Schüssel und die Schwulen

Schüssel und die Schwulen

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Diesmal ist es kein brauner FPÖ-Rülpser, zu dem Wolfgang Schüssel „nichts weiter sagen“ will, sondern die Forderung seines Parteifreundes Christopher Drexler, Schwulen eingetragene Partnerschaften zu ermöglichen.

Offenbar kann Schüssel nicht anders: So wie ein Koalitionspartner für ihn ein Koalitionspartner bleibt, auch wenn er sich noch so unmöglich benimmt, bleibt Homosexualität für ihn eine Todsünde, auch wenn sie von sieben Prozent der Menschen begangen wird.

Für jemanden, der aus freien Stücken tageweise in Klöstern einkehrt, ist Homosexualität des Teufels – auch wenn ihm dort weit eher ein Schwuler begegnet.
Dass sogar die Frömmsten der gleichgeschlechtlichen Versuchung erliegen, ist für rechte Katholiken kein Grund, an ihrer Sündhaftigkeit zu zweifeln, sondern im Gegenteil Auftrag, ihr noch energischer entgegenzutreten. Insofern besteht zwischen den Vorkommnissen im Priesterseminar und der Haltung der katholischen Kirche nicht der geringste Widerspruch, und auch Schüssels Haltung ist in sich kohärent: Man kann nicht katholisch sein und die Homo-Ehe betreiben.

Aber er muss sie ja nicht betreiben. Was von ihm verlangt wird, ist die Bereitschaft, eine Forderung, die an ihn herangetragen wird, trotz seiner katholischen Überzeugung sachlich zu diskutieren. Das zählt zur Verpflichtung eines Kanzlers, zwischen Kirche und Staat zu trennen.

Dass Schüssel bei dieser Diskussion nicht unbefangen sein kann, ist ihm nicht anzukreiden – fast jeder ist befangen. Ich zum Beispiel kann nicht beiseite schieben, dass einer meiner drei Söhne homosexuell ist: Natürlich will ich ihn nicht als „Sünder“, sondern als glücklichen Menschen sehen.

Natürlich ist auch die lesbische linke Grüne Ulrike Lunacek oder HOSI-General Horst Krickler befangen, und auch sie sollten sich dieser Befangenheit gelegentlich bewusst sein.

Dann kann man vielleicht doch halbwegs unbefangen miteinander reden.

Es gibt nämlich das Problem, dass kämpferische Schwule selbst liberale Heteros wie Hans Rauscher manchmal überfordern. Selbst ich habe trotz meines schwulen Sohnes Probleme, Homos voll und ganz wie Heteros zu sehen: Es irritiert mich zum Beispiel, wenn sie einander vor laufender Kamera Zungenküsse geben.

Vielleicht gibt sich das – aber auch unsereins braucht Zeit. Es gelingt mir auch nicht, auf Anhieb die politisch korrekte These zu teilen, dass Homosexualität genetisch vorgegeben ist, denn dann müsste die Zahl der Schwulen langsam abnehmen, weil sie sich doch wohl weniger fortpflanzen. Noch vor dreißig Jahren galt deshalb als wissenschaftlich unbestritten, dass die homosexuelle Entwicklung irgendwann in der Kindheit durch das Verhältnis zu den Eltern grundgelegt wird (und eine gewisse genetische Veranlagung allenfalls dazu beiträgt). Solange man diese psychodynamische Sicht nicht völlig verwirft, ist es nicht völlig gleichgültig, wie die Gesellschaft mit älteren Schwulen umgeht, die Jugendliche in ihre Form der Sexualität einführen. Weil Burschen in ihrer sexuellen Entwicklung später als Mädchen dran sind, so haben Österreichs führende Psychiater damals argumentiert, ist ein unterschiedliches Schutzalter angemessen.

Heute halten die nunmehr führenden Psychiater das für blanken Unsinn, und die Gesellschaft hält es für reaktionär.

Trotzdem sollten wir bei unserer „rein sachlichen“ Diskussion auch das nicht völlig vergessen: Niemand kann heute ganz sicher sein, was Psychiater morgen blanken Unsinn nennen.

Sicher ist freilich, dass eine homosexuelle Entwicklung spätestens dann abgeschlossen ist, wenn sich der Betreffende zu ihr bekennt. Diese Gewissheit bestimmt – abseits der Liebe zu meinem Sohn – meine Haltung zur „eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft“: Die Gesellschaft muss ein Interesse daran haben, dass Menschen als „Partner“ füreinander Verantwortung übernehmen – gleich ob als Mann und Frau, als Mann und Mann oder Frau und Frau. Diese gegenseitige Verantwortung wird durch die Zuteilung gegenseitiger Rechte und Pflichten gestärkt, und die erfolgt am besten in einem normierten gesetzlichen Rahmen.
Die „eingetragene Partnerschaft“ ist ein solcher.

Man kann vom Katholiken Schüssel verlangen, dass er das sachlich akzeptiert.
Dagegen bin ich nicht ganz sicher, wie weise es ist, solchen Partnerschaften – wie in Holland oder Schweden – auch das Recht auf Adoption zuzugestehen, es sei denn, ein Partner bringt Kinder aus einer heterosexuellen Ehe mit. Bei der Adoption fremder Kinder würde ich hingegen abwarten, wie weit sie sich in den genannten Ländern bewährt. Kinder verpflichten zu Vorsicht, wenn man Neuland betritt.

Im Allgemeinen werden sie wohl weiterhin in heterosexuellen Partnerschaften aufwachsen, und das liefert Schüssel & Co ein willkommenes Sachargument, die völlige Gleichstellung schwuler Partnerschaften mit der „Ehe“ jedenfalls abzulehnen: „Ehe“ würde staatlich gefördert, weil sie mehrheitlich dem Aufziehen von Kindern dient.

Aber in Wahrheit lässt sich das natürlich trennen: Man kann „Kindererziehung“ anstelle von „Ehe“ fördern. „Sachlich“ scheint mir die Homo-Ehe daher kein wirkliches Problem. Emotional dagegen sehr wohl: Das Wort Ehe strotzt von katholischer Tradition. Man kann von Schüssel verlangen, dass er gegen seine katholische Überzeugung ein liberales Partnerschaftsmodell zulässt – man kann von Schwulen verlangen, katholische Tradition zu respektieren.