Sommerlob

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„Aspirin und Seelenpflege sind die wichtigsten Errungenschaften der Medizin.“
Erek Lingam, Medicum

Kluge Chefs schicken ihre Mitarbeiter mit einem Extralob in den Urlaub. Das ist der klügste Motivationszeitpunkt. Das Lob befreit von Existenzängsten, die oft gerade in den faulen Wochen aufsteigen. Zugleich erhöht es den Erholungswert und damit die Leistungskraft der Lohnabhängigen. Komplimente, die in den Urlaub mitgegeben werden, sind ein glücklicher Mix von Humanismus und Ausbeutung.

Ich versuche diesen frommen Trick nun mit den Politikern. Ich bin ja ihr Chef. Meine Wahlstimme lenkt ihren Werdegang, meine höflich gezahlten Steuern ernähren ihre Familien. So deutlich habe ich das früher nie gesagt, aber mein Freund, der Kabarettist Bernhard Ludwig, brachte mich auf die Idee, diese Beziehung schärfer zu sehen: „Ich zahle so ungern wie jeder andere meine Steuern, bin aber ruhig geworden, seit ich mir vorstelle, damit den Bundespräsidenten zu finanzieren.“
Das ist ein glänzender Einfall. Ich suche mir allerdings zur Schmerzlinderung und für mein Sommerlob andere Politiker aus – darunter solche, die weniger Anerkennung kriegen, als sie verdienen.

Ich fange mit Elisabeth Gehrer an, um gleich ein Missverständnis auszuräumen. Ich bekam zu viel falschen Beifall, weil ich ihr zweimal, wie ein Leser schrieb, „eine aufgelegt“ hätte. Halten zu Gnaden: Es ist nicht meine Art, jemandem eine aufzulegen. Richtig ist: Gehrer machte mich zweimal wahnsinnig. Erstens mit der Idee, eine Stunde Deutsch für Textverarbeitung zu opfern (siehe Kolumne „Gehrer, Goethe, Gates“, profil 33/02). Zweitens mit ihrer merkwürdigen Abkanzelung der lebensfrohen Jugend (siehe Kolumne „Die schrecklichen Alten“, profil 37/03). Richtig ist aber auch: Sie ist ein interessantes Ziel, weil sie sich temperamentvoll bewegt. Sie regt an und auf, hat einen wachen Sinn für Themenführerschaft. Sie begibt sich damit in die Schusslinie, im Gegensatz zu den vielen Unbeweglichen. Wer schießt schon auf Leichen? Erst jüngst lernte ich Elisabeth Gehrer auf einem Kunst-Event wieder als witzige und willensstarke Frau schätzen, die keine Pflichtverteidiger braucht. Man wird weiter mit ihr streiten.

Als hauptberuflicher Mitarbeiter des Wirtschaftsmagazins „trend“ hebe ich auch einige Wirtschaftslandesräte hervor, die unter der Tuchent erstaunliche Fertigkeiten zeigen, aber oft von ihren Landeshauptleuten überstrahlt werden. Niederösterreichs Ernest Gabmann beispielsweise hat die Tourismuswerbung mit den richtigen Leuten besetzt und auf ein internationales Niveau gehoben. Dies ist umso bemerkenswerter, als „die Vereinigten Staaten von Niederösterreich“ (© „trend“) in ihrer Vielfalt unendlich schwieriger zu verkaufen sind als homogene Bundesländer wie Tirol oder das Burgenland.

Einem anderen Wirtschaftslandesrat muss ich die Komplimente nachrufen: Steiermarks Herbert Paierl, der in die Privatwirtschaft wechselte.

Herbert Paierls beruflicher Umstieg vollzog sich unter Umständen, die alles andere als toll waren. Gleichwohl wird man die Paierl-Epoche künftig in die Lehrpläne der Wirtschaftsschulen einfließen lassen. Man wird ein Wunder studieren und analysieren wollen. Es geht um die schnellste Aufholjagd der Nachkriegszeit, den Aufstieg des einstigen Armenhauses Steiermark zu einem international gesuchten Standort. Paradox, dass vielen nur der Automobil-Cluster in Erinnerung bleiben wird, und dies ohne Tiefe und Feinheit. Ein Cluster Paierl’scher Machart ist ein geglückter Turmbau zu Babel. Er vernetzt Köpfe und Sprachen, Traditionsbetriebe und Avantgardisten. Er verbindet Unternehmer, Händler, Studenten, Professoren, Designer und Extrem-Forscher. Er sichert die politischen Rahmenbedingungen und ist „vom unbedingten Willen nach Weltklasse“ (Paierl) gezeichnet.

Man war daher ein wenig betroffen, als eine irregeleitete Politikerin jüngst nach einem „Hausfrauen-Cluster“ rief – auch wenn man die Idee, die dahinter steht, begreift und sympathisch findet, weil es tatsächlich an der Zeit ist, auch gut geführte Haushalte als Mikro-Unternehmen zu bewundern.

Der zweite politisch beeinflusste Wirtschaftsaufreger neben dem Styria-Cluster ist witzigerweise eine Art Konkurrent: die nun speziell im Bereich automotiver Produkte in die Tiefe gehende VoestAlpine in Linz. Österreichs Römisch-Eins-Unternehmen (in Tradition, Gravität, Technologie, früherem Polit-Ärger und heutiger Zuversicht) wird unter dem neuen Generaldirektor Wolfgang Eder hoch fliegen.

Ihr Hauptsitz ist Linz. Dem Bürgermeister Franz Dobusch gilt das spezielle Sommerlob 2004. Er ist der vielleicht beste Stadtpolitiker, den Österreich je hatte. Er hat Sinn für Teamwork, parteiübergreifende Harmonie, soziale Wärme und gleichzeitig für avantgardistische Kunst und Intellektualität: Keine Stadt hat ihre finstere Vergangenheit (Hitler-Darling und Zwangsarbeiter) so erstklassig dokumentiert und aufgearbeitet wie Linz.

Fehlerlos ist freilich auch er nicht. Irgendetwas am Stadt-Marketing fehlt. Das Ausland hat Linz eher entdeckt als das Inland, speziell Wien. In der Bundeshauptstadt lacht man immer noch über den gestrig-kabarettistischen Satz „In Lintsch beginntsch“ und über Ingeborg Bachmanns stolze Auskunft, sie sei in Linz niemals ausgestiegen.