Schwere Vorwürfe der Notenbank

Exklusiv. Prüfbericht über die Meinl Bank

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Am 13. September 2007, wenige Wochen nach Auffliegen des Skandals um verheimlichte Wertpapierrückkäufe bei der börsennotierten Immobiliengesellschaft Meinl European Land Ltd. (MEL), hatte die Finanzmarktaufsicht eine so genannte Vor-Ort-Prüfung der kleinen Wiener Privatbank veranlasst, um vermuteten Ungereimtheiten in Zusammenhang mit den Wertpapiertransaktionen nachzugehen.
Das sechsköpfige OeNB-Team um Prüfungsleiter Johannes Turner nahm sich Zeit. Vier Monate waren die Experten unablässig damit beschäftigt, die Bücher der Meinl Bank auf Querverbindungen zu MEL und den anderen zwei Meinl-Gesellschaften an der Wiener Börse, Meinl International Power (MIP) beziehungsweise Meinl Airports International (MAI), zu durchleuchten.

Das Ergebnis umfasst 109 Seiten, gegliedert in 15 Kapitel beziehungsweise 487 Punkte, und wurde nach Fertigstellung Mitte Jänner zur Verschlusssache erklärt. Entsprechend klein der Kreis der Adressaten: Von den drei durchnummerierten Prüfberichten ging ein Exemplar an die Finanzmarktaufsicht, eines an die Meinl Bank und eines an die Staatsanwaltschaft Wien. Immerhin waren zum Zeitpunkt der OeNB-Prüfung bereits staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Bankier Julius Meinl und andere Personen wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs anhängig (für alle Beteiligten gilt bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung ausnahmslos die Unschuldsvermutung). „Die Untersuchungen laufen nach wie vor“, so Gerhard Jarosch, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien. Ob es im Lichte der Beweislage zu einer Anklage kommt, will er mit Hinweis auf die Amtsverschwiegenheit nicht sagen. „Seien Sie versichert, dass sich einiges tut.“

Bis heute hielt sich in der Öffentlichkeit das Gerücht, der Prüfbericht enthalte, von vernachlässigbaren Verstößen gegen das Bankwesengesetz einmal abgesehen, keine Hinweise auf Verfehlungen.
Die Annahme bedarf einer Revision. Der Bericht der Oesterreichischen Nationalbank zu den einschlägigen Geschäften der Meinl Bank liegt profil jetzt vollständig und exklusiv vor. Den OeNB-Prüfern taten sich veritable Abgründe auf: rätselhafte Geldtransfers rund um den halben Globus, intransparente Provisionszahlungen, chaotische Verrechnungskonten sowie missverständlich formulierte und datierte Verträge.
Es dürfte die Anleger der Meinl-Gesellschaften im Hinblick auf die nahenden Hauptversammlungen (MEL am 16. Juli auf Jersey; MAI am 28. Juli auf Jersey; MIP am 28. Juli in Wien) brennend interessieren, dass sie mit ihrem Geld über einen längeren Zeitraum Wertpapierspekulationen der Familie Meinl mitfinanzierten – und stets dem vollen Verlustrisiko ausgesetzt waren. Neben Meinl European Land rückt dabei zusehends auch die Energie­gesellschaft MIP ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Jene Gesellschaft also, die von einem gewissen Karl-Heinz Grasser, Finanzminister der Republik Österreich a. D., repräsentiert wird.

Der Bericht ist mit Sicherheitsmerkmalen versehen, die Rückschlüsse auf dessen Herkunft erlauben. Eine Faksimilierung kommt daher nicht infrage. profil veröffentlicht im Folgenden die wichtigsten Passagen im Wortlaut. Zur besseren Verständlichkeit wurde die fortlaufende Punktuation der Nationalbank durchbrochen. 31. Die Finanzmarktaufsicht beauftragte die Oesterreichische Nationalbank am 13. September 2007 …, bei der Meinl Bank AG … das Kredit- und Marktrisiko zu prüfen und dabei insbesondere die wirtschaftlichen/rechtlichen Verflechtungen der Meinl Bank zu Meinl European Land, Meinl Airports International, Meinl International Power … zu evaluieren. 36. Die Bereitstellung der geforderten Unterlagen erfolgte schleppend. Teilweise wurden Unterlagen erst aufgrund der laufenden Erhebungen nachgereicht, obwohl diese bereits bei der OeNB-Erstanforderung seitens der Meinl Bank hätten übergeben werden müssen. 37. Bis zuletzt wurden Unterlagen mit Hinweis auf eine fehlende BWG-rechtliche (Bankwesengesetz, Anm.) Grundlage nicht zur Verfügung gestellt … Darüber hinaus wurden auch andere angeforderte Unterlagen nicht übergeben.

Diese Feststellung der Revisoren zieht sich wie ein roter Faden durch den Bericht. Immer wieder beanstanden sie, dass eingeforderte Dokumente spät oder gar nicht ausgehändigt wurden, was die lückenlose Aufarbeitung der Affäre nachhaltig erschwerte. 1. Von 2003 bis 2006 erhöhte sich die Bilanzsumme der Meinl-Bank-Gruppe von EUR 659 Millionen auf EUR 5600 Millionen, der Konzernüberschuss steigerte sich im selben Zeitraum von EUR 24 Millionen auf EUR 118 Millionen.
2. Hauptverantwortlich für die rasante Geschäftsentwicklung der Bankengruppe war die enge Geschäftsbeziehung zu Meinl European Land (MEL). Die Meinl Bank war … das exklusive Aktien­emissionshaus … Von November 2002 bis Februar 2007 platzierte die Meinl Bank in … zwölf Transaktionen 300 Millionen MEL-Zertifikate (Emissionsvolumen EUR 4,3 Milliarden) bei Investoren. Zusätzlich stand man über … Verträge und Dienstleistungen („Market ­Making“, Managementleistungen durch eine 100-prozentige Tochter der Meinl Bank, Liquiditätsmanage­ment, Überlassung Meinl-Logo und -Name, Platzierung von MEL-Anleihen) in einer sehr guten Geschäftsbeziehung zu MEL. 3. Von 2003 bis September 2007 erwirtschaftete die Meinl-Bank-Gruppe aus der Geschäftsbeziehung zu MEL Erträge in der Höhe von EUR 322 Millionen (netto). Der relative Anteil der MEL-Erträge an den gesamten Betriebserträgen der Bankengruppe war von 2003 bis 2006 kontinuierlich anwachsend, 2006 wurden bereits ca. 60 Prozent der gesamten Betriebserträge aus der Geschäftsbeziehung mit MEL erwirtschaftet. 93. Die Meinl Bank versuchte in 2007 das Geschäftsmodell MEL zu vervielfältigen … Im April 2007 wurde die Meinl Airports International (Emissionsvolumen EUR 699 Millionen) an die Börse gebracht. Anfang August 2007 wurde der Börsegang der Meinl Power International (Emissionsvolumen EUR 599 Millionen) durchgeführt.
96. Bis September (2007, Anm.) wurden allein aus den durchgeführten Börsentransaktionen sowie aus den … beschriebenen Verträgen mit MEL, MAI und MIP Erlöse in Höhe von EUR 168 Millionen erwirtschaftet.
91. … Vorliegende Unterlagen lassen darauf schließen, dass in 2007 über 80 Prozent der Betriebserträge der Meinl-Bank-Gruppe aus den Geschäftsaktivitäten mit MEL, MAI und MIP erzielt wurden.

Ehe Meinl European Land an die Börse kam, war die Meinl Bank ein feines, wenn auch kleines Geldhaus. Die Emission 2002 veränderte vieles. Ein hochkomplexes Vertragswerk sicherte dem Institut fortan laufend substanzielle Einkünfte: Die Bank schnitt bei jeder Kapitalerhöhung kräftig mit, kassierte Provisionen über den Börsenhandel mit Zertifikaten, „Managementgebühren“ für die Verwaltung des Immobilienbestandes und ließ sich sogar die Verwendung des Namens Meinl abgelten. Ähnliche Konstruktionen wurden auch bei den Emissionen von Meinl Airports International (MAI) und Meinl International Power (MIP) im April beziehungsweise ­Juli 2007 gewählt. Die Prüfer stießen bei ihren Recherchen auf bemerkenswerte Vorgänge.

12. Die Managementgesellschaften (verbundene Unternehmen der Meinl Bank) von MEL und MAI haben wegen einer falschen zeitlichen Aliquotierung insgesamt ca. EUR 0,9 Millionen zu hohe Management Fees an MEL und MAI verrechnet … 135. Die Verträge sind seitens MEL immer nur von einem Board-Mitglied unterschrieben, ein Firmenstempel fehlt. Teilweise können … die wechselnden Unterschriften nur im Abgleich mit Unterschriftenproben zugeordnet werden. Manchmal ist nur ein Monat ohne genaue Datumsangabe angeführt. Einige vorgelegte Addenda (Zusätze, Anm.) sind nur von einer Vertragspartei unterfertigt. Die Unterschriften für die Meinl Bank wurden nie durch ein Vorstandsmitglied geleistet. Es erstaunt, dass für die wirtschaftliche Entwicklung der Bank wesentliche Verträge nicht von den zuständigen Vorständen der Bank unterfertigt wurden und außerdem in einer mangelhaften Form gehalten sind. 144. Die von der Meinl Bank an Meinl European Land von August bis Ende 2007 belasteten Lizenzgebühren von rund EUR 23 Millionen sind aufgrund einer vertragswidrigen Abrechnung zu hoch erfolgt (eine grobe Plausibilisierung durch die Prüfer hat einen Betrag von etwas über EUR 1 Million ergeben) … Diese Fehlberechnung zeigt, dass die Kontrollprozesse nicht ausreichend sind.
145. Nachdem die Prüfer auf diese Fehlberechnung ­hingewiesen haben, wurde am 20. Dezember 2007 ein mit 24. Oktober 2007 datiertes „Supplemental Agreement to the Agreement dated August 2005 to use Meinl Name and Logo“ übergeben. Mit dem Supplemental wird in Abänderung … des Vertrags die Berechnungsbasis für die Lizenzgebühren rückwirkend ab 1. Jänner 2007 … erhöht … Das Protokoll eines Meeting of Directors of MEL vom 23. März 2007 dokumentiert, dass das Supplemental zur Präzisierung der Berechnungsbasis der Lizenzen bereits von W. Lunardon (früherer MEL-Manager, Anm.) und S. Visy (ein Meinl-Vertrauter, Anm.) unterzeichnet wurde, es wurde auch in dieser Form vom MEL-Board beschlossen. Der den Prüfern übergebene Vertrag datiert aber mit 24. Oktober 2007 und ist seitens MEL von Mr. Byrne und Mr. Richardson (zwei Jersey-Rechtsanwälte und ehemalige MEL-Organe, Anm.) unterfertigt. Die neue Berechnungsbasis steht in Widerspruch zum Kapitalmarktprospekt vom Jänner 2007. Diese Vorgehensweise zeigt, dass die Berechnungsmethode … im Nachhinein geändert werden kann. Die Vertragsänderung erfolgt mit Beschluss des MEL-­Boards somit zulasten von MEL.

Ein Name wird in dem Bericht stets nur am Rande erwähnt: Julius Meinl. Der 49-jährige Bankier hatte sich Ende 2007 nach 25 Jahren im Vorstand der Bank an die Spitze des Aufsichtsrates zurückgezogen, wo er jetzt die Interessen der Familie Meinl vertritt. Er gilt als geistiger Vater des Konstrukts, bestreitet aber jede Verwicklung in die Affäre. Immerhin war er schlau genug, in den Organen der Börsengesellschaften niemals selbst in Erscheinung zu treten. Das besorgten andere für ihn. 7. Zwischen den Bereichen der Meinl Bank, MEL/MAI/MIP sowie der Julius Meinl AG liegen zahlreiche Organverflechtungen vor, die zu Interessenkonflikten führen können. 155. Direktor Weiß (Meinls Nachfolger an der Vorstandsspitze, Anm.) war bis Oktober 2007 im Vorstand der Julius Meinl AG. Er nimmt gleichzeitig eine Fülle von Funktionen in der Meinl Bank wahr. Laut Organigramm der Bank bekleidete er neben diversen Stellvertreter-Funktionen jene des Leiters der Abteilungen Treasury, Nostro, Rechnungswesen und Beteiligungen. Diese Kompetenzfülle ist äußerst ungewöhnlich und entspricht keinesfalls einer angemessenen aufbau- und ablauforganisatorischen Abgrenzung … Die Meinl Bank hat auf die Kritik … reagiert und ein modifiziertes Organigramm vorgelegt. Daraus geht hervor, dass Günter Weiß nicht mehr Leiter des Treasury ist. Allerdings besteht seitens der Prüfer immer noch eine Unvereinbarkeit bezüglich der Leitungsfunktionen in den Abteilungen Rechnungswesen und Nostro.
156. Herr Römer (der Niederländer Karel Römer, einer von Meinls engsten Vertrauten, Anm.) ist eine zentrale Person im Firmengeflecht der Bereiche Julius Meinl AG, Meinl Bank und der den Namen Meinl führenden Gesellschaften. Er hat in … 24 Gesellschaften Organfunktionen.

157. Aufgrund der zentralen Funktion von Herrn ­Römer wurde mehrmals versucht, einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Die Meinl Bank teilte den Prüfern jedoch mit, dass sich Herr Römer während des Prüfungszeitraums nicht in Österreich aufhalten wird. 174. Abschließend bietet sich somit das Bild einer wenig transparenten Struktur, die aufgrund enger personeller Verschränkungen mit potenziellen Interessenkonflikten behaftet ist. 179. … Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass im April 2007 für die Organe der Meinl Bank eine Haftpflichtversicherung über eine Versicherungssumme von EUR 20 Millionen abgeschlossen wurde.

Was das System Meinl anzurichten imstande war, mussten zunächst die Anleger von Meinl European Land, später auch die Inhaber von MIP-Zertifikaten leidvoll erfahren. Bekanntlich kaufte die Meinl Bank zwischen Frühjahr und Sommer 2007 „im Auftrag und auf Rechnung von MEL“ klammheimlich 88,8 Millionen Zertifikate zu überhöhten Kursen vom Markt auf und setzte dafür insgesamt 1,8 Milliarden Euro Investorengeld ein. Als die Öffentlichkeit davon Ende August Wind bekam, stürzten die Kurse in den Keller, dort grundeln sie bis heute. Es gilt mittlerweile als gesichert, dass die Transaktionen mit einem „Rückkaufprogramm“ im eigentlichen Sinn des Wortes nichts zu tun hatten. Sie dienten vielmehr dazu, missglückte Wertpapierspekulationen der Familie Meinl zu retten. Im Zentrum: das den Meinls zugerechnete Investmentvehikel Somal A.V.V. mit Sitz auf dem Karibik-Eiland Aruba, welches von – erraten – Karel Römer vertreten wird (profil berichtete ausführlich). Die Vorgänge haben möglicherweise strafrechtliche Relevanz, es war jedoch nicht Aufgabe der Nationalbank, weitere Untersuchungen anzustellen. Das obliegt ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden.
Wie sich erst im Zuge der OeNB-Inves­tigationen herausstellte, hatte Meinl European Land bereits 2006 erhebliche Mühe, Kapitalerhöhungen im Markt unterzubringen. Zwischen März 2006 und Februar 2007 wurden insgesamt 180 Millionen neue MEL-Zertifikate aufgelegt, wovon der Meinl Bank gemäß der „Platzierungsvereinbarungen“ stolze 6,75 Prozent der gesamten Emissionserlöse (3,172 Milliarden Euro) zustanden, in Summe also 214 Millionen Euro. Nur: Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Papiere konnte zunächst gar nicht verkauft werden, sie wurden heimlich an die Somal A.V.V. weitergereicht, die zumindest auf dem Papier in keiner direkten Verbindung zur Meinl Bank oder MEL steht. Ähnlich verfuhr man später auch bei der Energiegesellschaft MIP.

Die Offshore-Company Somal wurde auch deshalb aktiviert, weil das kleine Geldhaus ab 2006 vor einem Dilemma stand. Die Meinl Bank hatte sich gegen­über MEL (später auch gegenüber MAI und MIP) verpflichtet, stets all jene Zertifikate aus Kapitalerhöhungen aufzugreifen, die nicht am Markt platziert werden konnten. In den ers­ten Jahren nach dem Börsengang war dies kein Thema, da die MEL-Titel weggingen wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Im Frühjahr 2006 endete der Run. Die Meinl Bank konnte die unverkäuflichen MEL-Titel aber nicht ohne Weiteres auf die eigenen Bücher nehmen, da sie damit die gesetzlichen „Großveranlagungsgrenzen“ überschritten hätte. Also wurden die Papiere kurzerhand in die Karibik ausgelagert. Somal hatte aber zu keinem Zeitpunkt genügend Bares auf der Kante, um die Ankäufe aus eigener Kraft zu stemmen. Weshalb man sich umstandslos bei Meinl European Land bediente: MEL musste Anleihen von Somal zeichnen, Somal kaufte mit diesem Geld die liegen gebliebenen Papiere. Die Anleihen warfen zwar Zinsen ab – gleichzeitig setzte sich MEL aber einem vermeidbaren Risiko aus. Bei Meinl Power war der Modus Operandi fast deckungsgleich.

185. Aufgrund der gewählten Konstruktion konnte sich die Meinl Bank stets sicher sein, dass sie trotz abgegebener Platzierungsgarantie nicht auf MEL-Zertifikaten, die im Rahmen von Kapitalerhöhungen nicht gezeichnet wurden, sitzen blieb. Somal A.V.V. würde die übrig gebliebenen Zertifikate auf eigene Rechnung auf ihr Depot legen (was sie im betrachteten Zeitraum auch immer tat) … 193. Die im Frühjahr (2006, Anm.) durchgeführte Kapitalerhöhung der MEL umfasste 60 Millionen Zertifikate zu einem Kurs von EUR 15,35. Von der Somal A.V.V. wurden hiervon rund 22,7 Millionen Stück oder 37,8 Prozent der Zertifikate gezeichnet. Die zweite Ka­pitalerhöhung der MEL fand im ­November statt und umfasste ein Volumen von 45 Millionen Stück bei einem Kurs von EUR 17,2. Wieder sprang die Somal A.V.V. als „underwriting assistant“ ein und zeichnete 13,2 Millionen Stück (29,3 Prozent der aufgelegten Zertifikate).

Die Somal-Geschäfte stellten die Familie Meinl freilich vor ein Problem: Um die in der Karibik gebunkerten Papiere ohne Verluste wieder loszuwerden, bedurfte es eines soliden MEL-Börsenkurses. Was ­bisher niemand wusste: Die Meinl Bank begann bereits 2006, „im Auftrag und auf Rechnung von MEL“ beträchtliche Mengen an Zertifikaten vom Markt zu holen. Aus unerfindlichen Gründen landeten auch diese zurückgekauften Papiere zu­nächst im Rechnungskreis von Somal.

184. … Eine strikte Unterscheidung der Refinanzierung der beiden Depots fand, gemäß Auskunft der Meinl Bank, nicht statt. Darüber hinaus verfügen die beiden Depots über keine separaten Verrechnungskonten bei der Meinl Bank. Sowohl die Wertpapiertransaktionen, die Somal auf eigene Rechnung durchführt, als auch jene Transaktionen, welche Somal treuhändisch für MEL vornimmt, werden über ein gemein­sames Verrechnungskonto abgerechnet. 195. Während die Somal A.V.V. auf eigene Rechnung die gezeichneten Zertifikate schrittweise an Kunden weiterverkaufte, war die Meinl Bank aufgrund der schwachen Nachfrage an der Börse gezwungen, teils massiv (auf Rechnung der MEL) Zertifikate zuzukaufen, um für eine „stabile“ Kursentwicklung zu sorgen. Im 3. Quartal 2006 verbesserte sich die Nachfragesituation jedoch deutlich, sodass nicht nur alle angesammelten Zertifikate wieder an den Markt abgegeben werden konnten, sondern auch bereits die nächs­te Kapitalerhöhung vorbereitet wurde. 196. Aus der Entwicklung der Bestände ist erkennbar, dass die MEL bereits im Jahr 2006 über teils beträchtliche Bestände an eigenen Zertifikaten (via Treuhanddepot 34 der Somal A.V.V.) verfügte. Die Spitze wurde mit 15,25 Millionen Stück in dem Zeitraum vom 11. bis 17. Juli erreicht. Doch auch zum Halbjahr 2006 (30. Juni) verfügte MEL über einen Bestand von 14,67 Millionen Zertifikaten. Da zu diesem Zeitpunkt insgesamt 180 Millionen Zertifikate im Umlauf waren, entspricht dies immerhin einem Anteil von 8,2 Prozent.

MEL saß also schon 2006 vorübergehend auf Millionen eigener Zertifikate – ohne dass die Anleger davon wuss­ten. Und doch ging damals noch alles gut. Nach Berechnungen der OeNB konnten sowohl Somal als auch MEL dank der „kursstabilisierenden Maßnahmen“ zum Jahresende dicke Kursgewinne verbuchen. 197. Sowohl die Somal A.V.V. selbst … als auch die MEL (via Treuhanddepot der Somal A.V.V.) konnten 2006 durch ihre Transaktionen mit MEL-Zertifikaten beträchtliche Gewinne einfahren. Die Somal A.V.V. verzeichnete einen Gewinn (Verkaufserlöse – Kaufpreis) von rund EUR 26,7 Millionen. Doch auch die MEL konnte auf ihrem Treuhanddepot ­einen Gewinn von fast
EUR 20 Millionen lukrieren.

Das Spiel sollte sich anlässlich der vorerst letzten Kapitalerhöhung im Jänner/Februar 2007 wiederholen. MEL warf damals gleich 75 Millionen Zertifikate zum Stückpreis von 19,7 Euro auf den Markt. Wieder konnten mangels Nachfrage nicht alle platziert werden. Wieder musste Somal einspringen und griff gleich 31,5 Millionen Papiere auf, also fast die Hälfte der Kapitalerhöhung. Dessen ungeachtet kassierte die Meinl Bank wieder die volle Platzierungsprovision von 6,75 Prozent oder 99,73 Millionen Euro. Und wieder musste MEL eine Somal-Anleihe in die Bücher nehmen. Doch dann lief alles aus dem Ruder. 204. Die in den darauf folgenden Monaten getätigten Transaktionen entsprechend weitgehend jenen des Jahres 2006. Allerdings waren 2007 die bewegten Volumina deutlich höher …

Im Unterschied zu 2006 waren Immobilienpapiere Anfang 2007 im Lichte steigender Zinsen weltweit unter Druck geraten, die folgende Subprime-Krise sollte den Trend nur noch verschärfen. Das Investmentvehikel Somal saß also auf 31,5 Millionen MEL-Zertifikaten zum Kurs von jeweils 19,7 Euro und hatte keine Chance mehr, diese ohne Verluste abzustoßen. 206. Ähnlich wie im Jahr 2006 hoffte man jedoch, die im Zuge der „Kursstabilisierungsmaßnahmen“ erworbenen Zertifikate im Laufe des Jahres ­wieder an den Markt abgeben zu können … 207. Die Meinl Bank kaufte nun teils massiv Zertifikate vom Markt auf, um für eine weiterhin stabile Kursentwicklung der MEL-Zertifikate zu sorgen … Da sich die Marktsituation im Juli weiter verschlechterte, kaufte die Meinl Bank weitere Zertifikate … auf. Per 23. Juli 2007 teilte die Meinl Bank MEL mit, dass das Somal-A.V.V.-Depot mit der Subnummer 34 (Treuhanddepot der MEL) mittlerweile einen Bestand von 75.215.000 Zertifikaten aufweist (entspricht der gesamten Kapitalerhöhung des Februars 2007). Somit befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits 25 Prozent aller begebenen MEL-Zertifikate auf dem treuhändisch für MEL gehaltenen Depot der Somal A.V.V. Am 28. Juli kündigte MEL ein „Aktienrückkaufprogramm“ in der Höhe von bis zu zehn Prozent des Grundkapitals an.

Das wahre Ausmaß der Transaktionen wurde den Anlegern erst nach einer MEL-Hauptversammlung am 23. August 2007 bewusst. Zu dem Zeitpunkt war das Meinl-Vehikel Somal aber längst im Leo. 209. … kam es im Jahr 2007 zu einer deutlich gegensätzlichen Entwicklung beider Depots. Während Somal A.V.V. auf eigene Rechnung schrittweise ihren Bestand an MEL-Zertifikaten abbaute, kam es auf dem treuhändisch für Meinl European Land gehaltenen Depot zu massiven Zukäufen. Die Zukäufe sind wiederum auf das Bemühen zurückzuführen, trotz schwacher Nachfrage eine stabile Kursentwicklung der Zertifikate zu gewährleisten. 210. Tatsächlich konnte die Meinl Bank auch den Kurs der MEL-Zertifikate bis Mitte Juli relativ stabil halten. Von dem stabilen Kursniveau konnte insbesondere die Somal A.V.V. profitieren, welche alle von ihr gezeichneten Zertifikate bis Anfang Juli mit deutlichem Gewinn … verkaufte. Im Vergleich zum Jahr 2006 konnte Somal A.V.V. so ihren Gewinn … um mehr als 30 Prozent auf EUR 35,2 Millionen steigern. Auch Meinl European Land konnte einen leichten Gewinn realisieren. Es war aber aufgrund des schwierigen Marktumfelds bislang nicht möglich, die 88,8 Millionen Zertifikate oder auch nur einen Teil davon wieder im Markt unterzubringen. Die Revisoren der Oesterreichischen Nationalbank hatten, wie bereits erwähnt, nicht den Auftrag, die Transaktionen nach dem Strafgesetzbuch zu untersuchen. Die Justiz freilich wird nicht umhinkönnen, Punkt 211 des Berichts entsprechend zu würdigen.

211. Ein explizites Rückkaufprogramm hat es weder im Jahr 2006 noch 2007 gegeben. Die Zertifikatsrückkäufe erfolgten im Rahmen einer „Market Maker“-Vereinbarung zwischen Meinl ­European Land und Meinl Bank, in der sich die Meinl Bank verpflichtete, für eine „stabile Kursentwicklung“ zu sorgen. Bei schwacher Nachfrage sollte die Meinl Bank Zertifikate vom Markt aufkaufen und bei einer Verbesserung der Marktsituation … diese wieder an den Markt abgeben. Um nicht direkt als Halter der Zertifikate … aufzuscheinen und um keine Groß­veranlagungs-Grenzen zu überschreiten, wurde ein Unternehmen der Julius Meinl AG (Somal A.V.V., Anm.) herangezogen. Finanziert wurden alle Transaktionen von MEL, sodass diese alle ­damit verbundenen (Markt-)Risiken trug.

Mehr als hunderttausend Meinl-Investoren im In- und Ausland wurden nach Erkenntnissen der Oesterreichischen Nationalbank also systematisch und ohne ihr Wissen Risiken ausgesetzt, die 2007 auch tatsächlich schlagend wurden. Da letztlich immer Anlegergeld eingesetzt wurde, um der Investmentgesellschaft Somal beziehungsweise anderen zwischengeschalteten Vehikeln einen sauberen Ausstieg zu ermöglichen, könnten findige Juristen daraus strafrechtliche Tatbestände ableiten. Die odiosen Offshore-Gesellschaften stehen ihrerseits im direkten Einflussbereich der Familie Meinl. Und dort hat ein gewisser Julius Meinl das Sagen.

Mitarbeit: Christian Rainer