SPÖ Kärnten: Im Intrigantenstadl

Über die Schwierigkeit, einen Parteichef zu finden

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Es gibt zweifellos undankbarere Jobs. FPÖ-Bundesparteiobmann etwa. ÖVP-Chef in Wien. Vorarlberger SPÖ-Vorsitzender. Oder Grünen-Gemeinderat in Traiskirchen.

Die Kärntner SPÖ ist immerhin eine noch recht starke und auch stolze sozialdemokratische Landesgruppe. Dennoch will derzeit niemand die Führung übernehmen. Zu zäh ist mit Jörg Haider der Hauptgegner, zu mächtig viele der 70 roten Bürgermeister (von insgesamt 132) im Land, zu zerstritten die Partei. Oder wie ein hoher Funktionär meint: „Es ist keiner da, der ungeteilte Zustimmung finden würde.“

Gabriele Schaunig-Kandut, die jugendlich-urbane Soziallandesrätin, könnte auf die Zustimmung der Bundes-SPÖ, jene des einflussreichen Villacher Bürgermeisters Helmut Manzenreiter und wohl auch auf die Sympathie in weiten Teilen der Bevölkerung bauen. In einer OGM-Umfrage („Welcher Politiker soll in Kärnten in Zukunft eine wichtige Rolle spielen?“) liegt Schaunig-Kandut auf Platz eins – klar vor Jörg Haider. Könnten die Kärntner den SPÖ-Chef direkt wählen – Schaunig-Kandut würde eindeutig gewinnen (siehe Grafik).

Knapp vor Weihnachten sorgte sie jedoch für Unmut in ihrer eigenen Partei, sogar von einem Rauswurf aus der Landesregierung war kurzzeitig die Rede. Einen Tag vor der Regierungssitzung hatte die Blau-Rot-Skeptikerin kundgetan, den gemeinsamen Beschluss zur 140-Millionen-Euro-Mitfinanzierung des Koralmtunnels, Jörg Haiders Prestigeprojekt, nicht mittragen zu wollen. Die Röhre, die erstmals eine Bahnverbindung Klagenfurt– Graz ermöglichen soll, gilt in Kärnten als eine Art Wirtschaftswunder-Verheißung – und steht somit grundsätzlich außerhalb jeglichen Parteienstreits.

Blau-Rot. „Das war wohl ein Profilierungsversuch ihrerseits“, meint Noch-Parteichef Peter Ambrozy. Etwas schärfer formuliert es der St. Veiter Bürgermeister Gerhard Mock: „Wer sich so absetzt, der führt etwas im Schilde.“ Er, Mock, stehe zum blau-roten Pakt: „Wir haben das unterschrieben, also sollten wir das durchziehen. Und mit einer kantigen Politik das Beste für die Kärntner Bevölkerung herausholen.“

Klingt schon ganz nach Antrittsrede eines neuen Parteivorsitzenden. Mock ist ebenfalls chancenreicher – und auch williger – Kandidat für die Ambrozy-Nachfolge. Offiziell will er von alldem jedoch – noch – nichts wissen.

Wie auch Gerhard Köfer. Nein, er rechne nicht damit, dass man ihm die Obmannschaft antragen werde, sagt das Stadtoberhaupt von Spittal an der Drau. Parteiintern ist allerdings schon lange klar: Köfer wäre bereit. Wenn man seine Bedingungen erfüllt: Er will Bürgermeister bleiben, das Landesregierungsmandat müsste ein anderer annehmen. Was den Vorteil hätte, dass er sich mit dem Lockangebot eines Landesratspostens die Unterstützung eines der vielen Lager in der SPÖ sichern könnte.

Die Gewerkschaft und Teile der Arbeiterkammer haben ihren Lieblingskandidaten bereits gefunden: Gerhard Seifried, Bürgermeister der Stadt Wolfsberg. Sein Nachteil: Er ist zwar bei der Basis beliebt, bei einem Großteil der Funktionäre aber unten durch – seit er mitten im letzten Landtagswahlkampf mit Jörg Haider eine gemeinsame Wirtschaftsplattform initiierte und Peter Ambrozy nach verlorener Wahl via „ZiB 2“ ausrichten ließ: „Selbst wenn die SPÖ den Karawankenbären als Spitzenkandidaten aufgestellt hätte, wäre das Ergebnis nicht schlechter gewesen.“

Es ist das Dilemma der in Fraktionen zerfallenen Kärntner SPÖ, die sich lauernd gegenüberstehen: Wer jetzt den Kopf aus der Deckung nimmt, ist schon um einen kürzer. Wagt es Mock, werden die Genossen aus Villach und Klagenfurt rebellieren. Bewirbt sich der Ex-Gendarm Köfer, werden alle an seiner mangelnden Qualifikation herummäkeln. Und Seifried – siehe oben.

Traut sich die linksliberale Schaunig-Kandut, würden wiederum die Blau-Rot-Bannerträger Mock und Köfer querschießen. Es könnte aber auch zu Störfeuern aus der anderen Ecke kommen: Als sich Schaunig 2003 um das Amt der Kärntner Frauenvorsitzenden bewarb, war sie dafür eine Spur zu wenig links. „Melitta Trunk hat massiv versucht, das zu hintertreiben“, erzählte Schaunig-Mentor Manzenreiter damals in einem profil-Gespräch. Trunk („Ich habe mich da nicht eingemischt“), Nationalratsabgeordnete und Doyenne der Kärntner SP-Linken, wollte als ihre Nachfolgerin als Frauenchefin lieber Sieglinde Trannacher sehen – und diese wurde es auch. Ein Jahr später, im Dezember 2004, sollte SPÖ-Landesgeschäftsführer Herbert Würschl Trunk und Trannacher als „landesweit bekannte Intrigantinnen“ bezeichnen. Und dafür heftig gescholten werden.

Meuterei. Würschl ist so etwas wie der Watschenmann der Kärntner SPÖ. Läuft irgendwo etwas schief – schuld ist immer er. „Ich sehe das sportlich“, meint Würschl. „Das ist halt das Schicksal eines Parteisekretärs.“ Bei Trunk und Trannacher sei ihm aber wegen der ständigen medialen Zwischenrufe – sie hatten an vorderster Front gegen Ambrozy gemeutert – „einmal der Kragen geplatzt“.

Bliebe also noch ein Kompromisskandidat, der alle Interessen bündeln könnte: der etwas farblose, aber nicht unsympathische Umweltlandesrat Reinhart Rohr. „Dieser wäre allerdings die Fortsetzung des Peter Ambrozy mit anderen Mitteln“, meint ein Funktionär wenig begeistert. Auch Ambrozy galt stets nur als kleinster gemeinsamer Nenner – und wurde aus diesem Grund auch zum Parteichef gewählt.

Bis spätestens Ende Jänner wird es – unter Ambrozys Leitung – eine Präsidiumssitzung der Kärntner SPÖ geben, in der die Weichen für dessen Nachfolge gestellt werden. Dann müssen die potenziellen Kandidaten Farbe bekennen, werden der Wahlmodus – auch eine Urabstimmung unter allen Mitgliedern ist möglich – und der Zeitplan für die Hofübergabe festgelegt. „Das sollte noch im ersten Quartal 2005 stattfinden“, fordert Helmut Manzenreiter. „Notfalls müssten die Jungen das selbst in die Hand nehmen und nicht auf Ambrozy warten.“ Aufgrund des für ihn so desaströsen Ergebnisses am Oktober-Parteitag (knapp 61 Prozent) hat Ambrozy seinen Abgang als Vorsitzender bis Ende 2005 avisiert.

Zentrale. SP-Chef Alfred Gusenbauer hütet sich übrigens – bei aller Sympathie für Schaunig-Kandut – in Kärntner Belange einzugreifen. „Das ist auch besser so“, findet ein Kärntner Sozialdemokrat.

Der Koalitionspartner sieht dem Treiben aufmerksam zu. „Grundsätzlich mischen wir uns nicht ein“, sagt Kärntens FPÖ-Chef Martin Strutz. „Aber jeden akzeptieren wir nicht.“ Es müsse schon jemand sein, der die Koalition mittrage. „Sonst tun wir uns das nicht mehr an.“

Auf wenig Gegenliebe würde Schaunig-Kandut stoßen, die dem blau-roten „Chianti-Pakt“ 2004 nur widerwillig zugestimmt hatte. Mit einem der roten Bürgermeister (Mock, Köfer oder Seifried) sowie Landesrat Rohr täten sich die Freiheitlichen schon leichter. Vor allem die Kür des Villachers Rohr hätte den Vorteil, dass die überaus koalitionskritische Manzenreiter-Fraktion eingebunden wäre. Manzenreiter selbst, von März bis November 1999 schon einmal Kurzzeit-Obmann der Landes-SPÖ, will sich dies übrigens kein zweites Mal antun. Man kann es ihm glauben.Und wen wünscht sich Landeshauptmann Jörg Haider als neuen SPÖ-Chef? „Den alten“, diktierte er der „Kleinen Zeitung“ zum Jahreswechsel. Denn Peter Ambrozy verfüge über eine in politischen Kreisen recht seltene Eigenschaft: Handschlagqualität.