Schwarze Netzwerke

Das Kabinett des Ernst Strasser: wie die damaligen Mitarbeiter heute noch miteinander verbunden.

Drucken

Schriftgröße

Die Aussage kam so überraschend, dass der zuständige Staatsanwalt im ersten Moment gar nicht recht registrierte, was Gernot Schieszler hier gesagt hatte. Er wisse eh, was die Staatsanwaltschaft vorhabe, hatte der ehemalige Telekom-Manager im Sommer im Zuge einer Einvernahme beiläufig erwähnt, die Justiz wolle ihm, Schieszler, die Kronzeugenregelung anbieten.

Konnte der Mann in die Zukunft blicken, Entscheidungen voraussehen, Entwicklungen erahnen? Nachdem Staatsanwälte eher pragmatisch als esoterisch sind, zogen sie den einzig richtigen Schluss: Jemand, der Zugang zur Aktenlage hat, musste geplaudert haben.

Nur: Wer?

Auch das konnte Schieszler beantworten. Christoph Ulmer, vormals Kabinettschef im Innenministerium unter Ernst Strasser, soll ihm diese Information gesteckt haben.

Es sollte nicht der einzige Tipp sein, der im Zuge der laufenden Ermittlungen von unbefugter Stelle ausgeplaudert worden war. In der Vorwoche hatte profil berichtet, dass Mitte August ein Telekom-Mitarbeiter einen Anruf erhalten hatte, wonach das Innenministerium über die Kommunikationsstrategie der Telekom in Sachen Alfons Mensdorff-Pouilly nicht erfreut sei. Dieser Anruf zog eine Unterredung mit Telekom-Managern im Innenministerium nach sich. Im Laufe der Unterhaltung soll sich der Kabinettschef der VP-Innenministerin, Michael Kloibmüller, gegenüber der Telekom zu einer "ernstzunehmenden Warnung, die nicht als Drohung zu verstehen sei“, hinreißen haben lassen.

Der Anrufer, der das Treffen überhaupt erst ausgelöst hatte, war Wolfgang Gattringer, einst Referent im Kabinett Strasser, Tetron-Beauftragter und enger Freund Ulmers.

Woher haben Ulmer und Gattringer - welche die beschriebenen Sachverhalte im Übrigen vehement bestreiten - ihre Informationen? Und zu welchem Nutzen tragen sie diese weiter?

Um zu verstehen, welche Netzwerke hier gespannt sind, muss man in die Anfänge dieses Jahrtausends zurückgehen. Die ÖVP übernahm im Februar 2000 das jahrzehntelang rot regierte Innenministerium. Ernst Strassers Büro wurde von Christoph Ulmer, vormals engster Mitarbeiter von Maria Rauch-Kallat in der VP-Bundespartei, geführt. Rauch-Kallat war seit 1995 mit Mensdorff-Pouilly verheiratet. Damals lernte ihn Ulmer kennen.

Ulmer holte den Christgewerkschafter und Sicherheitsbeamten Hermann Feiner als Referenten und Johannes Rauch als Pressesprecher in die Herrengasse. Rauch, wie Ulmer Tiroler, ist heute VP-Generalsekretär. Wolfgang Gattringer kam über die ÖH-Schiene zum Team. Und dann war da noch Michael Kloibmüller, der Polizist aus Oberösterreich, der erst die Sicherheitsagenden und später sehr effizient die schwarze Personalentwicklung in der Exekutive betreute.

Ulmer, Gattringer, Feiner, Rauch, Kloibmüller: Das war Strassers Buberlpartie - ehrgeizig, karrierebewusst und mit viel Macht ausgestattet.

Schon damals begann Mensdorff, sich aufopfernd um die Freizeitgestaltung von Strassers Kabinett zu kümmern. Immer wieder flatterten Jagdeinladungen ins Haus, welche Ulmer via Mail an die Freunde im Kabinett weiterleitete.

Ab 2003 wurde das Team neu aufgemischt. Gattringer hatte nun das Blaulichtprojekt zu leiten, Ulmer verließ das Kabinett - blieb dem Ministerium als Tetron-Konsulent aber erhalten. Feiner wechselte für kurze Zeit in die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Rauch stieg nach Strassers Rücktritt zum Pressesprecher auf und dann in die Tiroler Landespolitik um, Kloibmüller machte im Gesundheitsressort Karriere.

Die Verbindungen, die einst geschmiedet worden waren, brachen nicht ab. Das zeigte sich ab 2008. Ulmer, mittlerweile Mitgesellschafter der Werbeagentur Headquarter, wurde in der ÖVP wieder umtriebig. Er versuchte sich als Berater des Finanzministers und fasste vor allem Fuß im Innenministerium. Dort war mittlerweile Michael Kloibmüller zum Kabinettschef avanciert. Die Aufträge des Innenressorts spielten Headquarter seit 2008 immerhin 300.000 Euro ein. Vergangenes Jahr betreute Ulmer für die ÖVP auch die Landtagswahlkämpfe in der Steiermark und in Wien. Beide Kampagnen endeten im Desaster. Johannes Rauch, heute VP-Generalsekretär, scheint sich daran nicht zu stoßen. Er holte Ulmer als seinen strategischen Berater an Bord. Eine gute Wahl, eigentlich: Ulmer kennt die Partei, und er weiß, wie man Informationen generiert.

Im Vorjahr wurden im Innenministerium die Aufgaben neu verteilt: Die Sektion IV leitet nun ein alter Weggefährte Ulmers, nämlich Hermann Feiner. Dessen Agenden haben es in sich: Feiner ist nicht nur für die Auftragsvergaben des Innenministeriums zuständig - und damit auch für Aufträge an Headquarter. Ihm untersteht auch das BAK, das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung. Jene Sonderabteilung also, welche für die Telekom-Ermittlungen zuständig ist. Wolfgang Gattringer wiederum hat sich selbstständig gemacht. Einen Auftrag aus der Vergangenheit hat er sich allerdings in die Gegenwart gerettet: Für die Tetron Sicherheitsnetz Errichtungs GmbH ist er nach wie vor tätig.