Sozialdemokratie: Gusis schwarzer April

SPÖ: Gusis schwarzer April

Die SPÖ kämpft erfolglos gegen die Bawag-Folgen

Drucken

Schriftgröße

Das Thema der Fachtagung des „Business Cercle“ Mitte Mai im Wiener Hotel Marriott lautet „Spitzenkommunikation“. Wer bucht, bekommt dort vermittelt, „wie erfolgreiche Unternehmen ihre Werte, Leistungen und Produkte kommunizieren“. Unter den Vortragenden: Alfred Gusenbauer.

Bevor der SPÖ-Vorsitzende den Tagungsteilnehmern sein Erfolgsgeheimnis verrät, hat er allerdings selbst noch einigen Kommunikationsbedarf: Den Sozialdemokraten geht es, sechs Monate vor der Nationalratswahl, gar nicht gut. Nur noch 28 Prozent der Österreicher glauben laut einer vergangene Woche von profil beauftragten und vom Meinungsforschungsinstitut market durchgeführten Umfrage, die SPÖ werde aus den Herbstwahlen als stärkste Partei hervorgehen. Vor Jahresfrist hatten noch 46 Prozent die Sozialdemokraten als sichere Sieger vermutet (siehe Grafik oben). Alle großen Meinungsforschungsinstitute sehen derzeit ÖVP und SPÖ Kopf an Kopf. Nach den Wahlsiegen der Sozialdemokraten in der Steiermark, im Burgenland und in Wien war Gusenbauers Partei im „roten Oktober“ zeitweise um fünf Prozentpunkte vor der ÖVP gelegen.

Gegenwind. Im Gegenwind scheint es der SPÖ immer schwerer zu fallen, Tritt zu fassen. So etwa drehte Gusenbauer wohl aus Rücksicht auf die fast 1,2 Millionen in Niederösterreich zu vergebenen Stimmen seine Linie in der Standortfrage für die geplante Elite-Uni gleich um 180 Grad: Gugging hat jetzt auch das Placet der Roten.

Ein Stück weiter südlich, in Kärnten, laufen die Dinge auch nicht ganz rund. So stieß Landesparteiobfrau Gaby Schaunig erstmals auf ernst zu nehmenden innerparteilichen Widerstand, als sie in der Karwoche den St. Veiter Abgeordneten Christian Puswald nur auf den eher aussichtslosen Platz sechs der Landesliste für die Nationalratswahlen reihte (derzeit besetzt die Kärntner SPÖ vier Mandate). Gerhard Mock, der in der Kärntner SPÖ mächtige Bürgermeister von St. Veit, drohte daraufhin, das Handtuch zu werfen. Mock grantig: „Ich will nicht mehr im Weg stehen und anderen mit meiner Person schaden.“

Im Bezirk Spittal muss auf Wunsch Schaunigs der in Wien hoch angesehene Menschenrechtssprecher der SPÖ, Walter Posch, sein Mandat an den Spittaler Bürgermeister Gerhard Köfer abgeben. Köfer war einer breiteren Öffentlichkeit aufgefallen, als er 2001 Spenden bei Unternehmern sammelte, um damit ein „Kopfgeld“ von 5000 Schilling für Bürger auszusetzen, die Drogendealer meldeten. Begeistert aufgegriffen wurde Köfers Idee – eh klar – von der FPÖ.

Auch in zentralen Fragen finden die Sozialdemokraten derzeit nicht leicht eine Linie. So riet etwa Wiens Bürgermeister Michael Häupl seinem Bundesparteiobmann in einem „News“-Interview, in Opposition zu gehen, wenn die SPÖ bei den Nationalratswahlen nur auf Platz zwei landet. Tags darauf entgegnete Gusenbauer im „Standard“ spitz: „Wer um Platz eins kämpft, braucht über Platz zwei nicht spekulieren.“ Die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller will ihre Partei in jedem Fall in der Regierung sehen. Burgstaller im profil-Interview: „Die Aussage ,Dann lieber in die Opposition‘ – die werden Sie von mir nicht hören“ (siehe Seite 28).

In einer anderen Frage wiederum liegt Burgstaller ganz und gar nicht auf Gusenbauers Linie. Hatte der Parteivorsitzende auch vergangene Woche wieder den Verkauf aller Bawag-Anteile durch den ÖGB gefordert („Nur eine völlige Trennung von der Bawag macht Sinn“), tritt Burgstaller im profil-Interview für das Behalten einer Sperrminorität ein: „Es ist gut, wenn die Interessenvertretung der Arbeitnehmer auch wirtschaftlich abgesichert ist. Eine starke Gewerkschaft kann durchaus auch Beteiligungen an Unternehmen haben.“ Auch der oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Erich Haider wich Freitag im „Kurier“ von Gusenbauers Linie ab: „Eine Mitarbeiterbeteiligung und ein ÖGB-Anteil sind nötig.“

Im ÖGB ist man Gusenbauer wegen seiner Ratschläge in Sachen Bawag-Verkauf ohnehin gram. „Ich hätte das nicht so gesagt“, quittierte der vorläufige ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer Gusenbauers Vorpreschen knapp.

In der Sache selbst sind die Gewerkschafter eher bei Gusenbauer. Allerdings kann es sich der ÖGB ohnehin nicht aussuchen: Die Kassen sind so leer, dass man einfach die maximale Summe lukrieren muss – und das ist nur bei einem hundertprozentigen Verkauf der Bank gewährleistet.

Ausverkauf. Auch Liegenschaften im ÖGB-Besitz sollen verscherbelt werden – selbst die Traditionsadresse Hohenstaufengasse steht zur Disposition. Laut profil vorliegenden Informationen wird derzeit erwogen, ob der Neubau der Gewerkschaftszentrale – das alte Haus wurde kürzlich geschleift – überhaupt begonnen werden soll oder ob das wertvolle Innenstadt-Grundstück verkauft wird. Auch eine Leasing-Variante, bei der die Baukosten vorerst nicht selbst getragen werden müssen, wird diskutiert.

Zudem könnten der Gewerkschaft noch unangenehme Personaldebatten ins Haus stehen. So überraschte Interimspräsident Hundstorfer Donnerstag vergangener Woche Freund und Feind mit der in einem „ZiB 2“-Interview deponierten Ankündigung, er werde 2007 sicher für die definitive Wahl zum ÖGB-Präsidenten kandidieren. Selbst Moderator Armin Wolf war baff: „Das haben Sie noch nie gesagt, oder?“

Auch einen neuen Finanzreferenten wird sich der ÖGB suchen müssen. Der erst vergangene Woche bestellte Erich Foglar wurde nach dem Rücktritt Rudolf Nürnbergers als Chef der Metallarbeiter-Gewerkschaft designiert, ein Amt, mit dem sich der Posten des ÖGB-Finanzers nicht wirklich verträgt.

Die heikelste Frage ist allerdings jene nach dem Nachfolger Nürnbergers als Chef der SPÖ-Fraktion im ÖGB, die – Stand Freitagabend – noch unbeantwortet ist. Ursprünglich war vorgesehen, dass Nürnberger erst 2007 abgeht, Erich Foglar ihm bei den Metallern folgt und der FSG-Vorsitz dem Privatangestellten-Gewerkschafter Wolfgang Katzian zufällt. Diese Abmachung sei nicht mehr gültig, heißt es im ÖGB. Jetzt gilt Eisenbahner-Chef Wilhelm Haberzettel als Favorit.

Die SPÖ bekommt alle diese Erschütterungen im Gewerkschaftsbund zu spüren. Victor Adlers These von den „siamesischen Zwillingen“ bestätigt sich für sie derzeit auf schmerzvolle Weise.

Der Politikforscher Günter Ogris vom SORA-Institut, das auf seiner Kundenliste unter anderem die Gewerkschaften der Privatangestellten und der Beamten führt, hält mit Blick auf die Nationalratswahlen eine geringe Wahlbeteiligung für möglich, weil viele aus Protest einfach zu Hause bleiben. Sollten sich darunter besonders viele Gewerkschaftsmitglieder befinden, würde dies vor allem die SPÖ treffen. ÖGB-Mitglieder gaben bei der Nationalratswahl 2002 zu 55 Prozent der SPÖ ihre Stimme, 29 Prozent wählten die ÖVP, acht Prozent die FPÖ und sieben Prozent die Grünen, erhob Peter Ulram, der Wahlforscher beim Meinungsforschungsinstitut Fessel, damals in einer Nachwahlumfrage.

Die gegenwärtigen Befunde aller wichtigen Meinungsforschungsinstitute sind praktisch deckungsgleich: Die SPÖ hat in den Turbulenzen um ARBÖ und Bawag rund vier Prozentpunkte verloren und liegt jetzt, gleichauf mit der ÖVP, bei 38 bis 39 Prozent. Die von der SPÖ Abgewanderten befinden sich quasi „im Wartesaal“ der Unentschlossenen, die ÖVP konnte bisher nicht zulegen. Leichte Gewinne verzeichnete bloß die FPÖ.

Offensiven. Die Schüssel-Partei arbeitet allerdings mit Leibeskräften daran, die Sozialdemokraten jetzt nicht aus der Ecke zu lassen. Ihre Speerspitze ist die reiche ÖVP Niederösterreich, die fast allwöchentlich neue Plakate klebt. Hieß es schon wenige Tage nach Platzen der Bawag-Blase: „Die Gusenbauer-SPÖ kann nicht wirtschaften“, wird ab Montag dieser Woche eine leicht dadaistische Affiche die Landschaft unter der Enns zieren: „ARBÖGBAWAGUSENBAUER“ heißt es da in roter Schrift auf giftig gelbem Grund. „Wenn man einen Elfer aufgelegt bekommt, muss man ihn auch verwerten“, begründet VP-Niederösterreich-Geschäftsführer Gerhard Karner die hektischen Aktivitäten seiner Organisation.

Die SPÖ beginnt inzwischen dagegenzuhalten. Im Wochentakt präsentiert sie – Sachpolitik! Sachpolitik! – neue Konzepte: In der Karwoche eines zur Justiz-, vergangenen Donnerstag eines zur Gesundheitspolitik. Der für aufrüttelnde Reden zuständige Michael Häupl wurde zu 1000 verdrossenen ÖGB-Pensionisten geschickt, die sich in der Wiener Messehalle versammelt hatten. „Wir haben zwei Möglichkeiten“, meinte Häupl. „Entweder wir hauen den Strick übern Balken und hängen uns auf. Oder wir sagen: Stand up and fight back.“ Die Zuhörer favorisierten die zweite Variante.

So hielt es auch Alfred Gusenbauer selbst, als er sich am Mittwoch bei der von Hörfunk-Redakteurin Gabi Waldner moderierten Diskussionreihe „Im Klartext“ im Radiokulturhaus der Debatte stellte, welche Partei denn nun die meiste Wirtschaftskompetenz habe. In nicht unbeeindruckender Manier drehte Gusenbauer den Spieß um und trieb sein Gegenüber, Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, ins Eck der sozial eiskalten Arbeitsplatzvernichter. „So hat das der Goebbels zuletzt gemacht“, entfuhr es dem entnervten Bartenstein.

Innerparteilich nahm Gusenbauer dann Freitag vergangener Woche, bei der Sitzung des SPÖ-Präsidiums in der Wiener Löwelstraße, eine Frontbegradigung vor: Nachdrücklich appellierte er für mehr Geschlossenheit und wusch dem Oberösterreicher Erich Haider wegen dessen „Kurier“-Interviews den Kopf. Dann erklärte ÖGB-Präses Hundstorfer, ab jetzt sei das Thema Bawag-Verkauf ausschließlich Sache der Käufer suchenden Investmentbank Morgan Stanley, die um größte Zurückhaltung der Politik ersuche. Zur Abrundung ließ Gusenbauer noch von seinem Wahlkampfberater Alois Schober, hauptberuflich Chef der Werbeagentur Young & Rubicam, erste Plakatentwürfe präsentieren.

Wenige hundert Meter weiter, am Ballhausplatz, war inzwischen auch nicht alles Wonne und Waschtrog. In der ÖVP vermeint man zunehmenden Druck Jörg Haiders auf Vizekanzler Hubert Gorbach wahrgenommen zu haben: Haider wolle Gorbach in den nächsten Tagen zum Rücktritt drängen, um an seiner Stelle den noch zu nominierenden BZÖ-Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl zu installieren. Ein Schachzug, bei dem Kanzler Schüssel nicht mitspielen will. Sollte Haider deshalb die Regierung platzen lassen, wird sogar erwogen, anstelle der abgezogenen BZÖ-Minister für die Zeit bis zur Wahl fachkundige Beamte zu installieren – eine verfassungskonforme Variante, bei der freilich auch der Bundespräsident mitspielen muss.

Der SPÖ käme sie jedenfalls gelegen: Endlich einmal ein anderes Thema als die Bawag.

Von Herbert Lackner