurf, also Gott, stehe. Auch Thirring hat seine diesbezüglichen Gedanken – zusammen mit dem Wiener Hormonforscher und Theologen Johannes Huber – zu Papier gebracht und wird sie im Jänner unter dem Titel „Das Design der Schöpfung“ in Buchform herausbringen.

Damit ist innerhalb von zwei Jahren eine ganze Reihe von Büchern zu der Frage erschienen, ob die Entstehung des Universums und des irdischen Lebens einen Schöpfergott brauchen oder nicht. Den Anfang machte im Dezember 2008 der Astronom Ronald Weinberger vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck mit seinem volksnahen Buch „Die Astronomie und der liebe Gott“. Weinberger: „Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass das Universum aus sich selbst entstanden ist, ohne eine lenkende Hand. Persönlich würde ich mich als einen agnostischen Beinahe-Atheisten bezeichnen.“ Im vergangenen Jänner folgte dann der Wiener Physiker Josef Tomiska mit seinem Buch „Physik, Gott und die Materie“. Darin argumentiert der Forscher, Gott und Wissenschaft seien keine Gegensätze, und erklärt, wie sich die beiden Weltbilder voneinander entfernt haben, warum sie doch zusammenpassen oder sich ergänzen.

Über Jahrtausende hatten die Menschen in ihrer Unwissenheit auf Fragen nach dem Woher und Warum keine anderen Antworten als Gott oder die Götter, bis die kopernikanische Wende die Tür zu einer naturwissenschaftlichen Erklärungsebene ­aufstieß. Seither haben viele Forschergenerationen ganze Bibliotheken von Erkenntnissen und Wissen zusammengetragen – über Galaxien, Sternenhaufen und Planeten, die Raumzeit und über die Anfänge des sich ständig ausdehnenden Universums. Aber eines können sie noch nicht hundertprozentig erklären: Was genau in den ersten Billionstel­sekunden nach dem Urknall passiert ist, in denen sich das Universum aus einem kleinen, ungeheuer dichten und energiereichen Materiekern schlagartig zu kosmischer Dimension aufgebläht hat.

Teilchenexplosionen.
Im größten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem Large Hadron Collider beim Kernforschungszentrum CERN in Genf, versuchen Physiker aus aller Welt, sich jener Frage zu nähern. Zu diesem Zweck werden in einem unterirdischen kreisförmigen Tunnel von 27 Kilometer Durchmesser in einem Röhrensystem Protonen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und dann gegeneinandergeschossen. Bei den dabei entstehenden Teilchenexplosionen müsste eine „neue Physik“ sichtbar werden, so hoffen die Forscher. Vor allem sollten jene Teilchen frei werden, deren Existenz das theoretische Entstehungsbild des Universums beweisen und uns zeigen könnte, wie der Kosmos wirklich entstanden ist.
Der Wiener Quantenphysiker Peter Weinberger (nicht zu verwechseln mit dem Innsbrucker Astronomen Ronald Weinberger) ist skeptisch, ob das gelingen wird: „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Die jetzige naturwissenschaftliche Erklärung basiert auf einer Extrapolation der Zeit zurück. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt gibt es Vorstellungen und Theorien oder auch handfeste Beweise, wie das ablaufen konnte. Aber es fehlt der Beginn.“

Seit Einstein war der „Urknall“ die letzte Grenze, hinter die kein Physiker vordringen konnte. Selbst für die Allgemeine ­Relativitätstheorie gilt dieser Zeitpunkt als so genannte „Singularität“, die sich nicht mehr mit ihren Gleichungen berechnen lässt und wo die physikalischen Gesetzmäßigkeiten nicht mehr definiert sind. Für diesen Zeitpunkt setzen wir den Beginn unseres Universums an. Doch was war davor? Martin Bojowald, ein junger deutscher ­Physiker an der Pennsylvania State University, erregte Aufsehen in der Fachwelt, nachdem es ihm und seinen Mitarbeitern gelungen war, mit einer Reihe von kombinierten Gleichungen aus Quanten- und Relativitätstheorie näher als jemals jemand zuvor an den Urknall her­anzukommen – und sogar ­darüber hinaus.

Mit mathematischen Werkzeugen stießen die Forscher plötzlich ein Fenster auf, das Einblicke in das gewährt, was vor dem Urknall war. Bojowalds Rechenoperationen lieferten verblüffende Erkenntnisse über eine aufregend unbekannte Welt mit negativer Zeit, „umgestülpen Raumverhältnissen“ und einem Universum, das sich zusammenzieht, um nach dem „Big Bang“ wieder zu expandieren. In einem im Vorjahr veröffentlichten und kürzlich auch als Taschenbuch erschienenen Werk mit dem Titel „Zurück vor den Urknall“ führt Bojowald durch die heutige Kosmologie, zurück bis zu den Anfängen und in die Zeit davor. „Wenn der Mann und sein Team Recht haben, und bisher wurden sie nicht widerlegt, dann gibt es eine Zeit, die nicht beim letzten Urknall begonnen hat“, erklärt der Innsbrucker Astronom Ronald Weinberger.

Zwar gehen die meisten Astrophysiker von einem Urknall als Start unseres Kosmos aus, wonach sich aus einem nahezu punktförmigen Zustand unendlicher Dichte und Hitze schlagartig das Universum aufgebläht hat und sich seither immer weiter ausdehnt, aber nicht alle Forscher der Zunft können diesem Bild etwas abgewinnen. Der prominente britische Mathematiker, Physiker, Philosoph und Autor Roger Penrose ist schon länger überzeugt, dass unser Universum keinen definitiven Anfang hatte und dass der so genannte Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren nur eine Übergangsphase zwischen zwei kosmischen Zeitaltern darstelle. Laut Penrose hat es Raum und Zeit schon davor gegeben, und „urgeknallt“ hat es schon mehrfach, vielleicht sogar unendlich oft.

Diese Theorie mit der Bezeichnung Conformal Cyclic Cosmology (CCC) war bisher umstritten, doch wie ORF Science am Montag der Vorwoche meldete, legen Penrose (Oxford) und sein armenischer Kollege Vehe Gurzadyan (Jerewan) nun Daten vor, die der These neue Nahrung geben. In siebenjähriger Arbeit hatte Gurzadyan die kosmische Hintergrundstrahlung nach Signalen aus der Zeit vor dem Urknall durchforstet und wurde in den Datensätzen der 2001 gestarteten NASA-Sonde WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe) und des 1998 gestarteten Ballon-Teleskops Boomerang ­(Balloon Observations of Millimetric Extra­galactic Radiation and Geophysics) fündig: Er fand konzentrisch angeordnete Ringe mit deutlich niedrigeren Temperaturschwankungen als in der Umgebung. Diese Ringe, so die beiden Forscher, seien Überreste von Gravitationswellen, die beim Zusammenprall von supermassiven schwarzen Löchern vor unserem kosmischen Zeitalter entstanden seien, also vor dem letzten Urknall. Die Ringe zeigten einen Blick „durch den Urknall hindurch“.

Dass Universen entstehen, sich ausdehnen, wieder zusammenziehen und neuerlich starten, ist auch für Laien vorstellbar. Nicht nachvollziehbar oder sogar verstörend ist es, wenn Wissenschafter wie Hawking behaupten, das Universum sei aus dem Nichts entstanden, ohne dass es eines Schöpfers bedurfte. Tatsächlich ist für Physiker das Nichts nicht nichts. Denn selbst im physikalischen Vakuum gebe es Quanten, Teilchen im subatomaren Bereich mit einem Eigenleben, das sich unserem Erfahrungshorizont entzieht. So genannte Quanten- oder Vakuumfluktuationen könnten immer wieder zu einer Art Urknall und zur Entstehung eines Universums führen, auch deshalb, weil Energie auch in Form ganz bestimmter Teilchen vorhanden sein kann. Es gibt eine Reihe von Theorien, die das so sehen, wie etwa die Quantengravitation, die Inflationstheorie oder die von Hawking als Erklärungsmodell für fast alles angeführte M-Theorie, ein Überbegriff von mehreren Theorien.

Anfangsbedingungen.
Der durch seine spektakulären Teleportationsexperimente weltweit bekannt gewordene Wiener Experimentalphysiker Anton Zeilinger hält von der Behauptung Hawkings, die M-Theorie mache einen Schöpfer überflüssig, nichts. „Wenn das nicht von Hawking käme, würde es kaum jemand beachten. Und über einen Schöpfer sagt das nichts aus.“ Zeilinger sieht im Hinblick auf die Entstehung des Universums zwei offene Fragen, auf die die Naturwissenschaft „keine Antwort findet und keine finden wird. Erstens: Woher kommen die Naturgesetze? Zweitens: Woher kommen die Anfangsbedingungen? Man kann sich einen Gott denken oder auch nicht. Für mich existiert Gott auf einer abs­trakten Ebene, die Evolution ist für mich eine Schöpfung Gottes.“

In der Physik gibt es laut Zeilinger Fragen „wie etwa die des quantenmechanischen Zufalls, wo wir sagen: Dafür gibt es keine Ursache, auch keine verborgene Ursache. Da ist Raum für Gott.“ Darüber hinaus geht es Zeilinger auch um philosophische und erkenntnistheoretische Fragen, wie etwa die Frage der Grenzen dessen, was wir wissen können. Er hält es für „tragisch“, dass die Kluft zwischen Naturwissenschaft und Philosophie so groß geworden ist, dass Hawking in seinem neuen Buch den Satz schreiben kann: „Die Philosophie ist tot.“ Zeilinger: „Wenn wir mit unseren Erkenntnissen sehr tief vordringen, brauchen wir die Philosophie.“

Hawking hingegen behauptet, die Philosophie habe mit den neueren Entwicklungen in der Naturwissenschaft, vor allem in der Physik, nicht Schritt gehalten. Jetzt seien es die Naturwissenschafter, die mit ihren Entdeckungen die Suche nach Erkenntnis voranbringen.

„Es ist nur die alte Philosophie tot“
, meint hingegen Quantenphysiker Peter Weinberger, „die neue Philosophie hat eine Menge zu sagen.“ Als Beispiel führt Weinberger ein im Jahr 2002 erschienenes Buch seines Freundes Simon Altmann an mit dem Titel „Is Nature Supernatural? A Philosophical Exploration of Science and Nature“. Weinberger: „Das ist eine amüsante Fragestellung und ein sinnvoller Ansatz für eine neuere Philosophie.“

Den Wiener Philosophen Konrad Paul Liessmann schreckt Hawkings Aussage ganz und gar nicht. „Die Philosophie wurde schon so oft für tot erklärt, dass das einen Philosophen nicht erschüttern kann.“ Die Vorstellung von einer Philosophie, die wie in der Antike alle Wissensbereiche beherrscht, sei spätestens seit der Ausdifferenzierung der Wissenschaften in der Renaissance passé. Diesen Anspruch habe die Philosophie auch nicht mehr gestellt, und wenn, dann in der Interpretation der naturwissenschaftlichen Ergebnisse und Erkenntnisse. Und Hawkings These von einer Entstehung des Universums ohne einen göttlichen Schöpfer sei eigentlich ein alter Hut.

Zwischen 1799 und 1823 verfasste der französische Mathematiker und Astronom Pierre-Simon Laplace sein Hauptwerk „Traité de Mécanique Céleste“ (Abhandlung über die Himmelsmechanik). Dieses fünfbändige Buch erschien auf Deutsch unter dem Namen „Himmelsmechanik“. Darin gab der Forscher einen Überblick über alle seit Newton gewonnenen Erkenntnisse sowie über seine eigenen Forschungen und lieferte mathematische Belege für die Stabilität der Planetenbahnen. Als er sein Buch Napoleon präsentierte, fragte dieser: „Warum haben Sie dieses Buch über das Weltall geschrieben, aber nicht einmal seinen Schöpfer erwähnt?“ Laplace antwortete: „Diese Hypothese habe ich nicht benötigt.“

Aufbauend auf Laplace versuchte der deutsche Philosoph Immanuel Kant, eine erste konzise, rein naturwissenschaftliche Theorie der Entwicklung des Planetensystems zu entwickeln und dabei zu zeigen, dass die Entstehung des Universums auch ohne die Schöpfer-Hypothese möglich sei. „Hier bezieht Hawking mit großem Pathos Positionen, die 200 Jahre alt sind“, kritisiert Liessmann. „Das ist eher ein Dokument einer gewissen philosophischen Unkenntnis, als dass das etwas Neues wäre.“

Aber Schöpfer oder nicht – diese Frage scheint in beiden Varianten ein Verkaufsargument für die Verlage zu sein, wie Hawkings frühere Ehefrau einmal andeutete. Seit der Aufregung um die Kreationisten in den USA vor fünf Jahren, ihre wörtliche Bibelauslegung und das Schlagwort vom „Intelligent Design“ nehmen die Buchtitel mit Vorliebe darauf Bezug. So heißt Hawkings neues Werk im Original „The Grand Design“, und das im Jänner erscheinende Buch von Thirring und Huber wird den Titel „Das Design der Schöpfung“ tragen.

„Es gab eine historische Zeit, in der Religion und Kirche inkompetent in die Wissenschaft hineinregierten“, sagt Abt Gregor Henckel-Donnersmarck, „heute ist es umgekehrt: Leute wie Dawkins überschreiten mit ihren Aussagen über das Universum und die Evolution ohne Schöpfergott ihre Kompetenz als Naturwissenschafter.“ Bei Dawkins scheint der Vorwurf gerechtfertigt, weil er die Nichtexistenz Gottes postuliert, ohne dass sich das wissenschaftlich beweisen ließe. Anders wäre das bei Hawking, solange dieser nur behauptet, das Universum ist ohne göttlichen Eingriff aus sich selbst entstanden, ohne damit zu ­sagen, es gebe keinen Gott. Der Wiener ­Astrophysiker Heinz Oberhummer sagt das um eine Nuance anders: „Man kann einen Schöpfer annehmen. Aber wer ist der Schöpfer des Schöpfers? Theologen sagen: Er erschafft sich selbst – aber das kann das Universum auch.“

Lesen Sie im profil 49/2010 ein Interview mit dem Physiker Walter Thirring und dem Hormonforscher und Theologen Johannes Huber über ihr neues Buch und die Schöpfung ohne Gott.