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Selbst ist der Mann

Selbst ist der Mann

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Die 33. Landeskonferenz der Sozialistischen Jugend Klosterneuburg hat schon Recht. Sie resümiert in einem Antrag: „Die EU ist ein imperialistisches Bündnis, die Perspektive muss ein Austritt Österreichs sein.“ Tatsächlich hat Österreich derzeit wenig in der Welt der freien Marktwirtschaft und des freien Wettbewerbes zu suchen, es wäre – vielleicht gemeinsam mit Italien – besser bei den „Blockfreien“ oder im Kreise der ehemaligen sowjetischen Republiken aufgehoben.

Zum Beispiel würden wir uns als Bruderstaat Russlands gut machen: Da bekämpft gerade der ehemalige Geheimdienstchef und nunmehrige Präsident einen ehemaligen Profiteur der Privatisierungen und nunmehrigen Wirtschaftsmagnaten.

In Österreich ist das Drehbuch ein wenig anders geschrieben, aber die Rollen sind ähnlich besetzt: Hier hat sich der ehemalige Assistent eines bösen Landeshauptmanns und nunmehrige Finanzminister mit den bisherigen Wirtschaftsmagnaten und zukünftigen Profiteuren der Privatisierung verbündet (während sich der Regierungschef wieder einmal für keinen Part entscheiden kann).

Österreich befindet sich also quasi in einer früheren Geschichtsperiode Russlands, in der heißen Privatisierungsphase unmittelbar nach dem Zerfall der Sowjetunion.

In der vergangenen Woche ist der bislang größte Skandal in der – von ruhigem Fahrwasser nicht umschmeichelten – Verstaatlichten-Holding ÖIAG aufgeflogen. „Aufgeflogen“ ist im Übrigen das falsche Wort. Es handelte sich eher um ein schleichendes Zur-Kenntnis-Nehmen: Der „Standard“ etwa schrieb in aller Ruhe: „Gelöst hat Schalle am Donnerstag sein ganz persönliches Problem mit der Böhler-Privatisierung. Der Rewe-Austria-Chef legte sein ÖIAG-Mandat nach heftigem öffentlichem Druck nun doch zurück.“ Das „WirtschaftsBlatt“ berichtete nachgerade lobend über Rewe/Billa-Boss Veit Schalle: „Um Unvereinbarkeits-Vorwürfen zu entgehen, soll er aber die Sitzung verlassen haben, als über sein Offert diskutiert wurde.“ Und die ÖIAG selbst hatte die Chuzpe zu erklären, Schalle ziehe „umgehend“ die Konsequenzen aus der Diskussion um die „mögliche“ Unvereinbarkeit seiner Aufsichtsratsposition bei Böhler-Uddeholm mit dem eigenen Kaufangebot für Böhler.
Aha.

Hier der Sachverhalt: Karl-Heinz Grasser hatte nach Antritt von Schwarz-Blau I das ÖIAG-Aufsichtsorgan (und den Vorstand) ausgetauscht. Zum Zug kamen internationale Top-Shots, deren Namen so klingend waren wie ihr Arbeitseinsatz vernachlässigbar. Vor allem aber kamen Sympathisanten von ÖVP und FPÖ zum Einsatz – wenn möglich mit dem Zusatzmerkmal, dem Netzwerk des Finanzministers anzugehören. Billa-Chef Veit Schalle etwa wurde ausschließlich wegen seiner Nähe zur FPÖ und seiner Beziehung zu Grasser ausgewählt: Eines der Geschäfte, das die Verstaatlichte nämlich nicht betreibt, ist der Einzelhandel. Schalle ist ein Handelsmanager, vom Geschäft der ÖIAG versteht er nichts.

Was jetzt geschah: Unter den Augen seines Freundes Grasser und des Kanzlers, mit dem Insider-Wissen des Aufsichtsrates und mitten im bereits laufenden Privatisierungsprozess legte Schalle völlig ungeniert ein Angebot, um mit einer Investorengruppe selbst den entscheidenden Anteil an Böhler zu kaufen.

Bis hierher unterscheidet sich der Fall nicht von der vorangegangenen Privatisierungsaffäre: Da hatte ein Aufsichtsrat Vorbereitungen getroffen, die Voest für den Magna-Konzern zu kaufen – bei dem er selbst der Chef ist und zu dem der Finanzminister ein Rückkehrrecht besaß.
Von nun an wird die Sache aber russisch: Herr Schalle ist zwar als Aufsichtsrat zurückgetreten. Er hat aber weiterhin beste Chancen, Böhler tatsächlich zu kaufen: im Rahmen einer „sauberen“ (Schalle) internationalen Ausschreibung – und ausgestattet mit dem internen Wissen über den Konzern, über die detaillierten Privatisierungswünsche der Republik und mit der Freundschaft zum Verkäufer Karl-Heinz Grasser.

Und das Land ist glücklich, dass Herr Schalle „umgehend“ als Aufsichtsrat zurück- getreten ist? Veit Schalle müsste mit allen legalen Möglichkeiten vom Kauf der Böhler-Uddeholm-Anteile ausgeschlossen werden.

Und was sagt der Finanzminister dazu? Er sagt zum „Kurier“: „Am besten wäre gewesen, er hätte gar kein Offert gemacht.“
Am besten wäre gewesen, Veit Schalle hätte Karl-Heinz Grasser gleich zum Billa-Chef gemacht.